Staranwälte warnen Firmen vor hohem Risiko

Kein Geld Annehmen
Die Gunst von Amtsträgern dürfen Firmen nicht mit Bestechung erzielen. (Bild: M. Hassen / pixabay)

Sie zählt zu den besten Kanzleien der Schweiz. Nun legt Bär & Karrer bei Unternehmen die Finger in eine grösserwerdende Wunde.

Geht es um Bank- und Kapitalmarktrecht, haben sie fünf Sterne. Geht es um Fusionen und Übernahmen, haben sie fünf Sterne. Geht es um Private Equity und Venture Capital, haben sie auch fünf Sterne.

Und geht es etwa um Compliance, haben sie ebenfalls fünf Sterne im Ranking der besten Anwälte der Schweiz, welches die Zeitschrift «Bilanz» unlängst publizierte.

Immer mehr Strafen

Nun ergaben Recherchen von muula.ch, dass diese Staranwälte von Bär & Karrer die Firmen auf ein grösser werdendes Risiko hinweisen.

Es geht um den Artikel 102 des Strafgesetzbuches (StGB), welche die Strafverfolgungsbehörden offenbar immer akribischer anwenden.

Unternehmen seien daher mehr denn je gut beraten, ihre Strafrechts-, Compliance- sowie Korruptions- und Bestechungsrisiken zu identifizieren, hiess es in einer Analyse der Anwälte Claudia Götz-Staehelin, Massimo Chiasera und Joel Fischer.

Insbesondere der Einsatz von auf Erfolgsbasis tätigen Agenten in Ländern mit hoher Korruption birgt ein erhebliches Strafverfolgungsrisiko für Konzerne.

Vorkehrungen treffen

Worum geht es konkret?

Unternehmen unterstehen nach Art. 102 des StGB der Strafbarkeit, wenn der Firma vorzuwerfen ist, dass sie nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen habe, um die Bestechung fremder Amtsträger zu verhindern.

Unternehmen, welche erhöhten Korruptionsrisiken ausgesetzt sind, haben nämlich organisatorische Vorkehren und Massnahmen zur Verringerung solcher Korruptionsrisiken zu treffen, zu implementieren und zu überwachen.

Die Schweizerische Bundesanwaltschaft (BA) hat in jüngster Vergangenheit mehrfach Unternehmen wegen ungenügender Compliance-Vorkehrungen gegen Bestechung verurteilt.

Hohe Ersatzforderungen

So kam es bei der Firma Sicpa, die Sicherheitsfarben und -lösungen für die Herstellung von Banknoten und anderen Wertdokumenten anbietet.

Sie hatte nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen, um Bestechungshandlungen gegenüber fremden Amtsträgern zu verhindern. Gestützt auf Art. 102 StGB verurteilte die BA das Unternehmen zu einer Busse von einer Million Franken, wie auch muula.ch berichtete.

Darüber hinaus erkannte die BA eine Ersatzforderung im Umfang von 80 Millionen Franken, welche das Unternehmen zu bezahlen hat.

Zusätzlich zur Verhängung einer Busse von bis zu fünf Millionen Franken sieht das Gesetz nämlich auch die Einziehung von Vermögenswerten vor, welche durch die zugrundeliegende Straftat erlangt worden sind.

Falls die Einziehung der unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr möglich ist, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe.

Viel Ermessensspielraum

Angesichts der fehlenden Obergrenze und des behördlichen Ermessensspielraums bei der Bestimmung des einziehbaren Betrags stellt die Einziehung gegenüber der Busse oftmals das grössere Risiko für betroffene Unternehmen dar, weisen die Juristen eigens hin.

Im vorliegenden Fall betrug die Ersatzforderung beispielsweise 80 Millionen Franken, während die Busse mit einer Million Franken vergleichsweise gering ausfiel.

Keine «Paper Compliance»

Unternehmen müssen daher ihr Risikomanagement beziehungsweise ihre Compliance-Struktur basierend auf vorhersehbaren Risiken aufbauen und ihre Compliance-, Strafrechts- und Korruptionsrisiken proaktiv adressieren.

Von sehr grosser Bedeutung sei hierbei die Implementierung einer Compliance- Kultur, hiess es von den Anwälten weiter. Eine «Paper Compliance» genüge nicht. 

Im Rahmen des Strafverfahrens wurden organisatorische Mängel bei Sicpa insbesondere in den Bereichen Corporate Governance, Riskmanagement und Compliance festgestellt. Diese organisatorischen Mängel hatten es Angestellten des Unternehmens ermöglicht, im Zusammenhang mit Geschäften in Brasilien, Kolumbien und Venezuela fremde Amtsträger zu bestechen.

