Die Crux mit den Rating-Agenturen

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Rating-Agenturen beurteilen gleiche Situationen oftmals unterschiedlich. (Bild: G. Altmann / pixabay)

Die Rating-Agenturen haben einen enormen Einfluss in der Wirtschaft. Der Untergang der Credit Suisse zeigt, wie fragwürdig das ganze Benoten ist.

Einige Investoren rieben sich am gestrigen Montagabend die Augen.

Die US-Rating-Agentur Moody’s erhöhte den Ausblick für die Ratings der Schweizer Grossbank UBS auf «positiv», nachdem sie zuvor der Meinung war, dass die nahe Zukunft des Geldhauses eigentlich «negativ» sei.

Gnädige Analysten

Die Änderung des Ausblicks galt für vorrangige unbesicherte Schuldtitel der UBS Group AG, deren Rating die Moody’s-Experten weiterhin in der Kategorie «A3» eingestuften. Das Rating der Vorzugsaktien blieb bei «Baa3».

Auch bei den Anleihen der am gestrigen Montag untergegangenen Krisenbank Credit Suisse waren die Analysten gnädig. Sie stuften die vorrangigen unbesicherten Schuldtitel der Credit Suisse Group AG von «Baa2» auf gute «A3» herauf.

Den Ausblick für die Senior Unsecured Debt Ratings passten sie von «Rating under Review» auf «positive» an.

Abstufung von «A+» nach «A»

Doch die Meinungen der Finanzexperten zu demselben Ereignis, nämlich der Übernahme der CS durch die UBS, hätte unterschiedlicher nicht sein können.

Am gestrigen Montagmorgen hatte nämlich die Rating-Agentur Fitch mitgeteilt, dass sie die Kreditratings der UBS senkt.

So stufte Fitch das langfristige Emittentenausfallrating (IDR) für die UBS Group nach dem Vollzug der Notübernahme der Credit Suisse von «A+» auf nur noch «A» herab.

Für die UBS AG lautete die Einstufung nicht mehr «AA-», sondern nur noch «A+».

In die Zukunft schauen?

Mit den Herabstufungen sei der Ausblick nunmehr aber «stabil», hiess es.

Fitch hatte nach der historischen Bekanntgabe zur CS-Zwangsübernahme vom 19. März, die auch muula.ch live übertrug, seine Ratings auf «Rating Watch Negative» gesetzt, was signalisiert, dass beim Rating in naher Zukunft etwas passieren könnte. Nun war dieser Schritt erfolgt.

Standard & Poor’s (S&P) war dagegen milder als Fitch. Der Marktführer unter den Rating-Agenturen beliess den Ausblick für die Ratings der UBS Group nach Vollzug der CS-Akquisition einfach auf «negativ».

Die Ratings von UBS Group AG und UBS Americas Holding LLC blieben zudem unverändert bei «A-/A-2».

Investmentbank entscheidend

Der Ausblick könnte auf erst auf «stabil» erhöht werden, wenn sich das Ausführungsrisiko der Integration und Restrukturierung der CS verringere, hiess es von S&P.

Namentlich würde die UBS ihre hohe Kreditwürdigkeit auch nach der Fusion beibehalten, falls der geplante Abbau eines Grossteils der Investmentbanking-Aktivitäten der CS gelinge, teilte S&P weiter mit.

Ratlose Investoren

Was sollen Investoren nun glauben? Eine Rating-Agentur der «Grossen Drei» ist für die UBS-CS-Monsterfusion optimistisch. Eine ist negativ eingestellt und der Platzhirsch macht nichts und gibt sich abwartend.

Wie sollen sich Anleger orientieren? Gewiss sind die jeweiligen Rating-Kriterien immer anders und auch die Gewichtung von Situationen ist oft Ansichtssache.

Aber Konsistenz lässt die Branche der Bonitätswächter nicht selten vermissen.

