Weitere Ungereimtheiten um die «Rettungsaktion» der CS

SNB-Vizedirektor Martin Schlegel
Der Vize-Präsident der SNB Martin Schlegel äussert sich zur CS-Rettung. (Bild: PD)

Die Zwangsrettung der Krisenbank Credit Suisse durch die Grossbank UBS hat viele Fragezeichen aufgeworfen. Je mehr die Behörden kommunizieren, desto mehr Widersprüche gibt es.

Die Rettungsaktion der Krisenbank Credit Suisse (CS) durch die UBS mit einer forcierten Aktion der Schweizerischen Nationalbank SNB, des Bundes und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma hat viele Fragen aufgeworfen.

Konkrete Antworten bleiben die Verantwortlichen allerdings bisher schuldig und je mehr Interviews durch die Beteiligten um Finanzministerin Karin Keller-Sutter, Finma-Chefin Marlene Amstad sowie SNB-Direktor Thomas Jordan und deren Teams gegeben werden, desto mehr Unklarheiten gibt es.

Falsche Informationen?

So äusserte sich am heutigen Donnerstag der Vize-Präsident der SNB, Martin Schlegel, in der «Neuen Zürcher Zeitung» und sagte, dass sich am «vorletzten Mittwochabend» gezeigt habe, dass die Lage sehr kritisch gewesen sei.

Das kann allerdings nicht sein, denn an dem besagten Mittwochabend um 20:20 Uhr gaben die SNB sowie die Finma eine gemeinsame Mitteilung an die Öffentlichkeit heraus, dass sowohl von den Bankenproblemen in den USA als auch von der CS keinerlei Schwierigkeiten zu befürchten seien.

Nur Beruhigungspille

«Die Finma bestätigt vor diesem Hintergrund, dass die Credit Suisse die für systemrelevante Banken besonderen Anforderungen an Kapital und Liquidität erfüllt. Darüber hinaus wird die SNB der global tätigen Bank im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen. Die Finma und die SNB verfolgen die Entwicklungen sehr genau und stehen in diesem Kontext mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement zwecks Sicherung der Stabilität des Schweizer Finanzsystems im engen Kontakt», lautete die Beruhigungspille wörtlich.

Doch nun sollen die Aussagen plötzlich nur getätigt worden sein, um eine Lösung bis zum Wochenende zu erhalten.

«Es brauchte eine Lösung bis zum Wochenende, sonst wären die Risiken zu gross geworden für das internationale Finanzsystem und die Schweiz», erklärte Schlegel nunmehr.

Dürfen Behörden in solch einer Situation die Unwahrheit sagen?

Firma selbst nicht betroffen

Die Probleme in den USA hätten zu einer Verschlechterung der Risikostimmung geführt, hiess es weiter.

«Die Kursverluste bei Bankaktien schufen ein Umfeld, in dem eine bereits angeschlagene Bank wie die CS beim Auftauchen negativer Nachrichten unter zusätzlichen Druck geraten konnte», sagte der SNB-Vize.

Aussagen, wie jene eines Grossaktionärs, seien dem Aktienkurs und den Kreditausfallversicherungen der CS nicht förderlich gewesen, führte er weiter aus.

All dies hat mit der Situation innerhalb der Gesellschaft aber wenig zu tun.

Probleme bleiben unklar

«Die Solvenz der CS war nie infrage gestellt», erklärte Schlegel sogar.

Wieso es dann keine ausreichenden Liquiditätshilfen für die CS gab und weshalb die Grossbank dem Untergang geweiht gewesen sein soll, liess er offen.

«Obwohl die CS alle formellen Erfordernisse erfüllte, war den Behörden klar, dass die Bank Probleme hat», sagte Schlegel.

Das ist schon fast unglaublich, dass da einfach Massnahmen eingeleitet wurden, obwohl alles im grünen Bereich war.

Was die CS für Schwierigkeiten gehabt haben soll, erklärte weder der SNB-Vize, noch Keller-Sutter sowie die Finma-Führung in ihren ganzen Interviews.

Wirtschaftsprüfer in Haftung?

Die SNB hätte Liquidität ja auch bis zum Maximum der Aktiva der CS zur Verfügung stellen müssen. Die Werte der Aktiva waren erst unlängst zur Publikation des Geschäftsberichtes 2022 durch Wirtschaftsprüfer festgestellt und testiert worden.

