Schweizer Familienmonster wird noch monströser

Eine Familie mit Kleinkind auf einem Spaziergang
Die Schweiz hat ein kompliziertes System für Kinderzulagen. (Bild: M. Amber / pixabay)

Die Schweiz ist ziemlich unfreundlich zu Familien. Über Familienzulagen gibt es zwar einen Ausgleich, doch das Monstersystem ist völlig absurd.

Familienzulagen sollen in der Schweiz die Kosten, welche Eltern durch ihre Kinder zusätzlich entstehen, teilweise abmildern.

Dazu wird ab Geburt des Kindes bis zum 16. Lebensjahr beziehungsweise bei Auszubildenden bis zum 25. Altersjahr eine monatliche Zulage gewährt.

Arbeitgeber finanzieren

Der Betrag liegt bei mindestens 200 Franken je Kind und Monat, wobei die Kantone höher gehen können.

Die Auszahlung erfolgt über die Löhne und die Beiträge finanzieren die Arbeitgeber und die Selbstständigerwerbenden. Die öffentliche Hand gibt nur 200 Millionen Franken jährlich dazu.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV weist laut Recherchen des Wirtschaftsnews-Portals muula.ch zum Prinzip «Ein Kind, eine Zulage» daraufhin, dass nicht beide Elternteile für dasselbe Kind eine Zulage bekommen.

Aber selbst bei Entsendungen ins Ausland oder Ausbildungsmassnahmen jenseits der Landesgrenzen gibt es das Kindergeld. Um Missbräuche jedoch zu vermeiden, wurde eigens ein Familienzulagenregister eingeführt. 

Ständige Rückfragen

Nur schon aus diesen Angaben sieht man, wie komplex das Schweizer System ist.

Die Eltern müssen etwa entscheiden, über welchen Arbeitgeber die Zulage gezahlt werden soll.

Regelmässig fragen die Firmen und staatlichen Stellen daher ihre Belegschaften, ob die Angaben zu den Familienzulagen noch in Ordnung sind. Wohlgemerkt spielen Wohn- und Arbeitskantone eine entscheidende Rolle bei dem Ganzen. Wer nicht arbeitet, muss sich die Zulagen anderweitig holen.

Definiert werden muss ohnehin, was überhaupt als Ausbildung zu verstehen ist, damit ab 16 Jahren noch mehr Geld fliesst.

Wallis schert aus

Die Einnahmen der Familienzulagen betrugen laut der jüngsten Statistik für das Jahr 2020 rund 6,9 Milliarden Franken. Die Beitragssätze der Familienausgleichskassen bestimmen die Einnahmeseite.

Arbeitgeber und Selbstständigerwerbende finanzieren die Familienzulagen, indem sie auf den AHV–pflichtigen Löhnen die Beiträge an die Familienausgleichskassen entrichten.

Nur im Kanton Wallis müssen sich auch Arbeitnehmer seit 2002 an der Finanzierung beteiligen.

Landwirte zahlen nichts

Die Beitragssätze sind logischerweise je nach Kanton und Familienausgleichskasse unterschiedlich.

Der gewichtete Arbeitgeberbeitragssatz lag 2020 bei 1,68 Prozent nach 1,64 Prozent im Jahr davor.

Die Familienzulagen in der Landwirtschaft werden selbstverständlich anders geregelt und hauptsächlich durch die öffentliche Hand finanziert. Warum fragt sich so mancher, müssen sich die Schweizer Bauern an dem Solidarprinzip bei Familien nicht beteiligen?

Der Bund übernimmt für Landwirte zwei Drittel und die Kantone ein Drittel.

Verwaltungsaufwand bei 110 Millionen

Die Ausgaben der Familienzulagen lagen im Jahr 2020 insgesamt bei 6,7 Milliarden Franken, wobei die Leistungen sich auf 6,2 Milliarden Franken beliefen.

Daneben zählen auch die in einigen Kantonen gewährten Geburts- und Adoptionszulagen und die Haushaltungszulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmende zu den Familienzulagenleistungen.

Hinzu kommen bei den Ausgaben die Verwaltungs- und Durchführungskosten von fast unglaublichen 110 Millionen Franken, um ein paar Zulagen auszuzahlen.

Als sonstige Ausgaben werden zudem zirka 400 Millionen Franken klassifiziert und zeigt, wie teuer doch das Verfahren insgesamt ist.

Allein die Verfahrenskosten betragen fast zehn Millionen Franken pro Monat, wobei dafür überschlagsmässig rund 45.000 Kinder eine Zulage a 200 Franken bekommen könnten.

Kantone verteilen fremdes Geld

Im Jahr 2020 stiegen sowohl die Beitragssätze als auch die Löhne, was zu einem Beitragswachstum von 4,1 Prozent führte. Die Ausgaben stiegen 2020 um 3,1 Prozent, weil mehr Zulagen ausgerichtet und sieben Kantone die Ansätze ihrer Familienzulagen erhöht hatten.