Weiteres Risiko

Bereits im Jahr 2011 hatte die BA die Alstom Network Schweiz AG auf der Grundlage von Art. 102 StGB verurteilt und dem Unternehmen eine Busse von 2,5 Millionen Franken sowie eine Ersatzforderung von 36,4 Millionen Franken auferlegt.

Im Rahmen des Verfahrens hatte die BA damals festgestellt, dass der Konzern zwar grundsätzlich ein taugliches Compliance-Regelwerk eingeführt hatte.

Seine eigenen Regelungen hatte die Firma jedoch nicht mit der notwendigen Hartnäckigkeit durchgesetzt, weshalb Bestechungshandlungen in Lettland, Tunesien und Malaysia nicht verhindert worden waren.

Entsprechend dieses Entscheids setze sich ein Unternehmen also selbst dann dem Risiko einer strafrechtlichen Verurteilung aus, falls es zwar über interne Compliance-Richtlinien verfüge, diese aber nicht hinreichend durchsetze, warnten die Juristen von Bär & Karrer weiter.

Kongo und Elfenbeinküste

Ein neueres Beispiel für das Fehlen jeglicher Vorsichtsmassnahmen zur Eindämmung von Korruptionsrisiken betrifft das Verfahren gegen das Unternehmen Gunvor International BV durch die Genfer Niederlassung sowie die Gunvor AG.

Im Jahre 2019 hat die BA Gunvor gestützt auf Art. 102 StGB zu einer Zahlung von rund 94 Millionen Franken verurteilt, wobei die Busse bei vier Millionen Franken und Ersatzforderung bei fast 90 Millionen Franken lagen.

Infolge schwerer Mängel in der internen Organisation hatte es Gunvor versäumt, die Bestechung von fremden Amtsträgern in der Republik Kongo und an der Elfenbeinküste zwischen 2008 und 2011 zu verhindern.

Bestechung vorbeugen

Die BA hatte im Dezember 2022 auch eine Strafuntersuchung gegen die ABB Management Services AG abgeschlossen und das Unternehmen wegen Widerhandlung gegen Art. 102 StGB ebenfalls zu einer Busse von vier Millionen Franken verurteilt.

Eine Ersatzforderung entfiel, da die ABB bereits im Jahr 2020 eine Ausgleichszahlung von 104 Millionen Dollar an Südafrika geleistet hatte.

In diesem Strafverfahren war dem Unternehmen vorgeworfen worden, dass es nicht alle erforderlichen Vorkehren getroffen habe, um Bestechungszahlungen an fremde Amtsträger in Südafrika zu verhindern. 

Klare Empfehlungen

Die Entscheide verdeutlichen, dass die Gesellschaften handeln müssen. Diese Risiken lassen sich aber laut den Advokaten nur durch adäquate und proaktive Massnahmen in der Compliance und der Implementierung einer Compliance-Kultur reduzieren. 

Die Staranwälte der Kanzlei Bär & Karrer empfehlen unter anderem:

Die Implementierung eines Verhaltenskodex sowie von konkreten Compliance-, Anti-Korruptions- und Bestechungsrichtlinien, inklusive risikobasierter Drittparteien-Due Diligence und -Management.

Schulungen notwendig

Die Belegschaft müsse auch darin trainiert werden. All dies Richtlinien müssen zudem in ein robustes und Compliance-Framework eingebettet sein, welches die konkreten Risiken des Unternehmens berücksichtigt und periodisch überprüft werde. 

Zudem muss es ein effektives Whistleblowing-Framework geben.

Innerhalb des Unternehmens brauche es zudem eine Awareness und Akzeptanz für die Thematik bei den Mitarbeitenden sowie klare Ansagen von ganz oben. Gerade die Relevanz dieses Punkts werde in der Praxis oft unterschätzt, erklärten die Experten.

Handlungen unter Privaten?

Es versteht sich von selbst, dass es konsequente Sanktionierung von Verstössen innerhalb des Unternehmens brauche – unabhängig von der hierarchischen Ebene innerhalb des international tätigen Konzerns.

Auf einem ganz anderen Blatt steht die Situation dagegen für Firmen, wenn es sich um «Schmiergelder» oder Freundschaftsdienstleistungen unter Privaten handelt.

Während die einen argumentieren, opulente Einladungen und üppige Geschenke seien eine normale Betriebsausgabe, um etwa an Aufträge zu kommen, und gehe daher eigentlich niemanden etwas an.

Andere sehen darin aber ähnlich kriminelle Handlungen, wie bei der Bestechung von Amtsträgern.

Klar ist die Situation dabei jedenfalls nicht und braucht sicher Fünf-Sterne-Anwälte zur tieferen Klärung.

29.05.2023/kut.

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