Swiss Re kontert Vorwürfe von Aktivisten

Ein altes und ein neues Gebäude des Rückversicherer Swiss Re in Zürich
Rückversicherer wie Swiss Re wandeln zwischen Altem und Neuem. (Bild: PD)

Politische Aktivisten haben den Rückversicherer Swiss Re ins Visier genommen. Gegenüber muula.ch äussert sich der Weltkonzern zur Sache.

Die Spannungen zwischen Wirtschaft und Rettern der Welt könnten kaum grösser sein. Sie kleben sich an Strassen und Gemälde, sie stören die öffentliche Ordnung und sie stürmen Bankfilialen.

Schweizer Auftrag zur Recherche

Nun ist aber ein ganz besonderer Schlagabtausch in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Es geht um den zweitgrössten Rückversicherer der Welt, der Swiss Re, und politischen Aktivisten von Public Eye, besser bekannt als «Die Erklärung von Bern».

In einer Auftragsrecherche von Public Eye trugen Reporter in Brasilien ein paar Daten zu Geschäften des namhaften Schweizer Rückversicherers am anderen Ende der Welt zusammen, wie die Aktivisten am heutigen Freitag in einer Medienmitteilung bekanntgaben.

Sojaanbau in Brasilien

Swiss Re habe vergangenes Jahr den vierten Platz bei landwirtschaftlichen Verträgen belegt, die im Rahmen eines staatlichen Subventionsprogramms abgeschlossen wurden, hiess es zur Ausgangslage.

Der Rückversicherer habe dabei eine Gesamtfläche von 659.000 Hektar versichert, was ungefähr dem Kanton Graubünden entspricht.

Darunter sei zum Beispiel auch die Farm Manto Verde gefallen, für deren Sojaanbau die brasilianische Tochterfirma des Zürcher Konzerns seit 2016 stolze 17 Versicherungspolicen abgeschlossen habe, hiess es.

Die sei aber erfolgt, obwohl der landwirtschaftliche Grossbetrieb von 2400 Hektar wegen illegaler Abholzung von den Behörden zum Sperrgebiet erklärt worden sei

Angeklagten als Kunden

Repórter Brasil habe zudem Fälle dokumentiert, in denen Swiss Re sogar Versicherungsverträge mit Farmen abgeschlossen habe, die gesetzwidrig indigene Schutzzonen bewirtschafteten.

Ein solcher Kunde sei bei Abschluss von drei Versicherungen sogar Angeklagter in einem Mordfall gewesen und gegen einen anderen sei wegen Sklavenarbeit auf seiner Kaffeefarm ermittelt worden.

Swiss Re habe gegenüber den Aktivisten zu der Angelegenheit allerdings lediglich erklärt, dass sich der Konzern bemühe, Nachhaltigkeitsrisiken im gesamten Geschäft zu identifizieren, schrieb Public Eye weiter.

Analogie zur Schweiz

Natürlich ist es für keine Firma schön, wenn solche Details nach dem Abschluss eines Geschäftes an die Öffentlichkeit gelangen.

Jedoch darf selbst für die Schweiz stark bezweifelt werden, dass ein Versicherer beim Abschluss einer Police hierzulande weiss, ob ein potenzieller Kunde womöglich Angeklagter in einem Gerichtsfall ist oder, ob gegen die Person in irgendeiner Weise ermittelt wird.

Auf der anderen Seite der Welt ist dies aber nochmal eine Stufe schwieriger. Und die Frage, ob Unternehmen mit solchen Personen keine Geschäfte machen dürfen, steht ebenfalls im Raum.

Warum nicht? Es ist nicht klar.

Unklare Beschreibung der Missstände

Des Weiteren ist in den Darstellungen von Public Eye unklar, wann, wo und auf welcher Grundlage die Finca zu einem Sperrgebiet erklärt wurde.

Es ist nicht einmal klar, was das genau heisst.

