Bundesrat verstrickt sich in Widersprüche zur CS-Rettung

Schweizer Parlament in Bern
Im Parlament beginnt die ausserordentliche Session zum Untergang der CS. (Bild: M. Zenker / unsplash)

Die Schweizer Regierung hat vor dem Parlament eine Erklärung abgegeben. Dabei wird deutlich, dass die Abläufe zur Rettung der Krisenbank Credit Suisse völlig unklar sind.

Der aktuelle Bundespräsident der Schweiz, Alain Berset, hat am heutigen Dienstag im Parlament eine Erklärung zu den Ereignissen um den Untergang der Krisenbank Credit Suisse (CS) vorgetragen.

Darin wird quasi die Rechtfertigung vorgenommen, um die Zwangsübernahme mit der Grossbank UBS plausibel aussehen zu lassen.

Infos nur auf Französisch

Doch statt Fragen an der ausserordentlichen Session zum Untergang der CS zu beantworten, wirft die Rede eher neue Fragen auf.

Erstens ist es ungewöhnlich, dass die Administration die Erklärungen nur auf Französisch verschickt.

Das ist äusserst ungewöhnlich. Es lässt aber erahnen, dass man allfälligen US-Klagen nicht noch Munition auf Deutsch oder sogar Englisch liefern und bei Falschaussagen womöglich Übersetzungsfehler geltend machen will.

Komisches Datum

muula.ch hat die Übersetzung ins Deutsche vorgenommen und gibt aussnahmsweise auch längere Passagen wörtlich wieder, weil dies von Bedeutung ist. Einige Ausagen sind in der Tat fragwürdig.

«Nun war der Bundesrat am 15. März 2023 erneut gezwungen, unter Zeitdruck sehr wichtige Entscheide zu treffen, um die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes und des internationalen Finanzplatzes zu gewährleisten und unsere Wirtschaft zu schützen», führte Berset zu Beginn aus.

«Seit einigen Monaten waren wir uns des zunehmenden Vertrauensverlusts der Märkte in die Credit Suisse bewusst, der sich in hohen Liquiditätsabzügen manifestierte. Und das, obwohl die Bank – soweit wir wissen – die gesetzlichen Anforderungen an die Solvabilität und das Eigenkapital erfüllte», sagte der Bundespräsident weiter.

Merkwürdiger Einschub

Dabei wirkt merkwürdig, dass mit – soweit wir wissen – offenbar Einschränkungen bei den Anforderungen an Solvenz und Eigenmittel gemacht werden sollen. Was soll diese Geste?

Auch fragt man sich, wieso der Bundesrat sich seit Monaten dieses Vertrauensverlustes bewusst war, aber keine besseren Vorkehrungen getroffen hatte und eine Hauruck-Übung brauchte.

Vage Wahrscheinlichkeit

Doch das ist nebensächlich, wenn man auf die folgende Aussage blickt:

«Zwischen dem 15. und 19. März zwang die Negativspirale, in welche die Credit Suisse – auch infolge des Konkurses der Silicon Valley Bank in den USA – geraten war, den Bundesrat dazu, die Initiative zu ergreifen und seine Verantwortung zu übernehmen. Die Zeit war knapp, denn die Lage der Bank verschlechterte sich von Stunde zu Stunde. Ohne Intervention wäre die Credit Suisse aller Wahrscheinlichkeit nach am 20. oder 21. März dieses Jahres zahlungsunfähig geworden», hiess es.

Nunmehr heisst es bloss noch aller Wahrscheinlichkeit nach, bisher hiess es immer zu 100 Prozent. Allerdings ohne konkrete Kennzahlen zu nennen, welche diese Vermutung untermauern. Die Öffentlichkeit hat diese bis heute nicht.

Nur Teil der Wahrheit bekannt

Auch scheinen die Datumsangaben interessant. Das Notrecht wurde am 16. März geschaffen für etwas, was sich erst später herauskristallisieren sollte.

Am 16. März hatte die CS in den Morgenstunden lediglich die Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen im Wert von 50 Milliarden Franken von der Schweizerischen Nationalbank SNB gegen Sicherheiten bekanntgegeben. Sogar einen Rückkauf von Anleihen hatte die Bank angekündigt.

Widerspruch um Widerspruch

«Der Bundesrat nahm zunächst Kenntnis von den Massnahmen zur Bereitstellung von Liquidität durch die SNB, um die Weiterführung der Geschäfte der Credit Suisse zu gewährleisten, bis eine glaubwürdige und stabile Lösung gefunden ist. Diese Liquiditätszufuhr ist unter dem Begriff ELA bekannt. Parallel dazu schuf der Bundesrat die gesetzlichen Grundlagen, damit die SNB der Bank eine zusätzliche Hilfe in Form von konkursprivilegierter Liquidität (ELA+) gewähren konnte», hob der Schweizer Bundespräsident an der Sondersession vor National- und Ständerat hervor.

