Weihnachtsgeschenk vom Bundesrat an die EU

eine Flagge der EU und eine Fahne der Schweiz
Die Eliten der Schweiz wollen eine Annäherung an die EU, aber das Volk ist skeptisch. (Bild: PD SVP)

Die Schweizer Regierung hat das Volk mit einem Annäherungsschritt an die EU überrascht. Dabei verrät Bern aber klar die Verhandlungsstrategie.

Wenn man ein Problem nicht lösen kann, so lautet eine alte Regel, dass man das Problem grösser machen muss. Genauso muss sich der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis gefühlt haben, als es um das schwierige Dossier der Schweiz mit der EU ging.

Schlachtplan für Brüssel

Statt bilateral ein Rahmenabkommen zu verhandeln, hatte die Landesregierung die Gespräche mit Brüssel barsch abgebrochen, weil ihr viele Sachen nicht gefallen haben. Danach stand die Frage im Raum, wie solle Bern die Verhandlung wieder aufnehmen.

Dafür ersann der Bundesrat sogenannte Sondierungsgespräche, welche Staatssekretärin Livia Leu erfolglos geführt und dann den Bettel hingeworfen hatte, wie auch muula.ch berichtete.

Dann kam der neue Staatssekretär Alexandre Fasel ins Spiel und ersann einen Schlachtplan, um die Schweiz der EU anzunähern, ohne die innenpolitischen Kräfte zu vergraulen.

Drei Problemfelder

Und dabei kommt die Grösse des Problems ins Spiel. Eigentlich hatte die Schweiz nur mit drei Dingen gewisse Schwierigkeiten.

Dies waren der Lohnschutz, was besonders bei den Grenzkantonen ein wichtiges Thema ist, weil Arbeitnehmer aus der EU dort sonst Aufträge billiger ausführen könnten.

Das zweite Thema ist der Umgang der Schweiz mit den EU-Bürgern und dort insbesondere bei der Sozialhilfe. Die Schweiz versteht sich als Klub, wo das Volk eingezahlt hat und wer da von aussen kommt, soll ein Eintrittsgeld bezahlen.

Und das dritte Thema sind die fremden Richter. Im Falle von Streit will die EU den Europäischen Gerichtshof als Schlichtungsorgan installieren. In der Schweiz fällt dies unter den Begriff «fremde Richter» und dies lehnt insbesondere die grösste Schweizer Partei, die SVP, kategorisch ab.

Teilerfolg der Schweiz

Nun ersann Fasel den Plan mit Brüssel, die Verhandlungen viel breiter zu machen und etwa Strom, Sicherheit bei Lebensmitteln sowie den Luftverkehr auch gleich noch mit hinzuzunehmen, wie der Bundesrat am Freitagnachmittag bekanntgab.

Die EU verspricht dann zumindest, die Nadelstiche erst einmal aufzuheben, also die Schweiz wieder beim Forschungsprogramm Horizon hinzuzunehmen und auch die Börsenäquivalenz temporär zu gewähren.

SVP geht auf Barrikaden

Der Bundesrat zerpflückte das gut verständliche Dossier in 14 Zusatzdokumente, damit dem Volk nicht sofort klar ist, dass der Entscheid eigentlich ein Weihnachtsgeschenk an Brüssel ist.

Einzig die SVP schäumte vor Wut und teilte den Medien mit, dass die Mitte-Links-Mehrheit im Bundesrat bereit sei, automatisch EU-Recht zu übernehmen sowie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als letzte Instanz für die Streitbeilegung zu akzeptieren.

Die SVP werde aber mit allen Mitteln für den Erhalt einer souveränen Schweiz kämpfen, hiess es weiter in einem Communiqué.

Spagat mit Kniffen

Doch die Schweiz macht nicht nur ihre Verhandlungsposition, die bisher komplett geheim war, öffentlich. Die Schweiz lässt auch ihre Verhandlungsstrategie erkennen.

So gibt sie das Mandat an den Vize von Fasel, um noch die Möglichkeit einzubauen, dass eine höhere Ebene bei Meinungsverschiedenheiten einen Disput schlichten kann. Damit gewinnt man aber auch Zeit.

Gleichzeitig wird klar, dass die Regierung eine Annäherung an Brüssel wünscht, wie sie Bundespräsident und SP-Bundesrat Alain Berset zum Ausdruck bringt. Dies ist in der Schweiz aber in weiten Teilen nicht mehr der Fall.

Wohlwollende Geste der EU

Für Aussenminister Cassis ist es daher schwierig, mit Brüssel knallhart zu verhandeln, aber innenpolitisch immer in der Schwebe zu bleiben. Nun macht er das Problem grösser und verspricht, bei jedem Streitpunkt ein Referendum dem Volk präsentieren zu können.

Doch all diese Vorstellungen sind realitätsfremd. Die grössten Bauchschmerzen sind derzeit die Teilnahme der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon und die Anerkennung von Äquivalenzen – und da rang die Schweiz der EU ein Entgegenkommen ab.

Somit kann die Schweiz über den Rest ewig sprechen.

Versanden in Endlosschleife

Klar betonen in Bern alle Seiten, dass sie die Gespräche rasch zu Ende bringen wollen. Doch bis dies Realität wird, fliesst noch viel Wasser den Rhein hinunter, wie man so schön sagt.

Letztlich war das Weihnachtsgeschenk an Brüssel ein vergiftetes Geschenk. Es war mit der Weiterleitung der detailgenauen EU-Dossiers um Strom, Lebensmittel, Kohäsionsmilliarde & Co. an das Parlament und die Kommissionen die klare Ansage, dass die Schweiz zwar verhandeln will, aber das war es dann auch.

«Das EDA wird nun in Zusammenarbeit mit dem EDI, dem EJPD, dem EFD, dem WBF und dem UVEK Konsultationen zu diesem Mandatsentwurf bei den Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments und bei den Kantonen durchführen», schrieb der Bundesrat in seiner Medienmitteilung.

Die Wirtschafts- und Sozialpartner würden ebenfalls zur Stellungnahme geladen, hiess es weiter. Das ist die Garantie, dass alles versandet.

16.12.2023/kut.

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