Versagen die Modelle beim Rückversicherer Swiss Re?

Hurrikan-Schäden belasten die Versicherungsbranche. (Bild: Wikilmages / pixabay)

Der zweitgrösste Rückversicherer der Welt, Swiss Re, zeigt mit seinen 9-Monats-Zahlen, wie schwierig die Lage ist. Die Modelle signalisieren andere Werte, als die Realität dann bringt.

Die Schreckensnachrichten für Rückversicherer kommen derzeit nicht nur von Naturkatastrophen. Momentan schauen sie auch die Zentralbanken, welche die Zinsen förmlich im Minutentakt erhöhen.

Dann nämlich lässt es bei den Versicherern, also sowohl bei den Erst- wie Rückversicherern, das Eigenkapital schmelzen.

Drastischer Einbruch

Vor allem die Abschreibungen auf den Obligationen hauen rein, weil Papiere mit geringerer Rendite weniger wert sind und dies zu Marktwerten in den Büchern der Konzerne abgebildet werden muss.

Bei Swiss Re ist die Lage besonders dramatisch. Das Eigenkapital ist laut einer Medienmitteilung vom Freitag nunmehr bloss noch auf 11,9 Milliarden Dollar gerutscht. Dies geschah in nur wenigen Monaten von 23,6 Milliarden Dollar per Ende 2021.

Wie muula.ch bereits zum Semesterbericht bemerkte, ist also förmlich die Hälfte der Eigenmittel verschwunden.

Realität anders

In der Medienmitteilung vom heutigen Freitag spricht die Swiss Re dennoch von einer «sehr starken Kapitalausstattung», was die meisten irritieren dürfte. Wie kann das sein?

Bei der Aussage fokussiert sich der Rückversicherer auf die Sicht des Swiss-Solvency-Tests SST. Die Kapitalausstattung lag demnach bei einer Quote von 274 Prozent per Juli 2022.

Die jüngsten Zinserhöhungen lagen einerseits nach diesem Datum. Andererseits schaut das Modell ökonomisch auf die Firmen. Damit ist gemeint, dass es für Versicherer – um bei den Obligationen zu bleiben – eigentlich kein Problem darstellt, wenn Anleihen mal zwischenzeitlich tiefer bewertet sind.

Sie sollen vielmehr Verpflichtungen auf der Passivseite der Bilanz bedecken und dieses «Matching» wird im SST honoriert.

Wandel im Portfolio

Swiss Re erwähnt daher prominent im Communiqué, dass die steigenden Zinsen bereits helfen würden, die Auswirkungen der erhöhten Inflation zu kompensieren. «So ist der wiederkehrende Beitrag unseres festverzinslichen Portefeuilles allein im dritten Quartal um rund 100 Millionen Dollar gestiegen», schrieb die Swiss Re.

Gemeint ist, dass die höheren Zinsen der Assekuranz eigentlich helfen, mit den Kapitalanlagen wieder mehr Geld zu verdienen.

Das Problem ist allerdings, dass rasch steigende Zinsen zu schnell zu Abschreibungen bei den Zeitwerten führen, bevor sich der höhere Ertrag in grösserem Ausmass in den Büchern niederschlägt.

Enorme Schäden

Die Ergebnisse zum dritten Quartal schauen bei Swiss Re aufgrund des Hurrikans Ian ebenfalls nicht gut aus. Gewiss, ein Rückversicherer ist langfristig orientiert und die Betrachtung auf Dreimonatsbasis passt da schlecht. Doch dabei gibt der Schweizer Rückversicherer kein sehr gutes Bild ab.

Die Frage darf durchaus gestellt werden, wieso die Modelle nicht signalisiert haben, dass mit steigender Erderwärmung auch mehr Naturkatastrophen passieren? Eigentlich hätte der Rückversicherer solche Geschäfte eher zurückhaltend zeichnen müssen.

Die Combined-Ratio, also das Verhältnis von Prämien zu Kosten und Schäden, verschlechterte sich im dritten Quartal auf fast 120 Prozent. Mit den Resultaten aus den zwei vorangegangenen Quartalen kam der Konzern in Summe auf 106 Prozent.

Strategie verfehlt?

Selbst beim strategischen Ziel, einer normalisierten Combined-Ratio, lag der Rückversicherer bei 96,9 Prozent im aktuellen Quartal beziehungsweise in Summe bei 96,2 Prozent. Angestrebt werden Werte unter 94 Prozent, weil Versicherer nur bei einer Kennzahl unter 100 Prozent versicherungstechnisch Geld verdienen.

Die Rendite auf das Eigenkapital, ein weiteres strategisches Ziel des Konzerns um CEO Christian Mumenthaler, lag im dritten Quartal bei katastrophalen -13,2 Prozent. Für die ersten neun Monate zusammen bei -2,1 Prozent. Angestrebt werden +10 Prozent.

Signal aus Communiqué

Der Verlust von 285 Millionen Dollar für die ersten neun Monate resultierte nach einem Gewinn von 1,3 Milliarden Dollar im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gibt ein Konzern in einer Medienmitteilung so etwas bereits im Titel zu, dürfen Betrachter durchaus skeptisch sein, weil meist noch grössere Probleme überdeckt werden sollen.

Und genau dies zeigt sich in der Kapitalausstattung. Dabei sieht die ökonomische Wirklichkeit oftmals anders aus als theoretischen Betrachtungen.

Letztlich dürfte der Rückversicherer in den Augen mancher Betrachter nicht umhinkommen, sein Eigenkapital in irgendeiner Form zu stärken, weil mit einem einstelligen Milliarden-Dollar-Betrag das Betreiben des Geschäftes kaum möglich sein wird. Es ist schliesslich auf Kapitalkraft ausgerichtet.

Marktführer Munich Re hat noch keinen Bericht für das dritte Quartal publiziert. Allerdings gaben die Münchner vorab bekannt, dass sie vom Hurrikan Ian mit rund 1,6 Milliarden Euro gebeutelt wurden, aber dass dennoch ein Quartalsgewinn von 500 Millionen Euro erwartet werde.

Keine Dividendenerhöhung

Swiss-Re-CFO John Dacey erklärte jedenfalls an einer Medienkonferenz am Freitag, dass sich die Kapitalposition bei dem Schweizer Rückversicherer mit dem Wechsel der Rechnungslegung von US-GAAP auf IFRS bessern werde. Eine Kapitalerhöhung sei derzeit aber nicht geplant, sagte er auf eine entsprechende Frage von muula.ch

Spekulationen um die Erhöhung der Dividende erklärte er eine klare Absage. Der Swiss-Re-Finanzchef glaube nicht, dass eine ausserordentliche Rückführung von Kapital an Aktionäre drin sei, betonte Dacey.

Was die Modell-Welt angeht, so lerne der Rückversicherer bei seinen über 100 Modellen ständig hinzu. Die Parameter würden permanent adjustiert, hiess es vom CFO.

28.10.2022/kut.

Versagen die Modelle beim Rückversicherer Swiss Re?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert