Die Versicherer begrüssen zwar den Kompromiss bei der neuen Verordnung zur Versicherungsaufsicht. Doch einige Punkte gehen gar nicht.
Die Meldung klingt harmlos, aber sie hat es in sich.
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV begrüsse die vom Bundesrat verabschiedete Revision der Versicherungsaufsichtsverordnung (AVO) im Grundsatz, teilte die Lobbyorganisation am späteren Freitagabend mit.
Freundliche Worte
Doch wie immer, wenn Firmen, Behörden oder Verbände etwas kurz vor dem Wochenende publizieren, muss man genauer hinschauen. Nicht selten soll die Nachricht nämlich gerade keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregen.
Bei den Privatversicherern hiess es zunächst freundlich, die neue Verordnung über die Versicherungsaufsicht stelle über weite Strecken einen guten Kompromiss dar, der Rechtssicherheit für den Versicherungsstandort Schweiz gewähre.
Ausweitung der Kompetenz
Kein Verständnis habe der Verband jedoch, so die plötzliche Kritik, dass mit der Revision ohne jegliche Gesetzesgrundlage eine von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma praktizierte Vorgehensweise zementiert werden solle.
Dabei geht es um die Praxis bezüglich der Rückstellungen in der Krankenzusatzversicherung, die bisher in einem Rundschreiben festgeschrieben war.
«Die nun verabschiedete Regelung führt zu einer Ausdehnung der Kompetenzen der Finma in die Geschäftstätigkeit und Entscheidungsautonomie der Versicherungsunternehmen, für die weder Raum noch Notwendigkeit besteht», kritisierten die betroffenen Gesellschaften.
Wehret den Anfängen
Die Verwendung der Rückstellungen sei gemäss Gesetzgeber keine Aufgabe der Aufsichtsbehörde, sodass der entsprechende Zusatz in der AVO aus Sicht der Versicherer ohne gesetzliche Grundlage erfolge, hiess es zur Begründung scharf.
Der Regulator soll sich da offenbar heraushalten. Die Nutzung von Reserven, die im Geschäft mit Zusatzversicherungen im Krankengeschäft gebildet worden, gehen die Finma direkt nichts an.
Wahrscheinlich soll da auch vorsorglich Protest angemeldet werden, dass dies nicht auf andere Versicherungssparten übergreift und dem Regulator neue Möglichkeiten eröffnet.
Schwächung des Finanzplatzes
Doch den Verband, dem mehr als 70 Erst- und Rückversicherer angehören, stören noch weitere Aspekte an der neuen Verordnung, sodass die Firmen, welche in der Schweiz für über 50.000 Arbeitsplätze stehen, weitere kritische Worte finden.
Ungerechtfertigt sei darüber hinaus nämlich auch die Verschärfung der Kapitalanforderungen für das Auslandgeschäft der Schweizer Versicherer, hiess es im Communiqué.
Dieses Anziehen der Daumenschrauben stehe im Widerspruch zum Wesensgehalt der Revision und trage zu einer Schwächung des Finanzplatzes Schweiz bei.
Mit der neuen Regelung werde sogar die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Marktteilnehmern im Ausland eingeschränkt, lautete die weitere Kritik.
Produkte schlechterrechnen
Und noch zwei Details stört die Assekuranz.
Einerseits erachte der SVV die Anforderung, wonach die Rendite in den individualisierten Beispielrechnungen im ungünstigen Szenario tiefer sein muss als der risikofreie Zins, weiterhin als ungeeignet.
Diese Annahme benachteilige die betroffenen Lebensversicherer gegenüber dem Finanzdienstleistungsgesetz unterstellten Produkten, da dort keine so strikte Vorgabe besteht.
Eile bei Anwendung
Und andererseits sei die Umsetzung der zahlreichen Anpassungen auf Basis der AVO für die Versicherungswirtschaft mit grossem administrativem Aufwand verbunden.
Zu diesem Zweck hätte den Unternehmen ein Implementationszeitraum von mindestens einem Jahr zugestanden werden sollen.
«Die verkürzte Frist wird der gebotenen Sorgfalt nicht gerecht», kritisierte der Verband die Eile bei der Einführung.
Widerspruch zur Regierung
Bei alldem scheint es, dass das letzte Wort für die Revision der Verordnung noch nicht gesprochen ist, obwohl der Bundesrat in seinem Communiqué zu dem Geschäft von einer Stärkung des Versicherungsstandortes Schweiz spricht.
Aber an einem Freitag steckt in Medienmitteilungen eben der Teufel im Detail.
05.06.2023/kut.