CEO tritt nach kritischem Bericht von muula.ch zurück

Nach schlechter Presse hat Helvetia-Konzernchef Philipp Gmür seinen Rücktritt erklärt. (Bild: PD)

Das Newsportal muula.ch hat die Halbjahresresultate einer Firma unter die Lupe genommen. Nun tritt der Konzernchef der betroffenen Versicherungsgruppe zurück.

Der Beitrag hatte für Aufsehen gesorgt. Das neue Wirtschaftsnewsportal der Schweiz muula.ch analysierte unlängst das Video zu den Semesterresultaten der Versicherungsgruppe Helvetia.

Konzernchef Philipp Gmür hatte einfach irgendwelche Entwicklungen des Versicherers herauspickt und dabei Vergleichszahlen weggelassen beziehungsweise negative Punkte nicht erwähnt. Dazu sah er mit gepunkteter Krawatte und gestreiftem Sakko in einem türkisfarbenen Raum doch recht merkwürdig aus.

Plötzlich den Hut genommen

Der Beitrag hatte besonders in Versicherungskreisen für Diskussionsstoff gesorgt. Ein CEO mit einem Grossaufgebot an Kommunikationsexperten dürfte sich eigentlich so nicht in der Öffentlichkeit präsentieren, lautete der Tenor.

Am Dienstagmorgen teilte der St. Galler Versicherer überraschend mit, dass Gmür per Mitte 2023 zurücktrete und die Gesellschaft die Suche nach einem neuen Konzernchef eingeleitet habe.

Nun dürfte der Artikel auf muula.ch zwar nicht den Hauptgrund für den Rücktritt geliefert haben. Vielmehr war es in den Augen zahlreicher Betrachter der berühmte Tropfen, der das Fass schliesslich zum Überlaufen brachte.

Fragwürdige Leistungen

Wie muula.ch erfuhr, ist der Leistungsausweis von Gmür seit seinem Amtsantritt im September 2016 nämlich alles andere als rühmlich. So wurde eine von ihm eingeleitete Umorganisation im Laufe der Zeit stückweise wieder rückgängig gemacht und die Gruppe ähnelt schliesslich erneut jener Struktur, die Gmürs Vorgänger, Stefan Loacker, aufgesetzt hatte.

Gmür pries zudem die Digitalisierung in der Assekuranz stark an. Allerdings vertrat der dabei eher die traditionelle Auffassung, dass Versicherungsprodukte verkauft werden müssten, weil sie nicht von selbst gekauft würden. Genauso antiquiert waren dann auch die Prozesse bei dem Versicherer – etwa mit dem Ausbau des Telefonservice.

Börsenregel gebrochen

Weiter hiess es, dass die Gmürs Personalpolitik für Kritik gesorgt habe. So zog er viele Kader aus seinem ursprünglichen Betätigungsfeld, der Schweizer Einheit von Helvetia, auf die Konzernebene und verengte so laut den Quellen den Blick auf das gesamte Betätigungsfeld der Gruppe immer mehr.

Und nicht nur das peinliche Video zu den Halbjahresresultaten sorgte für Stirnrunzeln. Helvetia soll sogar Börsenregeln der SIX gebrochen und so in mindestens einem Fall eine Ad-Hoc-Meldung nicht wie notwendig allen Marktteilnehmern vor Handelsbeginn zur Verfügung gestellt haben.

Gewiss ist Gmür für solche Dinge nicht direkt zuständig. Jedoch muss er als Konzernchef letztlich die Verantwortung für diese Fehler übernehmen.

Aufseher wortkarg

muula.ch fragte wegen des Börsen-Vorfalls eigens bei der SIX Exchange Regulation SER an. «Ergeben sich genügend Anhaltspunkte für die Verletzung von Regularien wird eine Untersuchung eröffnet und die Eröffnung der Untersuchung entsprechend kommuniziert», teilte aber ein SER-Mediensprecher lediglich mit, ohne auf den konkreten Fall Helvetia eingehen zu wollen.

Letztlich geben die SER-Aufpasser zwar auch den Abschluss eines Vorfalls sowie allfällige Sanktionen bekannt, allerdings ohne den Namen der betroffenen Firma zu nennen. Insofern bleibt die Öffentlichkeit dabei also eher im Unklaren.

Merkwürdige Worte

Helvetia-Verwaltungsratspräsident Thomas Schmuckli lässt sich – neben den üblichen Dankesworten – in der Medienmitteilung auch direkt zitieren: «Philipp Gmür hat die Helvetia Gruppe nachhaltig geprägt», hiess es. Externe können auch dabei nur raten, wie der Satz wohl gemeint ist.

Die Tatsache, dass es eine sehr lange Übergangsfrist beim Abgang zu «Mitte 2023» gibt, deutet darauf hin, dass man Gmür nach seinen fast 30 Jahren Tätigkeit bei der Helvetia-Gruppe, und davon 13 Jahre als Länderchef Schweiz, nicht einfach vor die Tür setzen wollte.

Keine Langweile

Allerdings zeigt auch der Umstand, dass die Helvetia noch keine Nachfolgelösung präsentieren kann, dass der Wechsel eher abrupt herbeigeführt wurde. Der ausgebildete Jurist Gmür freut sich nunmehr darauf, «andere Aufgaben ausserhalb der Helvetia Gruppe zu übernehmen», wie es im Communiqué hiess.

Ohnehin sitzt der Noch-Helvetia-Konzernchef im Verwaltungsrat bei der Allreal Holding sowie im Grand Casino Luzern. Obendrein agiert er im Vorstand von Economiesuisse und im Stiftungsrat des Thinktanks Avenir Suisse, wie es von dem Versicherer weiter hiess.

Seinen Werdegang wird muula.ch daher sicher weiter verfolgen.

25.10.2022/kut.

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