Schweiz schreibt Geschichte zum Untergang der CS um

Das Logo der Credit Suisse auf dem Gebäude am Zürcher Paradeplatz
Der Bundesrat publiziert brisante Details zum Untergang der Grossbank Credit Suisse. (Bild: muula.ch)

Der Bundesrat hat seinen Bericht zur Credit Suisse vorgelegt. Die Vorgänge zum Untergang der Bank werden jedoch völlig anders beschrieben.

Die Schweizer Regierung legt auf 339 Seiten plus Zusatzdokumenten dar, warum die Krisenbank Credit Suisse (CS) untergegangen ist, und es die Notfusion mit der Grossbank UBS brauchte.

Doch wer in die Details einsteigt, traut wieder mal seinen Augen bei dem Thema kaum.

Zahlungsunfähigkeit früher

Auf Seite 61 des Hauptberichtes steht der alles entscheidende Satz

«Nach Ausschöpfung der ELA-Kapazität gewährte die SNB der Credit Suisse am 17. März 2023 zusätzliche Liquiditätshilfe im Umfang von 20 Milliarden Franken auf Basis von ELA+, ohne welche die Credit Suisse am 17. März 2023 zahlungsunfähig geworden wäre».

Dies ist ein völlig neues Detail, denn bisher hiess es, dass der CS erst am darauffolgenden Montag die Zahlungsunfähigkeit gedroht hätte, wenn der Bundesrat nicht am Sonntag zuvor die Notfusion der CS mit der Grossbank UBS verkündet hätte.

«Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund aller beurteilbaren Fakten klar, dass die Credit Suisse aus eigener Kraft das Vertrauen nicht mehr herstellen konnte und ihr ohne staatliche Massnahmen unmittelbar nach dem Wochenende vom 18. und 19. März 2023 die Zahlungsunfähigkeit drohte», hiess es sogar vom Bundesrat weiter.

Irreführung von Investoren?

Die Aussage, dass die CS aber bereits am Freitag zuvor ohne Liquiditätshilfen von 20 Milliarden Franken zahlungsunfähig gewesen wäre, lässt die Schlussfolgerung zu, dass das letzte Management der Krisenbank um Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann und Konzernchef Ulrich Körner durchaus Fehler gemacht haben.

Bisher war offiziell diesbezüglich nur bekannt, dass sich die taumelnde Grossbank in der Nacht auf den 16. März 2023 rund 50 Milliarden Franken gegen Sicherheiten von der SNB geholt hatte und damit sogar eigene Anleihen zurückkaufen wollte.

Dies macht man nur, wenn man es sich so etwas auch wirklich leisten kann. Die Schweizerische Nationalbank SNB sagte damals und in den darauffolgenden Wochen auch nie genau, wie viel Liquidität sie der CS jeweils zur Verfügung gestellt hatte.

Im Communiqué vom 16. März 2023 will CS-CEO Körner, der nunmehr in der Konzernleitung der UBS sitzt, die Strategie der Krisenbank weiter umsetzen und wäre aber am nächsten Tag pleite gewesen. Wie kann das sein?

SNB und Finma liegen falsch

Insofern sieht die Situation nunmehr ganz anders aus.

«Die Credit Suisse bezog am 17. März 2023 ELA+ in Höhe von 20 Milliarden Franken und am 20. März 2023 weitere 30 Milliarden Franken», steht klar im Bundesratsbericht.

Der SNB-Vize Martin Schlegel, der für Finanzmarktstabilität zuständig ist, erklärte jedoch wörtlich: «Die Solvenz der CS war nie infrage gestellt», wie auch muula.ch berichtete.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma beteuerte hingegen bis zuletzt auch, dass die Kapital- und Liquiditätskennzahlen der CS bis zuletzt die vorgeschriebenen Werte übertroffen hätten, aber keine Bank der Welt gegen einen Vertrauensverlust gewappnet sei.