«Die Liquiditätsspritzen allein waren jedoch nicht in der Lage, das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen. Auch die Zukunft musste gesichert werden», erklärte Berset tatsächlich.

Doch die Liquiditätshilfen wurden überhaupt nicht kommuniziert, sondern der Öffentlichkeit in der historischen Medienkonferenz am 19. März vorgestellt. Somit konnten die Märkte auch kein Vertrauen finden, wenn stabilisierende Massnahmen nicht bekannt sind.

Liquidität nur im Bedarfsfall

Bis dato galt nur folgende Medienmitteilung der SNB und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma vom Mittwochabend, 15. März, um 20:20 Uhr:

«Die Finma bestätigt vor diesem Hintergrund, dass die Credit Suisse die für systemrelevante Banken besonderen Anforderungen an Kapital und Liquidität erfüllt. Darüber hinaus wird die SNB der global tätigen Bank im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen.»

Dann führte Berset weiter aus: «Ab Donnerstag, dem 16. März, suchte der Bundesrat in Absprache mit der Schweizerischen Nationalbank und der Finma nach der bestmöglichen Lösung, um eine Finanzkrise mit unkalkulierbaren Auswirkungen zu vermeiden. Er tat dies auf der Grundlage von Szenarien, die in den vorangegangenen Monaten evaluiert worden waren», betonte er.

Keine anderen Offerten

Nach einer Analyse der verschiedenen Optionen habe der Bundesrat zusammen mit den betroffenen Akteuren beschlossen, die Übernahme der CS durch die UBS zu unterstützen. Angebote anderer privater Akteure lagen nicht auf dem Tisch, hiess es weiter.

Das verwundert, weil ja auch nie kommuniziert worden war, dass die CS einen Käufer für sich sucht. Welche Rolle spielte Blackrock dabei – war doch immer der Name des grössten Vermögensverwalters der Welt immer mit von der Partie gewesen?

«Diese Lösung wurde als diejenige angesehen, die am ehesten geeignet war, das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen», betonte Berset vor dem Parlament.

Keine Wirkung auf Staatsbudget

Von Bedeutung scheint dann noch, dass der Schweizer Regierung offenbar nur wichtig war, dass sie ja nicht zur Kasse gebeten wird. Es wurden abenteuerliche Konstrukte ausgedacht.

«Insgesamt wurden vom Bund zwei Garantien in Höhe von 109 Milliarden Franken gewährt. Sie werden keine direkten Auswirkungen auf die Bundesfinanzen haben. Die Liquiditätsgarantie von 100 Milliarden gegenüber der Schweizerischen Nationalbank würde sich nur dann auf den Haushalt auswirken, wenn einerseits die Credit Suisse Konkurs anmelden müsste und andererseits die Konkursmasse trotz Konkursprivileg nicht ausreichen würde, um den Kredit zurückzuzahlen. Die Garantie von 9 Milliarden Franken gegenüber der UBS ihrerseits kann nur ausgelöst werden, wenn der endgültige Verlust auf dem Portfolio der betroffenen Vermögenswerte 5 Milliarden übersteigt, welche die UBS zunächst übernimmt», erklärte Berset.

«Diese Entscheide wurden am Sonntag, dem 19. März, getroffen und am selben Tag bekanntgegeben», sagte er.

Not nicht über Nacht entstanden

«Ein Konkurs der Credit Suisse hätte verheerende Folgen für das Land, für die Unternehmen, für die Privatkunden, aber auch für den Ruf der Schweiz gehabt. Es musste schnell gehandelt werden. Unter diesen Umständen musste der Bundesrat auf das Notrecht zurückgreifen. Dieses Recht wurde übrigens genau deshalb geschaffen, um Situationen zu begegnen, die das Land bedrohen und die nicht mit anderen Mitteln abgewendet werden können.»

Doch von Bedeutung ist noch die Passage zum Vertrauensverlust der CS. «Dieser Vertrauensverlust gegenüber der Credit Suisse ist nicht über Nacht entstanden. Das Vertrauen wurde schrittweise zerstört worden. Zerstört von Verantwortlichen, die offensichtlich nicht in der Lage waren, die Lehren aus der jüngsten Finanzkrise zu ziehen und ihre Verantwortung zu übernehmen und zu tragen», hiess es.

Dann hätte der Bundesrat eigentlich früher handeln müssen.

11.04.2023/kut.

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