Schweiz freiwillig beurteilt

Vor einer ähnlich ratlosen Situation standen Investoren bereits, als der Kapitalmarkt von der historischen Zwangsübernahme erfuhr. Die Schweiz hatte bekanntermassen hohe Garantien für den Monster-Deal abgegeben.

Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch erkundigte sich daraufhin bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung EFV, wie es mit dem «AAA»-Rating aussieht, wenn die Schweiz solch hohe Risiken schultert.

Der Bund beauftrage keine Rating-Agenturen, was heisse, dass es nur sogenannte «unsolicited Credit Ratings» gebe, teilte die EFV lapidar mit. Die Schweiz habe keine Kenntnisse von Verschlechterungen der Ratings, hiess es weiter.

Allerdings müssten dies in erster Linie die Ratingagenturen beurteilen.

Finanzverpflichtungen erfüllen

Rating-Agenturen fertigen tatsächlich ihre Analysen für einige Länder freiwillig an, weil sie nämlich oft ein Landes-Rating brauchen, um die Firmen oder einzelne Verwaltungseinheiten in diesem Staat vollständig beurteilen können.

Insofern machen sie für manche Länder, wie etwa Deutschland oder eben die Schweiz, ihre Beurteilungen aus freien Stücken.

Der Bund gehe aber dank seiner nachhaltigen Finanzpolitik und relativ tiefer Verschuldung davon aus, dass er seine finanziellen Verpflichtungen auch künftig wie bis anhin erfüllen werde, erklärte ein EFV-Mediensprecher gegenüber muula.ch, obwohl das Land mit neuen Milliardengarantien für UBS und CS quasi in der Kreide steht.

Belastung wage halten

Grundsätzlich haben laut der EFV die Entscheide zur CS nämlich keinen Einfluss auf die Budgetkredite und die mehrjährigen Finanzbeschlüsse.

Eine Belastung würde sich erst ergeben, falls der UBS infolge der CS-Übernahme grössere Verluste als fünf Milliarden Franken entstünden.

Insofern verstehen Investoren wahrscheinlich besser, warum die Finanzverwaltung alles unternimmt, damit die 9-Milliarden-Garantie des Bundes ja nicht zum Tragen kommt.

Das bedeutet aber, die Rettungsaktion der Schweiz ist so ausgestaltet, dass formal zwar gerettet, aber das «AAA»-Rating des Landes nicht gefährdet wird.

An dieser Höchstnote hängt nämlich sehr viel für die Schweiz, weil Staatsbetriebe, die Privatwirtschaft und auch kantonale Einrichtungen wiederum von diesem guten Ruf profitieren.

Drei Hauptrisiken

Und auch dabei zeigte sich, dass zwar das Top-Rating gefährdet scheint, aber von den Finanzexperten so nicht eingeschätzt wird.

muula.ch fragte bei diversen Rating-Agenturen zu deren Meinung über die Schweiz an. Eine Analytikerin erzählte aus freien Stücken, wie sie die Lage sieht. Später zog sie ihre Aussagen aber komplett zurück.

Bei Moody’s hakte das Wirtschaftsnews-Portal gleich mehrmals nach, weil die Bonitätswächter noch kurz vor der Bekanntgabe des Monster-Mergers drei Hauptrisiken für das Land sahen, wie muula.ch berichtete.

Im Rating-Report von Moody’s zur Schweiz stand allerdings, dass eine Systemkrise im sehr grossen Bankensektor der Schweiz das Rating des Landes belasten könnte.

Auf Englisch lautete der Satz: «A system-wide crisis in the very large banking sector could also be a source of pressure for the sovereign rating».

Milliarden-Deal ändert nur wenig

Ein Mediensprecher von Moody’s erklärte aber, dass es trotz der Notfusion unter den Grossbanken zunächst kein Update bei den im Februar 2023 gemachten Rating-Einschätzungen zur Schweiz gebe und schickte später den neuesten Rating-Report zur CS, bei dem sogar eine Heraufstufung erfolgte.

