Die Einlagensicherung der Schweizer Banken ist eine Farce

Ein verrostetes Vorhängeschloss
Die Sicherheit des Schweizer Finanzplatzes ist ein Trugschluss. (Bild: M. Jarmoluk / pixabay)

Die Schweiz will für Krisenfälle bei Banken gut gewappnet sein. Doch die wichtige Einlagensicherung funktioniert nur auf dem Papier.

«Ein Konkurs der Credit Suisse hätte die Schweizer Einlagensicherung mit grosser Wahrscheinlichkeit überfordert.»

Dies sagte der ehemalige Kadermann der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma Reto Schiltknecht in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».

Ausgewiesener Fachmann

Die Höhe der gesicherten Einlagen der Credit Suisse (CS) sei zwar nicht öffentlich.

«Es ist aber klar, dass diese ein Mehrfaches der knapp 9 Milliarden Franken ausmachen, die von der Einlagensicherung gedeckt werden», führte der Jurist weiter aus.

Er muss es wissen, schliesslich arbeitete er bei der Finma von 2010 bis 2021 in verschiedenen Positionen und ist nun als Senior Counsel für die Beratungsfirma Geissbühler Weber und Partner (GWP) in Zürich tätig.

Otto-Normalo im Fokus

Die Sicherungssumme betrage gerade einmal 1,8 Prozent aller gesicherten Einlagen in der Grössenordnung von 500 Milliarden Franken in der Schweiz, hiess es weiter zu der enormen Diskrepanz.

Der Zweck der Einlagensicherung ist laut Schiltknecht aber, die ganz normalen Kunden zu sichern und nicht jene der Ultrareichen, also der Ultra High Net Worth Individuals UHNWI.

Normalverbraucher sollen beim Konkurs einer Bank schnellen Zugang zu Liquidität erhalten, damit sie selbst ihren eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen könnten, hiess es weiter.

Grundsatzproblem bleibt

Zwar ist die Summe der Einlagensicherung während der jüngsten Finanzkrise, als die Grossbank UBS vom Staat gerettet werden musste, von 30.000 auf 100.000 Franken pro Kunde und Bank aufgestockt worden.

Doch mit der Anhebung von Limiten verschwindet das Grundsatzproblem nicht.

«Man kann nicht alle Einlagen in der Höhe von 500 Milliarden sicher machen», führte der Anwalt diesbezüglich aus.

Das wird auch Blick auf die rund 9 Millionen Einwohner der Schweiz klar.

Sie kämen mit je 100.000 Franken an Sicherungskapital schon auf einen Betrag von 900 Milliarden Franken – ausländische Einlagen wohlgemerkt noch nicht einmal mitgerechnet.

Immer wieder Notrecht

Zwar wird seit Jahren eine explizite Bundesgarantie gefordert.

«Sie wurde aber auch in der jüngsten Revision der Einlagensicherung, die erst Anfang Jahr in Kraft trat, nicht umgesetzt», kritisierte Schiltknecht die Situation.

In einer Krise habe die Schweiz also gar keine andere Wahl als wieder zu Notrecht zu greifen, erklärte er.

Bettler aus Rumänien

Ohnehin reiben sich viele Beobachter des Schweizer Bankensystems die Augen, wie so viel Vermögen mit so wenig Sicherungsmechanismen für den Krisenfall auskommen kann.

Wer einmal bei der Einlagensicherung von Esisuisse in der Nähe vom Bahnhof SBB in Basel am Centralbahnplatz war, kann kaum glauben, dass sich dort eine der wichtigsten Einrichtungen des Schweizer Finanzplatzes befindet.

Dort pinkeln nicht nur Betrunkene ständig vor die Tür, sondern auch die Bettler aus Rumänien übernachten gerne vor der Tür.

Grossbank UBS zieht Fäden

Gleich neben einer Filiale von Burger King fehlt dem Ort jede Spur von Glamour und Sicherheit.

Das Gebäude dürfte aber, wie Recherchen von muula.ch ergaben, der UBS-Pensionskasse gehören. Insofern schliesst sich der Kreis.

Weshalb es in der Bankenwelt keine Rückversicherungslösung gibt und sich die Geldhäuser auch noch diese Sicherungskosten sparen können, ist eines der vielen Geheimnisse des Schweizer Finanzplatzes.

In der Sach- und Lebensversicherung ist die Sicherung von Grossrisiken obligatorisch. Bei Banken drückt man da offenbar beide Augen zu.

Rückversicherung nötig

Neben der Bundesgarantie wäre eben auch eine Versicherungslösung möglich, sagte auch Schiltknecht.

«Es gibt also Optionen, aber man hat nichts davon umgesetzt», kritisierte er die Schweizer Bankenwelt. In einer ernsthaften Krise hätte das Land kein Geld, um die Versprechen zu erfüllen.

«Letztlich müsste wieder der Bund einspringen», sagte er zum Dilemma.

IMF mahnte die Schweiz

Es gebe keine Staatsgarantie und Esisuisse sei auch eine private Organisation, mahnte der Experte weiter.

Selbst der Internationale Währungsfonds IMF hatte in seiner Untersuchung zur Schweiz bereits vor Jahren festgestellt, dass die Schweizer Einlagensicherung hinter dem Standard vergleichbarer Finanzplätze zurückbleibe, untermauerte Schildknecht seine Argumentation.

Kaum Transparenz zu Haftungen

Heutzutage gebe es nicht einmal Modellrechnungen für Notsituationen und auch keine Mehrfachleistungspflicht der Banken, also wenn etwa die 9 Milliarden Franken aufgebraucht seien und drei Monate später wieder eine Bank in Konkurs gehe, umschrieb der Anwalt die schlechte Situation des Landes.

Dass die Banken keine bessere Lösung erarbeiteten, könne er dagegen verstehen, weil sie ja Interessenpolitik betrieben.

Alles sei nur Pflästerlipolitik. «Klar ist, dass es keinen politischen Konsens zwischen den Behörden und den Banken gab, um Reformen anzupacken», sagte der Ex-Finma-Mann.

Öl ins Feuer giessen

«Eine international respektierte Einlagensicherung kann aber kein privater Verein sein», kritisierte Schiltknecht zudem.

In einer Bankenkrise habe man mehr Vertrauen in den Staat als in private Akteure, hiess es weiter.

Und eine Vorfinanzierung habe noch einen positiven Aspekt:

«Wenn man in der Krise das Geld beschaffen muss, wirkt das prozyklisch und treibt die Abwärtsspirale weiter an», sagte der Jurist gegenüber der «NZZ am Sonntag» mit Blick auf die Regionalbankenkrise in den USA.

28.05.2023/kut.

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