Swissquote macht Missstände an der Schweizer Börse publik

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Swissquote zeigt, wie schwerfällig die Abläufe an der Schweizer Börse sind. (Bild: T. Barbhuiy / unsplash)

Die Schweizer Börse SIX will die Marktteilnehmer mit Sanktionen eigentlich zur Einhaltung ihrer Regeln anhalten. Ein aktueller Fall zeigt, wie schlecht das Ganze aber funktioniert.

Fehler passieren überall und so sind auch die Marktteilnehmer an der Schweizer Börse SIX nicht davor gefeit. Doch was sich derzeit bei der Einhaltung der Regeln am wichtigsten Schweizer Kapitalmarkt abspielt, geht fast auf keine Kuhhaut mehr.

So habe die für die Überwachung und Durchsetzung der börsenrechtlichen Pflichten von kotierten Gesellschaften zuständige SIX Exchange Regulation (SER) nach Durchführung einer Vorabklärung am 2. Juni 2022 eine Untersuchung gegen die Online-Bank Swissquote Group eröffnet, teilte die Börse am heutigen Freitag mit.

Hohe Busse?

Auslöser war die am 16. Juni 2021 veröffentlichte Ad hoc-Mitteilung mit dem Titel «Swissquote erwartet dank ausserordentlichem Wachstum ein Rekord-Halbjahresergebnis» gewesen, die nicht vor Handelsbeginn, sondern erst etwas später verschickt worden war.

«Nach Abschluss eines umfassenden Untersuchungsverfahrens überwies SER einen Sanktionsantrag an die Sanktionskommission von SIX Group AG», hiess es weiter. Diese habe Swissquote wegen fahrlässiger Verletzung der Ad-hoc-Publizität zu einer Strafzahlung von 75.000 Franken verdonnert. Mittlerweile sei die Busse rechtskräftig geworden.

Reduktion um 40 Prozent

Doch schaut man in die Medienmitteilung von Swissquote zu dem Fall, stockt einem fast der Atem. Die eigene Sanktionskommission der SIX urteilte, dass die Angelegenheit gar nicht so schwerwiegend war, wie es SER darstellte.

Zudem reduzierte das «SIX-Gericht» die beantragte Busse um hohe 40 Prozent auf 75.000 Franken. Also ursprünglich wollten die Gralshüter für das Mini-Vergehen 125.000 Franken von Swissquote haben.

Aus vorwiegend technischen Gründen sei einfach die entsprechende Medienmitteilung zu spät verschickt worden, hiess es von Swissquote zu dem Malheur. In ihrem Entscheid entschied die Sanktionskommission daher, dass die Online-Bank nicht in dem von SER angenommenen Ausmass gegen die Regeln der Ad-hoc-Publizität verstossen habe, hiess es weiter.

Lüften von Geheimnis

Das ist alles sehr erstaunlich, denn die SER hatte gemäss ihrer eigenen Angaben ein «umfassendes Untersuchungsverfahren» durchgeführt und hätte das Versehen des Geldhauses mit dem zu spät verschickten Communiqué also adäquat einschätzen müssen.

Doch Swissquote macht neben alldem noch etwas Brisantes publik: Die Sanktionskommission der SIX selbst habe in ihrem Entscheid darauf hingewiesen, dass sie nicht nachvollziehen könne, weshalb SER nach dem Vorfall und der Einleitung der Voruntersuchung fast ein Jahr benötigte, um die formelle Untersuchung zu eröffnen.

Das ist schon harter Tobak. Hier beschweren sich quasi Kollegen über ihrer Kollegen an der SIX und die Emittenten müssen unter diesen Missständen offenbar leiden.

Swissquote macht dies eigens öffentlich. Die bekannte Online-Bank hätte diesen Umstand ja nicht unbedingt in der Medieninformation erwähnen müssen.

