ABB-Präsident legt sich mit SVP und Gewerkschaften an

ABB-Verwaltungsratspräsident Peter Voser
Peter Voser sieht Europa dank Automatisierung und Robotik gut aufgestellt. (Bild: PD)

ABB-Verwaltungsratspräsident Peter Voser will eine Allianz von SVP und Gewerkschaften verhindern. Für Europa ist er zudem sehr optimistisch.

Der langjährige Verwaltungsratspräsident des Elektrotechnikkonzerns ABB, Peter Voser, hat sich überraschend zur Situation der Schweiz mit der Europäischen Union EU geäussert.

Dabei will er, dass sein Heimatland unabhängig von rechts wie links bleibe.

Pragmatische Lösungen finden

«Wir müssen eine sachliche Diskussion führen und dürfen uns von der SVP und den Gewerkschaften nicht abhängig machen», sagte er in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vom heutigen Mittwoch.

«Deren Allianz ist nicht hilfreich», erklärte der Topmanager.

Es sei immer eine Stärke der Schweiz, pragmatische Lösungen zu finden, um Probleme aus der Welt zu schaffen, hiess es weiter.

Scheitern wäre fatal

Es sei für Voser ganz klar, dass die Schweiz eine Verhandlungslösung finden müsse, die den Fortbestand der bilateralen Verträge mit der EU langfristig sichere.

«Die Schweizer Industrie braucht das, auch um Rechtssicherheit zu haben», betonte der ABB-Verwaltungsratspräsident.

Ein Scheitern wäre fatal für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die auf Exporte angewiesen seien, weil deren Produktionsstätten vor allem in der Schweiz lägen.

Konzerne flexibler als KMU

«Die EU ist für diese Firmen der mit Abstand wichtigste Markt», hob Voser hervor.

«Und Export macht rund 80 Prozent unseres Bruttosozialprodukts aus», erklärte der einstige CEO und Finanzchef des Erdölkonzerns Shell weiter.

Für ABB sei ein Scheitern der Verhandlungen mit der EU nicht so gravierend, weil Grosskonzerne viel flexibler seien.

«Wir stehen zum Standort Schweiz, aber wir könnten die Produktion oder Investitionen theoretisch relativ einfach an andere Standorte in der EU verlagern, falls wir von der Schweiz aus den Marktzugang verlieren», machte Voser die Situation klar.

Bedarf an Fachkräften steigt

Die Schweiz dürfe sich auch beim Thema Zuwanderung nicht abschotten.

«Wir sind in der Schweiz darauf angewiesen, dass ausländische Fachkräfte zu uns kommen», sagte er. Ohne diese Arbeitskräfte verlöre das Land seine Innovationskraft und damit einen grossen Vorteil, hiess es weiter.

Nur ein Teil der Arbeitskräfte, der in den kommenden Jahren ersetzt werden müsste, könnte zudem durch Automatisierung abgefedert werden.

«Die Zuwanderung sollte jedoch in gewissen Grenzen gehalten werden, um zum Beispiel die Wohnungsnot nicht noch weiter zu verschärfen», skizzierte der erfahrene Manager den Weg.

Lokal fertigen und verkaufen

Für Europa ist Voser zudem wirtschaftlich sehr optimistisch, weil es etwa den Trend zur lokalen Fertigung vor Ort gibt, da Konsumenten vermehrt regionale Produkte kaufen wollten.

«Befeuert durch ein verschärftes Risikomanagement, werden auch Teile der Lieferketten näher zu den lokalen Märkten in Europa kommen», machte der den Bedarf an noch mehr Arbeitskräften klar.

In China produziert ABB laut Voser rund 85 Prozent dessen, was der Elektrotechnik- und Automatisierungskonzern auch dort verkauft. «In Europa sind es 95 Prozent, in Nordamerika 75 Prozent», erklärte er weiter.

ABB wolle sich möglichst unabhängig von geopolitischen Verwerfungen und Handelsrestriktionen machen. Von China aus wolle ABB daher die Exporte verringern.

Neue Weltordnung

«Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten in einer unipolaren Welt gelebt, dominiert von den USA», erklärte der ABB-Präsident zur Lage.

Jetzt gehe es in Richtung multipolarer Welt, die durch viele Allianzen geprägt sei.

«Länder kooperieren in der Verteidigung, in Sicherheits- oder Energiefragen», betonte Voser.

Viele kleine Werke in Europa

Und dank Automatisierung, Robotik und Künstlicher Intelligenz könne man in Europa heutzutage fast so günstig produzieren wie in Asien.

«In meinen Augen wird es also zu einer gewissen Reindustrialisierung Europas kommen», lautete die frohe Botschaft in der «FAZ».

«Aus den Verwaltungs- und Aufsichtsräten vieler Firmen höre ich Diskussionen darüber, dass man als Nächstes nicht ein grosses Werk, sondern mehrere kleinere Fabriken an verschiedenen Standorten auch in Europa bauen wolle», so Voser.

29.05.2024/kut.

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