Dieser Schritt zur CS schien logisch, weil ja der Bund und die UBS für die Schulden der Krisenbank eintraten.

In den Augen von Moody’s sah die Situation somit besser für das strauchelnde Geldhaus aus.

Auf der anderen Seite der Skala hatte es aber offenbar nur geringe Auswirkungen.

450 Prozent des BIP

Für die UBS-Gruppe bestätigte die Rating-Agentur nämlich dann ihre Bonitätseinschätzung, aber passte Ende März 2023 bloss ihren Ausblick auf «negativ» an.

Im Report klang dann ohnehin allerdings positiv, weil die Grossbank UBS mit dem Merger ihrer Position beim Wealth Management ausbauen könnte, im Swiss Banking sowie im Asset Management gestärkt würde und eine Reduktion der administrativen Kosten anstrebe, so Moody’s damals schon fast euphorisch.

Beobachter hatten das Gefühl, als sollten solche Jubelworte darüber hinweghelfen, dass keine der bekannten Rating-Agenturen die Zuspitzung der Krise bei der CS eigentlich korrekt eingeschätzt hatte.

Für die Schweiz bestätigte die Rating-Firma Moody’s später ihre Meinung und erklärte, das Kreditrisiko aus dem CS-UBS-Merger gering sei.

Der Bankensektor betrage zwar 450 Prozent der Wirtschaftsleistung des Schweizer Bruttoinlandprodukts BIP per Ende 2022 und mit der Fusion konzentrierten sich die Bankenrisiken weiter, dies führte jedoch bloss zu einer Erhöhung der Gefahren im Finanzsektor.

Über das ganze Rating der Schweiz hatte es allerdings keinen Einfluss.

Integrationsrisiken höher gewichten

Und auch Marktführer S&P stufte die Schulden der CS mit der Akquisition herauf, wie es auf eine Anfrage von muula.ch hiess.

Besonders die verbesserte Liquiditätssituation habe dazu beigetragen, teilte eine Mediensprecherin mit.

Für die UBS gingen dagegen die Lichter auf «credit watch negativ», weil die Analysten nach Bekanntgabe der Zwangsfusion die Integrationsrisiken für die UBS mit der Krisenbank CS als erheblich eingestuft hatten.

Abschreibung kein Ausfall

Das fast Peinlichste passierte dann aber mit den AT1-Anleihen, welche die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma an dem historischen Sonntag mit einem Federstrich einfach für wertlos erklärt hatte, wie auch muula.ch zu den 16 Milliarden Franken berichtete.

Dazu teile S&P einen Tag später nach der offiziellen Ausradierung mit, dass S&P die Ratings für diese Wertpapiere von den Kategorien «B» und sogar «B+» auf nunmehr «C» ändere. Damit waren die Papiere aber bloss als «spekulativ» eingestuft.

Mit «D», also einem tatsächlichen Ausfall beziehungsweise einem Zahlungsverzug, würden sie – obwohl es fast klar sei – erst klassifiziert, wenn die Umsetzung des «write-downs» tatsächlich bestätigt würde, hiess es von S&P.

Erst am Donnerstag drauf stufte die Vorzeige-Rating-Agentur die AT1 dann auf «default».

Kaum Prospektives

Investoren glauben bei den Meinungen der Rating-Agenturen wahrscheinlich meist daran, dass sie prospektive Einschätzungen abgeben würden.

Das, was letztlich passiert, nachher noch in schöne Worte und Bonitätsskalen zu verpacken, brauchen Anleger wohl eigentlich auch nicht.

Sie wollen möglichst vorher genau über allfällige Risiken eines Zahlungsausfalls informiert werden. Doch dies liefern Rating-Agenturen, wie gezeigt, nur bedingt.

Somit dürften sich Investoren noch oft die Augen reiben.

13.06.2023/kut.

Die Crux mit den Rating-Agenturen

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