Erst Ende Dezember 2023 machte sie Aussagen zur früheren Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit.

Datum verschwiegen

Interessant an dem Rapport vom Bundesrat ist zudem, dass erneut erwähnt wird, dass die Finma den Zusammenschluss von CS und UBS anstelle der Wettbewerbskommission Weko bewilligt habe.

Hierbei fehlt im Bundesratsbericht allerdings die Datumsangabe, wann genau die Genehmigung erteilt wurde, obwohl bei allen anderen Details stets der genaue Tag angegeben ist.

Die Finma plauderte an einer Medienkonferenz das Datum der Bewilligung des Zusammenschlusses mit dem 12. März 2023 aus, wie muula.ch berichtete.

Damit kommen also deutliche Zweifel auf, dass am CS-Untergangssonntag, dem 19. März 2023, tatsächlich noch alle Optionen für die Krisenbank auf dem Tisch lagen.

Erstattung von 16 Strafanzeigen

Generell macht der Bundesrat auch viel genauere Angaben, was die Finma bei der CS alles an Massnahmen ausprobiert hat.

Die Aufsicht sprach laut dem Bundesrat in der Krisenphase täglich mit der CS, jedoch nicht auf tagesaktueller Basis, was schon merkwürdig klingt.

Die FINMA führte insgesamt 43 Vorabklärungen für mögliche Enforcementverfahren durch, sprach 9 Rügen aus, erstattete 16 Strafanzeigen und schloss 14 Enforcementverfahren (davon 11 gegen das Institut und 3 gegen natürliche Personen) ab, hiess es nun.

Finma reduzierte Ausschüttungen

«Beim Risikomanagement und beim internen Kontrollumfeld ordnete sie Massnahmen an, die in Einzelfällen ins operative Geschäft eingriffen, so etwa mittels vorübergehender Geschäftsrestriktionen oder Reduktion der Ausschüttungen an das Aktionariat», ist weiter zu lesen.

Wer hätte gedacht, dass die Finma die Ausschüttung von Dividenden an die Aktionäre reduziert hat.

Somit ist auch klar, dass es die Schaffung von ELA+ per Notrecht bereits am 16.03.2023 brauchte und am 17.03.2023 zum Einsatz kam. Bekanntgegeben wurde dies aber nicht.

Neue Eigentümer bei Sanierung

Ein weiterer spannender Aspekt wird im Bericht hervorgehoben und das ist die ausgeschlagene Option der Sanierung. Hierbei wären nämlich die Bondsbesitzer der AT1-Bonds und der Convertible-Anleihen die neuen Eigentümer der CS geworden.

Wohlgemerkt sind dies vorwiegend angelsächsische Investoren. Auf die hatte die Schweiz offenbar keine Lust. Auch sieht das Reglement nur den Austausch des Verwaltungsratspräsidenten vor – aber nicht der Geschäftsleitung.

Der Bundesrat äusserte in dem Raport seine Bedenken, dass mit derselben operativen CS-Führung am Montag die Wiederherstellung des Vertrauens kaum überzeugend hätte gewonnen werden können.

Volk darf Unterlagen haben

Interessant ist schliesslich auch, dass der Bundesrat den Ausschluss der Öffentlichkeit zurückgezogen hat.

Der Bundesrat hatte in der Notverordnung den Zugang zu Daten und Informationen nach dem BGÖ ausgeschlossen, um das Risiko einzudämmen, dass der Informationsfluss zwischen den Beteiligten beeinträchtigt worden wäre, wie auch muula.ch berichtete.

Mit der Verordnungsrevision vom 15. September 2023 hat der Bundesrat aber den BGÖ-Ausschluss klammheimlich ersatzlos gestrichen.

Wahrscheinlich war der Landesregierung nicht wohl dabei, schliesslich hat das Volk die ganze Misere der CS bezahlt.

11.04.2024/kut.

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