Vielleicht wäre mit der Übertragung der Sicherheiten an die Nationalbank aber das Abschreiben der Anleihen ausgelöst worden, die zum vollen Nennwert in den Büchern der CS stehen, aber durch den Zinsanstieg deutlich an Marktwerten verloren haben.

Warum die SNB nicht Aktiva von der CS zu einem utopischen Preis abkaufen konnte, wie sie es bei der Rettung der Grossbank UBS mit rund 60 Milliarden Franken getan hatte, bleibt ebenfalls unklar.

Nur Versprecher oder Wahrheit

«Am vorletzten Mittwoch zeichnete sich ab, dass die CS in Liquiditätsschwierigkeiten geraten würde. Ohne Bereitschaft der SNB, ELA-Plus-Hilfe zu gewähren, wäre es zu einem Zusammenbruch der CS gekommen», betonte der SNB-Verantwortliche für Finanzstabilität.

Das ist wieder so ein Widerspruch, weil der Bundesrat die ELA-Plus-Hilfe erst ab Donnerstag geschaffen hatte.

Auf einer Medienkonferenz der SNB, über die auch muula.ch berichtete, hatte Schlegel bereits gesagt, dass die Liquiditätshilfen ohne Sicherheiten der CS bereits ab Mittwoch gewährt worden seien und sich dann auf Nachfrage aber korrigiert.

Schnelligkeit zählt

«Und an jenem Mittwoch war uns schlicht unklar, ob diese Sicherheiten ausreichen würden, damit es die CS liquiditätsmässig bis ins Wochenende schafft», erläuterte Schlegel ausserdem.

Dieses Risiko konnte die SNB nicht eingehen, weil die CS offenbar zu wenige der klar definierten Sicherheiten zur Gewährung von Liquiditätshilfen durch die Zentralbank gehabt habe.

«An diesem Mittwochabend brauchte es aber eine sehr schnell verfügbare Lösung», betonte er weiter.

Deshalb sei in diesem Moment auch kein Verpflichtungskredit der Finanzdelegation möglich gewesen.

Streit mit UBS

Die Darlehenvergabe sei im Rahmen von Notrecht erfolgt. Wie erwähnt, schuf die Schweiz diese Rechtsgrundlage aber erst nach Mittwoch.

Wie genau die Garantien des Bundes nun überhaupt aussehen, darüber gibt es ebenfalls Streit mit der Grossbank UBS.

Diese sagt nämlich etwas anderes als das Schweizer Finanzministerium. Entsprechende Unterlagen sind mittlerweile von den Webseiten des Bundes verschwunden.

Die ganzen überhasteten Massnahmen sehen so aus, als würde man während eines Flugzeugabsturzes erst einmal überlegen, was man zur Rettung so alles tun könnte.

Ein vorausschauendes Handeln der Behörden sieht anders aus – wohlgemerkt hatte die CS bereits im vierten Quartal 2022 hohe Liquiditätsabflüsse von rund 110 Milliarden Franken.

Weshalb die SNB nicht alle Aktiva der CS zu Bargeld gemacht hat, ist ein weiteres grosses Fragezeichen. Steht es um die Bilanz der SNB so schlecht?

Regulierung versagte

Und wie Schlegel zu der Aussage kommen kann, die «Too Big To Fail»-Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität hätten für systemrelevante Banken gut funktioniert, bleibt ebenfalls schleierhaft.

Wie es nun mit der übergrossen Grossbank UBS weitergehen soll, ist auch unklar und Schlegel präsentiert keine Lösung.

«Die Krise in den USA entstand im vermeintlich langweiligen Teil des Bankengeschäfts. Das gilt auch für einige Probleme der CS; so passierte der Fall Greensill im Asset Management», erklärte Schlegel.

Fehler im System

Was, wenn sich also langweilig anmutendes Geschäft der UBS plötzlich als mega-riskant entpuppt?

«Es ist zentral, dass die Regulierung dafür sorgt, dass die neue Bank sämtliche Vorgaben tadellos einhält», so SNB-Vize Schlegel.

Laut Angaben der SNB gemeinsam mit der Finma war dies aber genau bei der Krisenbank CS der Fall gewesen und hat offensichtlich nicht funktioniert.

30.03.2023/kut.

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