Notenbank urteilt über ihren neuen Ansatz zur Geldpolitik

Thomas Moser, SNB
Thomas Moser von der SNB lobt die Geldpolitik an einer Veranstaltung in Genf. (Bild: muula.ch)

Die Schweizerische Nationalbank SNB zeigt sich über ihren neuen Ansatz zur Geldpolitik hocherfreut. Dieser habe sich selbst bei Stress bewährt.

Wenn die Schweizerische Nationalbank SNB ein Zwischenfazit zu ihrer neuen Geldpolitik zieht, interessiert dies sofort viele Menschen.

So passierte es am heutigen Donnerstagabend in Genf, wo Thomas Moser, stellvertretendes Mitglied des SNB-Direktoriums, am Geldmarkt-Apéro eine erste Einschätzung zur neuen Geldpolitik der Schweizer Notenbank gab.

Leitzins steigt rasant

Nach einem Jahrzehnt fast ohne Inflation und knapp acht Jahren mit Negativzinsen hatte die SNB im September 2022 ihren Leitzins wieder in den positiven Bereich gehoben. Zugleich wählte sie einen neuen Ansatz zur Umsetzung ihrer Geldpolitik.

Zu diesem Ansatz zählen die Reduktion der grossen Bilanz sowie die abgestufte Verzinsung von Sichtguthaben, wie Moser vor rund 150 Anwesenden in Genf auf Englisch ausführte.

Nach Höchstwerten der Inflation in der zweiten Hälfte 2022 von rund 10 Prozent in den USA und in der Eurozone sowie 3,5 Prozent in der Schweiz, sinkt diese sowohl in der Schweiz als auch im Ausland wieder.

Mit der Anhebung ihres Leitzinses um 2,5 Prozentpunkte auf derzeit 1,75 Prozent trug die SNB zu dieser Entwicklung bei.

Bilanzverkürzung eingeleitet

Wie andere Zentralbanken begann die SNB zudem, ihre megagrosse Bilanz zu reduzieren.

Zum Zeitpunkt der maximalen Ausdehnung ihrer Bilanz 2022 war diese mit fast 150 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts siebenmal grösser als vor der globalen Finanzkrise von 2008.

Seither wurde die Bilanz um rund 23 Prozent reduziert, hiess es am Donnerstag, was die SNB durch Devisenverkäufe realisierte.

Innerhalb eines Jahres, vom zweiten Quartal 2022 bis und mit dem zweiten Quartal 2023, verkaufte die Nationalbank Devisen im Gegenwert von rund 101 Milliarden Franken, wie Moser ausführte.

Diese Verkäufe unterstützten die Aufwertung des Frankens und trugen somit zur Entschärfung des Inflationsdrucks aus dem Ausland bei.

Verzinsung von Sichtguthaben

Moser erläuterte zudem, weshalb die Nationalbank die Sichtguthaben der Geschäftsbanken verzinst. «Die SNB setzt ihre Geldpolitik um, indem sie den SNB-Leitzins festlegt und die kurzfristigen besicherten Zinssätze in Franken nahe am SNB-Leitzins hält», sagte er.

Der wichtigste kurzfristige besicherte Frankenzinssatz ist der Tagesgeldsatz Saron (Swiss Average Rate Overnight), der seit der Einstellung des Libors zum Referenzzinssatz für den Schweizerfranken wurde.

Auf ihn legt die SNB den Fokus bei der Umsetzung ihrer Zinspolitik am Geldmarkt. Da der Saron vor allem auf Transaktionen zwischen Banken basiert, ist eine ausreichende Interbankenaktivität am Geldmarkt nötig, um eine robuste Berechnungsgrundlage zu gewährleisten. 

Vor diesem Hintergrund nutzt die SNB zwei Hebel für die Umsetzung ihrer Geldpolitik: die abgestufte Verzinsung von Sichtguthaben – auch Reserve Tiering genannt – und die Abschöpfung von Sichtguthaben über temporäre Offenmarktoperationen (OMO).

Die abgestufte Verzinsung von Sichtguthaben schafft Anreize für alle Banken, miteinander zu handeln; daraus entsteht die Interbankenaktivität am Geldmarkt.

Struktureller Liquiditätsüberschuss

Nach der Finanzkrise 2008 sah sich die SNB mit einem starken Aufwertungsdruck auf den Franken konfrontiert. Um dem zu begegnen, kaufte sie Devisen gegen Franken.

Diese Käufe erhöhten das Angebot an Sichtguthaben. Da dieses Angebot den strukturellen Bedarf der Geschäftsbanken deutlich übertrifft, besteht seit einiger Zeit ein struktureller Liquiditätsüberschuss. Und die Verzinsung von Sichtguthaben ist laut Moser bei einem strukturellen Liquiditätsüberschuss das einzige praktikable Instrument, um positive Geldmarktzinssätze zu erzielen. 