Wenn das versicherte Risiko wegfällt, sind Versicherungspolicen normalerweise auch hinfällig. Wenn eine Wohnung in der Schweiz von Behörden zur Sperrzone erklärt wird, verlieren Hausrat- oder Haftpflichtversicherungen nicht unbedingt ihre Gültigkeit.

Es ist also ziemlich unklar, was an den Vorwürfen dran ist.

Policen nicht mehr in Kraft

Nichtsdestotrotz fragte muula.ch beim Rückversicherer Swiss Re an und erbat eine Stellungnahme.

«Wir nehmen alles, was Nachhaltigkeit betrifft, ernst und analysieren verfügbare Informationen», erklärte eine Mediensprecherin auf die Anfrage.

«Die im Artikel erwähnten Policen sind nicht mehr in Kraft», führte der namhafte Rückversicherer zu der Sache weiter aus.

Damit ist das Thema auch erledigt.

Drei Stellschrauben

Nicht erledigt sind für die Assekuranz aber die Probleme mit der Nachhaltigkeit.

Versicherer und Rückversicherer um Marktführer Munich Re, Allianz, Zurich Insurance, Axa, Generali, Scor, Hannover Rück & Co. haben generell drei Stellhebel, wie sie klimagerechte Massnahmen umsetzen können.

Als Erstes sind es die Gesellschaften selbst, die weniger mit dem Flugzeug umherjetten und weniger Papierdokumente ausdrucken können. Der Hebel von alldem ist äusserst gering.

Schwierige Abwägungen

Der zweite Ort, wo Versicherer nachhaltiges Verhalten zeigen können, ist bei ihren grossen Kapitalanlagen.

Nachhaltiges Investieren ist daher in der Branche ein grosses Thema. Darf man hier und dort noch Geldanlegen? Auch da scheiden sich im Einzelfall die Geister, was da korrekt sein soll.

Die dritte und schwierigste Stellschraube für Nachhaltigkeit ist das Zeichnen von Versicherungsgeschäft, das ökologisch bedenklich oder in den Augen von manchen Gruppen ethisch bedenklich ist.

Zusammenbruch der Wirtschaft

Hierbei ist der Spagat für die Firmen schwierig, weil sie einerseits Kohlekraft- oder Atomkraftwerke weiterhin sichern müssen, und die Versicherer solche Bereiche auf ihrer Transformation zur Nachhaltigkeit begleiten können.

Liess die Assekuranz solche Geschäfte, wie Erdöl- oder Erdgastanker, links liegen, würde die Weltwirtschaft zusammenbrechen, weil Risiken nicht mehr gedeckt sind und viele Unternehmen gar nicht mehr operieren könnten.

Was passiert, wenn nicht ausreichend zahlungskräftige Akteure plötzlich die Geschäfte betreiben? Im Schadenfall würden die Versicherungskunden dann vielleicht leer ausgehen.

Insofern ist es schwierig, generelle Aussagen zu machen.

Viele Versicherer sind auch aus der Uno-Initiative zu mehr Nachhaltigkeit genau aus diesem Grund ausgestiegen, wie muula.ch unlängst berichtete. Die Bürokraten wollen nur Öko-Kriterien zur Rettung des Planeten als Massstäbe gelten lassen, hiess es dazu aus der Branche.

Gehupft wie gesprungen

Dass die von Aktivisten beanstandeten Policen nicht mehr in Kraft sind, spricht eigentlich für den Rückversicherer, der dieses Geschäft nicht mehr betreibt.

Es hätte in dieser Situation aber auch ganz anders kommen können:

Falls der Rückversicherer diese Mikroversicherungen im Entwicklungsland Brasilien nämlich nicht mit den Farmern abgeschlossen hätte, wären dieselben Weltverbesserer vielleicht auch auf den Swiss-Re-Konzern losgegangen.

17.11.2023/kut.

Swiss Re kontert Vorwürfe von Aktivisten

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