«Torino» überrascht mit einem reichhaltigen Angebot. Schweizer sollten den Katzensprung in die viertgrösste Stadt Italiens öfters wagen.
Es gibt wahrscheinlich von der Schweiz aus kaum ein besseres Reiseziel, das so viel zu bieten hat.
Die Rede ist von Turin oder Torino, die Stadt im Nordwesten Italiens und Verwaltungssitz der Region Piemont.
Abseits vom Aperetivo
Feinschmecker, Kulturliebhaber, ja selbst Kino-, Auto- und ägyptische Mumienfans kommen rund eine Fahrstunde mit dem Hochgeschwindigkeitszug Italiens, dem Frecciarossa, angenehm von Mailand aus wirklich voll auf ihre Kosten.
Ein verlängertes Wochenende ist meist viel zu knapp, um das reichhaltige Angebot geniessen zu können. Da lohnen sich wahrscheinlich gleich mehrere Trips.
Mit dem Ausflug über die Grenze ist aber nicht nur der Genuss von italienischem Flair um den Aperetivo gemeint, den man ja überall in Italien finden kann.
Auch in Turin findet das gesellschaftliche Beisammensein am frühen Abend mit Drinks und Snacks zur Einstimmung auf das bevorstehende Abendessen besonders gut um die Piazza Emmanuele Filiberto oder um die Piazza Vittorio Veneto statt.
Feriengäste nehmen den Aperetivo auch gerne auf den Terrassen der Traditionscafés «Torino» oder «San Carlo» ein, die dann aber entsprechende Touristenpreise aufweisen.
Weisse Trüffel und Barolo-Weine
Doch im Piemont geht das leibliche Wohl viel weiter. Besucher sollten beispielsweise Agnolotti probieren, also nur aus Pastastreifen geformte Teigtaschen, die mit einer köstlichen Fleischmischung gefüllt sind.
Als Geheimtipp gilt dabei das traditionsreiche «Ristorante Tre Galline», das auch muula.ch mit seiner regionalen Küche und Lokalspezialitäten um Käse sowie Weine klar empfehlen kann.
Für Gaumenfreuden lohnt sich auch ein Ausflug in das nahegelegene Städtchen Alba, das für die weissen Trüffel und exquisiten Barolo-Weine weltberühmt ist.
Wer es italienisch, aber nicht so Gourmet-haft will, pilgert zur ersten Dependance der bekannten Turiner Kette «Eataly», welche auf dem Konzept beruht, dass es in einem gigantischen Supermarkt an jeder Ecke leckere Speisen gibt, die den Gästen vor der Nase zubereitet werden.
Kapelle mit Grabtuch
Doch nicht nur Feinschmecker kommen in Turin voll auf ihre Kosten. Kulturliebhaber und Museumsfans fliegen förmlich auf die Metropole.
Dabei ist nicht nur die Stadt selbst das Sehenswerte, also die Ansammlung von Barockgebäuden, Arkaden und Palästen, sondern als einstige Hauptstadt der Savoyen gibt es auch das Musei Reali, das königliche Schloss, mit direktem Zugang zum Turiner Dom zu bestaunen.
Dort wird in der Grabtuchkapelle das Leinentuch aufbewahrt, in dem Jesus von Nazaret nach der Kreuzigung begraben worden sein soll. Zu dem Schlosskomplex, der Unesco-Weltkulturerbe ist, gehören zudem die Königliche Bibliothek und prachtvolle Parkanlagen.
Netflix, Porno-Kinos & Co.
Neben alldem sollten Gäste der Stadt aber mindestens noch drei Museen in Betracht ziehen. Das eine ist das nationale Film- beziehungsweise Kino-Museum, das von den Anfängen der Daumenfilme über Porno-Kinos bis hin zu den modernen 3D-Animationen und Streaming-Diensten um Netflix & Co. viele spannende Geschichten erzählt.
Es ist im Wahrzeichen der Stadt, der Mole Antonelliana, untergebracht, einer alten Synagoge, innerhalb der Besucher in einer gläsernen Liftkabine bis in die Laterne über der Kuppel fahren können. Von dort können Schweizer meist bis in die Heimat schauen, aber auch den Blick auf die Stadt geniessen.
Das zweite Museum ist das Museo Egizio, eine Privatsammlung über Ägyptologie und das tausende Artefakte umfasst und eine der bedeutendsten Papyrussammlungen der Welt besitzt. Sarkophage, Sphinx, Grabbeigaben und Standbilder ägyptischer Pharao ziehen selbst Mumien-Leien in ihren Bann.
Übernachten in Autofabrik
Ein weiteres Highlight der Stadt ist die Automobilindustrie, die bis heute aktiv ist und zahlreiche Sehenswürdigkeiten etwas ausserhalb des Stadtzentrums – ein paar U-Bahn-Stationen entfernt – im Stadtviertel Lingotto bietet.
Das Reiseerlebnis fängt schon damit an, dass Gäste in einem Autowerk von Fiat, der heutigen Shoppingmall «Centro Commerciale Lingotto», flanieren oder sogar in zwei Hotels, dem NH Torino Lingotto und dem DoubleTree Turin Lingotto, übernachten können.
Die gewundene Rampe in dem 1916 vom Architekten Giacomo Mattè-Trucco entworfenen Gebäudekomplex zeugt von der funktionalen Struktur des Baus zur Unterstützung des Herstellungsprozesses. Die Hotels verdeutlichen das ursprüngliche Ambiente mit den hohen Decken.
Matisse, Picasso und Renoir
Auf dem Dach dieser alten Fiat-Fabrik, die bis 1983 funktionierte, befindet sich immer noch die Rennstrecke und das Testgelände für neue Fahrzeuge «La Pista 500».
Der Autokonzern Stellantis, zu dem die Marke Fiat gehört, lanciert auf dem Parcours auch immer noch neue Modelle.
In einem Prachtbau von Stararchitekten Renzo Piano auf dem Dach befindet sich etwas Firmengeschichte und die Penacoteca Giovanne e Marella Agnelli, wo Gemälde von Henri Matisse, Pablo Picasso oder Pierre-Auguste Renoir zu bestaunen sind.
Von der Queen bis Stalin
Doch das absolute Muss, selbst für Nicht-Auto-Fans, ist das nationale Automuseum «Museo Auto» oder kurz «Mauto», gleich in der Nähe der Shoppingmall.
Es stellt eine spannende Reise durch die Geschichte der Mobilität dar – angefangen von Pferdekutschen über die ersten Verbrennungsmotoren bis hin zur Neuzeit um Elektrofahrzeuge und um die Formel-1 mit Hochgeschwindigkeitsautos.
Die Ausstellung ist nicht auf Italien oder Fiat- und Ferrari-Modelle beschränkt, sondern zeigt auch alte BMW, Mercedes, Rolls-Royce, Chevrolet, Jaguar, Cadillac, Renault, Delage, Alfa Romeo, NSU, Stalins GAZ-Pobeda, DDR-Trabis oder einen exklusiven Lancia für Queen Elizabeth.
Am Ende des «Mauto»-Rundgangs begreift man die rasante Entwicklung innerhalb kürzester Zeit in der Automobilindustrie und den ständigen Kampf um den technischen Fortschritt weltweit.
Turin ist eine Stadt, welche die Balance zwischen Tradition und Moderne meisterhaft hält. Ihre charmanten Strassen, kulturellen Schätze und kulinarischen Genüsse machen sie zu einem unvergesslichen Reiseziel unweit der Landesgrenze zur Schweiz.
12.11.2023/kut.