Weitere Begebenheiten

All dies deckt sich aber mit Erfahrungen, die auch muula.ch mit der SER gemacht hat. So fragte das Wirtschaftsnews-Portal unlängst formell bei der Aufsichtsbehörde der Schweizer Börse nach, ob der Versicherer Helvetia gegen die Ad-Hoc-Publizität verstossen habe, weil dem Wirtschaftsmedium entsprechende Informationen vorlagen.

Doch von der SER hiess es schwerfällig, dass man zu spezifischen Emittenten ausserhalb eines definierten Ablaufs keine Informationen abgeben könne.

Bestehe der Verdacht, dass ein Emittent gegen geltende Regularien verstossen habe, eröffne SER eine Voruntersuchung. Diese werde aber weder kommuniziert noch kommentiert.

Erhärten sich im Laufe der Voruntersuchung die Verdachtsmomente, werde eine Untersuchung eröffnet, die offiziell kommuniziert werde, teilte ein SER-Sprecher gegenüber muula.ch mit.

Grosse Keule für Banales

SER bestätigte zudem, dass es im Gesamtjahr 2021 lediglich zwei Sanktionen und bis Mitte Oktober 2022 bloss drei Meldungen zu Sanktionsmassnahmen der SER gab. Die Mini-Zahlen zu Sanktionen pro Jahr auf der Webseite der SER sind demnach korrekt.

Selbst wenn sich eine Firma bei der SIX melde und sage, sie hätte aus Versehen heute am Morgen eine Medieninformation zu spät publiziert, setzt die SER auf diesen starren Ablauf. Also selbst bei Kleinkram geht jeweils eine gewaltige Bürokratie-Maschinerie in Gang.

Verstecken hinter Regeln

muula.ch wollte daraufhin mehr zur Selbstregulierung der Schweizer Börse wissen und bat um ein Gespräch. Die SER lehnte dies aber mit der Begründung ab, dass sie Medienanfragen als Kontrollinstanz im Rahmen der börsenrechtlichen Regularien und der anwendbaren Gesetzesbestimmungen beantworte.

Die Verschwiegenheitspflicht erlaube es nicht, Details zu Emittenten zu nennen oder auf Einzelheiten von Verletzungen von Regularien in spezifischen Fällen einzugehen, führte ein SER-Mediensprecher diesbezüglich gegenüber muula.ch schriftlich aus.

VRP gelobt Besserung

Das neue Wirtschaftsnews-Newsportal der Schweiz wollte all dies aber nicht ruhen lassen und fragte deshalb direkt bei dem für die Börsenregulierung zuständigen Verwaltungspräsidenten der SIX, Thomas Wellauer, nach. Die SER ist gemäss Organigramm formal nur ihm rechenschaftspflichtig.

Dieser Topmanager der SIX zeigte sich an einem Medienanlass im November 2022 über die komplizierten Vorgänge der SER sowie die magere Kommunikation überrascht. Der VRP versprach, sich diesbezüglich mit der Verantwortlichen bei der SER auseinandersetzen zu wollen.

Zahnloser Tiger?

Es bleibt also spannend, was dabei herauskommt. Von einzelnen Marktteilnehmern wird bei alldem jedoch die Vermutung geäussert, dass die Schweiz an einer messerscharfen Regelung des Kapitalmarktes gar nicht interessiert sei.

Allein auf der Webseite der SER rasch etwas zu finden, ist fast unmöglich und spricht dafür, dass die Schweiz einen zahnlosen Tiger zur Selbstregulierung der Börse heraufbeschworen hat. Dem Eindruck müsste sich die Schweizer Börse allerdings wehren.

Doch selbst mit so banalen Fehlern, wie der verspäteten Bedienung des E-Mail-Verteilers zu einer Swissquote-Medienmitteilung, kann sich die Börse seit dem Vorfall am 16. Juni 2021 bis zur heutigen Kommunikation am 06. Januar 2023 gefühlte Ewigkeiten selbst beschäftigen.

06.01.2023/kut.

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