Die Kantone können sich also familienfreundlich geben.

Die Zeche zahlen ja andere. Aber warum ist ein Kind in einem Kanton mehr wert als in einem anderen? Das kann und will wohl niemand erklären.

Noch feinerer Lastenausgleich

Wie Recherchen von muula.ch zeigen, will die Schweiz das Monstersystem noch komplizierter machen.

Je nach Branche sind die Beitragssätze nämlich unterschiedlich hoch.

In Branchen mit tiefen Löhnen, vielen Teilzeitbeschäftigten und Arbeitnehmenden mit kinderreichen Familien müssen die Familienausgleichskassen höhere Beiträge verlangen als in Branchen mit hohen Löhnen und Arbeitnehmenden mit wenigen Kindern.

Ein kantonaler Lastenausgleich kann diese Unterschiede teilweise oder vollständig ausgleichen.

Gemäss geltendem Recht liegt es aber in der Kompetenz der Kantone, einen Lastenausgleich zwischen den Kassen einzuführen, die in ihrem Kanton tätig sind. Gegenwärtig wenden elf Kantone ein volles, neun Kantone ein teilweises und sechs Kantone gar kein Lastenausgleichssystem an.

Grosse Umverteilung

Das geänderte Familienzulagengesetz, das nun in die Vernehmlassung ging, verpflichtet diejenigen Kantone, die keinen oder nur einen teilweisen Lastenausgleich kennen, innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten einen vollen Lastenausgleich für die Finanzierung der Familienzulagen für Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende einzuführen.

Dadurch vervierfacht sich die Umverteilung auf rund 400 Millionen Franken. Die Bürokraten jubeln.

Doch es liessen sich an dem System wahrscheinlich noch unzählige Ungerechtigkeiten in Bezug auf Familienfreundlichkeit finden, welche die Schweiz auch alle noch ausgleichen könnte.

Rund 5 Millionen Beschäftigte

Doch muula.ch zeigt, wie einfach ein System sein könnte.

Laut dem BSV gibt es derzeit rund 1 Million Bezügler, was die Eltern sind. Rund 1,3 Millionen Kinder bekommen dabei Zulagen und rund 400.000 erhalten die Ausbildung unterstützt.

Die rund 6 Milliarden Franken an aktuellen Jahresausgaben ohne den Staatszuschuss kann man aber gut durch 12 Monate teilen und käme auf einen Betrag von 500 Millionen Franken.

Da es etwas mehr als 5 Millionen Beschäftigte in der Schweiz gibt, müssten diese pro Nase also nicht ganz 100 Franken im Monat aufbringen.

Viele Arbeitgeber würden den deutlich geringeren Beitrag wahrscheinlich ohnehin übernehmen.

Familien gleichgestellt

Der Jahresbeitrag wäre 1200 Franken pro Beschäftigten. Dies könnte die Schweiz einfach bei der Steuererklärung berücksichtigen und den Familien auch gleich die Kinderzulagen am Wohnkanton pauschal auszahlen.

Die Familien würden absolut nichts verlieren.

Noch einfacher wäre die muula.ch-Rechnung, falls die Schweiz auf die rund 20 Prozent der Bevölkerung unter 20 Jahre pauschal abstelle. Das wären 1,7 Millionen Kinder- und Jugendliche, die monatlich 200 Franken bekämen.

Ausbildung hin- oder her; das würde keine Rolle spielen.

Der Aufwand läge dann nur noch bei 4 Milliarden Franken, wobei ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte bloss noch auf 66 Franken an Monatsbeiträgen käme.

Bei 250 Franken an alle käme das Land übrigens erst auf rund fünf Milliarden Franken als Auszahlungsbetrag.

80 Seiten an Familienkassen

Das einfache System über die kantonalen Steuerverwaltungen wäre zwar nicht gratis. Aber die rund 110 Millionen Franken an Verwaltungsaufwand würde es mit Sicherheit nicht verschlingen.

Das gesparte Geld könnte einer kinderfreundlicheren Schweiz zugutekommen. Zugleich wären Ungerechtigkeiten zur Schweizer Landwirtschaft beseitigt und ein unnötiges Familienzulagenregister würde ebenfalls obsolet.

Die Firmen könnten mehr Geld investieren. Die Arbeitgeber bräuchten zudem nicht mehr ständig bei ihrem Personal nachfragen, ob das Kind jetzt noch tatsächlich in Ausbildung oder nun beim anderen Elternteil berücksichtigt ist.

Stellenwechsel und Umzüge innerhalb der Schweiz wären obendrein in diesem Punkt völlig unproblematisch.

Und die 80 Seiten lange Liste der zulässigen Familienausgleichskassen würde gleichzeitig mit der gesamten Monsterbürokratie bei Bund und Kantonen verschwinden.

04.06.2023/kut.

Schweizer Familienmonster wird noch monströser

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