Die SNB entschied sich für einen Ansatz, der das Reserve Tiering mit der Abschöpfung von Sichtguthaben kombiniert.

Damit können die kurzfristigen Zinssätze kontrolliert und ein adäquates Handelsvolumen am Interbankengeldmarkt unterstützt werden, so die Mechanik. Zur Abschöpfung von Sichtguthaben schliesst die Nationalbank liquiditätsabschöpfende Repogeschäfte ab und emittiert SNB Bills.

Letztere sind handelbare Geldmarktbuchforderungen, die von Banken und Nichtbanken gehalten werden können.

Dieser Ansatz hat sich laut Moser sehr gut bewährt. Er habe es erlaubt, die Geldpolitik wirksam umzusetzen, in normalen Zeiten wie auch bei Stress an den Finanzmärkten.

Robuster Interbankenhandel

Seit der Rückkehr zu Positivzinsen bewegte sich der Saron nahe am SNB-Leitzins und der Interbankenhandel lag auf einem robusten Niveau. Das tägliche Handelsvolumen im Overnight-Segment belief sich auf durchschnittlich 14 Milliarden Franken.

Sowohl die abgestufte Verzinsung als auch die Abschöpfung von Sichtguthaben über OMO waren entscheidend, um dieses Resultat zu erreichen, wie Moser betonte.

Als die SNB im vergangenen März der Krisenbank Credit Suisse (CS) umfangreiche Liquiditätshilfen zur Verfügung stellen musste, führte dies zu einer entsprechenden Erhöhung der gesamten Sichtguthaben.

Während die CS hohe Abflüsse von Kundengeldern verzeichnete, kam es bei anderen Banken zu grossen Liquiditätszuflüssen. Daraus resultierten am Geldmarkt ein höheres Liquiditätsangebot und eine tiefere Liquiditätsnachfrage. 

Der Saron und weitere Geldmarktzinsen in Franken gerieten unter Abwärtsdruck und wichen stärker vom SNB-Leitzins ab. Die SNB erweiterte daher das Spektrum ihrer Operationen zur Abschöpfung von Sichtguthaben.

Und bis im Juni hatten sich die Verzerrungen der Bedingungen am Frankengeldmarkt aufgelöst, die aufgrund der Krise bei der CS entstanden waren, lautete ein Fazit.

Faktor der Zinslimite gesenkt

Ende Oktober kündigte die SNB an, den Faktor der Limite für Sichtguthaben von 28 auf 25 zu senken, bei welcher der SNB-Leitzins zur Anwendung kommt, wie muula.ch bereits berichtete.

Die Nationalbank verzinst Sichtguthaben bis zu einer bankspezifischen Limite zum SNB-Leitzins. Sichtguthaben über der Limite werden zum SNB-Leitzins abzüglich eines Zinsabschlags von 0,5 Prozentpunkten verzinst. Die abgestufte Verzinsung der Sichtguthaben stützt den Interbankenhandel.

Eine starke Abnahme des Interbankenhandels würde die robuste Berechnungsgrundlage für den Saron gefährden. Um dies zu verhindern, kann die SNB die Abschöpfung von Sichtguthaben über temporäre OMO reduzieren und den Faktor für die Limite senken.

International werden zurzeit zwei Ansätze für die geldpolitische Umsetzung am Geldmarkt diskutiert.

Im Zentrum steht die Frage, ob Zentralbanken zu dem vor der globalen Finanzkrise vorherrschenden System mit einem strukturellen Defizit an Sichtguthaben zurückkehren oder besser am heutigen System mit einem strukturellen Überschuss an Sichtguthaben festhalten sollen.

Erfolgreich gesteuert

Die ersten Erfahrungen der SNB wiesen darauf hin, dass ihr neuer geldpolitischer Umsetzungsansatz den Saron erfolgreich gesteuert und die Übertragung des SNB-Leitzinses auf andere Geldmarktsegmente sowie auf die längerfristigen Zinssätze gesichert habe, wie Moser weiter sagte.

Gleichzeitig sei der Handel am Interbankenmarkt robust geblieben. Die Reverse-Repos der Nationalbank und die SNB Bills hätten sich für die Abschöpfung von Sichtguthaben bewährt und seien gut in die Geldmarktinstrumente integriert.

Die SNB-Bilanz werde weiterhin die geldpolitisch relevanten Aktivitäten der SNB reflektieren, schloss Moser.

Sie ergebe sich aus der Erfüllung des SNB-Mandats, Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.

Und die Anwesenden am Geldmarkt-Apéro in Genf nahmen das Fazit der SNB wohlwollend entgegen.

09.11.23/mat.

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