Groupe Mutuel misslingt die Expansion

Verwaltungsrat der Groupe Mutuel
Der Verwaltungsrat der Groupe Mutuel sollte die verlustreiche Geschäftsstrategie überprüfen. (Bild: PD)

Die Krankenkasse Groupe Mutuel ist über die Romandie hinaus stark gewachsen. Das war mit Blick auf die Jahreszahlen keine gute Idee.

Schuster, bleib bei Deinen Leisten, möchte man dem Verwaltungsrat der Krankenkasse Groupe Mutuel zurufen.

Das Sprichwort, das auf den grossen Maler der Antike Apelles mit «Sutor, ne ultra cepidam» zurückgeht, passt nämlich für den Wachstumskurs des Krankenversicherers aus der verschlafenen Ortschaft Martigny im Kanton Wallis gut.

Gewaltige Einbrüche

Die Krankenkasse wäre besser nicht so stark in die Deutschschweiz gewachsen, hätte lieber keinen teuren Markenauftritt lanciert und hätte wahrscheinlich heute weniger Probleme am Hals.

Gleich vorneweg – das Wachstum ist eigentlich kein Wachstum, sondern eine Schrumpfung. Und diese ist gewaltig.

Das Prämienvolumen der Krankenkasse betrug im Jahr 2018 über 5,6 Milliarden Franken. Der Konzern machte 308 Millionen Franken an Gewinn.

Die Grundversicherung florierte prächtig – im Geschäft mit Zusatzversicherungen und im Unfallbereich, das auf 1 Milliarde Franken an Beiträgen kam, gab es Verluste. Da hätte man ansetzen können.

Halbe Milliarde an Verlust

Stattdessen muss sich das Topmanagement der Groupe Mutuel nun für die Resultate schämen und publizierte wahrscheinlich daher den Geschäftsbericht 2022 der Gruppe vor einem Feiertag.

Das ist immer ein schlechtes Zeichen, weil dann die Presse weniger Aufmerksamkeit aufbringen kann, schliesslich gibt es am nächsten Tag keine gedruckten Zeitungen und manch ein Journalist ist schon ins verlängerte Wochenende abgezischt.

Das Prämienvolumen für 2022 lag nunmehr bloss noch bei 5,3 Milliarden Franken.

Und unter dem Strich wies die Krankenkasse einen horrenden Verlust von fast einer halben Milliarde Franken aus.

Dafür sollte sich das hochbezahlte Management der Krankenkasse wirklich schämen.

Nicht nur fallende Börsen

Marktführer Helsana kommt zum Vergleich auf ein Prämienvolumen von 7,6 Milliarden Franken und kommt auf einen Jahresfehlbetrag von 524 Millionen Franken. Die Helsana hat aber rund 2,3 Milliarden Franken an Prämien mehr.

Nun, zeigt sich logischerweise bei Groupe Mutuel genau wie bei Helsana, dass die Einbrüche an den Kapitalmärkten einen stark negativen Einfluss auf das jüngste Jahresergebnis hatten.

Helsana machte 450 Millionen an Miesen beim Ergebnis aus Kapitalanlagen. Bei Groupe Mutuel betrug der Verlust in dieser Position aber «bloss» 282 Millionen Franken.

Es zeigt sich bei dem Jahresfehlbetrag von 486 Millionen Franken, dass also bei den Westschweizern auch strukturell etwas nicht stimmt.

Einst besser als Marktführer

Während die Helsana-Gruppe für das Jahr 2021 nämlich einen Gewinn von 230 Millionen Franken auswies, kam die Krankenkasse aus Martigny schon damals auf einen Horrorverlust von fast 100 Millionen Franken, konkret 78,4 Millionen.

Vor Corona, also im Jahr 2019, stand Groupe Mutuel noch viel besser da. Damals hatte Helsana als grösste Schweizer Krankenkasse einen Gewinn von 435 Millionen Franken ausgewiesen.

Die Romands kamen aber auf einen Überschuss von sogar 485 Millionen Franken, obwohl die Beiträge ja Milliarden weniger waren.

Vergangene Zeiten

Und auch das schlechte Kapitalanlageergebnis, welches diesmal als Erklärung für den Verlust von fast 500 Millionen Franken herhalten muss, stimmt so nur bedingt.

Denn im Jahr 2018 verlor Groupe Mutuel an den Börsen 123 Millionen Franken, doch unter dem Strich machte die Krankenkasse aus den Prämien von 5,6 Milliarden Franken immerhin noch den erwähnten Gewinn von 308 Millionen Franken.

Helsana musste damals mit langen Gesichtern vor die Presse treten und einen Mini-Überschuss von nur 54 Millionen Franken ausweisen. Die Kasse aus der Deutschschweiz hatte es an den Kapitalmärkten mit einem Minus von 136 Millionen Franken gebeutelt.

Aufsicht schläft

Der daraus zurecht entstandene Stolz der Groupe Mutuel hat allerdings zu einer riskanten Expansionsstrategie geführt. Die Krankenkasse will diversifizieren und neue Absatzmärkte erschliessen. Doch das ging offenbar schief.

Beobachter fragen sich nun, wo die Aufsichtsbehörden um das Bundesamt für Gesundheit BAG für die Grundversicherung und um die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma für die Zusatzversicherungen bleiben. Sie hätten solche Exzesse nicht zulassen dürfen.

Wenn es Helsana mit Hauptsitz in der Deutschschweiz nicht schafft, langfristig erfolgreich zu sein, dürfte es für «Angreifer» aus anderen Landesteilen auf diesen Markt noch sehr viel schwerer sein.

Schlechte Risiken, welche die anderen nicht haben wollen, landen dann nämlich regelmässig beim Neuankömmling.

Kollaps des Systems

Die Gesundheitskosten waren 2022 um 3 Prozent angestiegen, hiess es im jüngsten Communiqué der Groupe Mutuel.

Erste Schätzungen für das Jahr 2023 gingen nun sogar von einem erneuten Anstieg von mehr als 7 Prozent aus. Ein harter Sanierungskurs steht da an. Neugewonnene Kunden dürften schnell wieder weg sein.

«Ohne Massnahmen zur Eindämmung des Kostenanstiegs wird unser Gesundheitssystem zusammenbrechen», warnte Konzernchef Thomas Boyer sogar die ganze Schweiz.

Wenn dies stimmt, hätten die Aufsichtsbehörden, wie bereits bei der untergegangenen Krisenbank Credit Suisse, einen Grossteil der Schuld mitzutragen.

Lokale Stärken stärken

Schuster, bleib bei Deinen Leisten, will man da also zurecht der Geschäftsführung und dem Verwaltungsrat der Groupe Mutuel zurufen.

Die Marschrichtung muss nun klar lauten, den Expansionskurs abblasen und auf die lokalen Stärken in der Westschweiz konzentrieren.

19.05.2023/kut.

Groupe Mutuel misslingt die Expansion

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