Lukrative Arbitragemöglichkeit an der Schweizer Börse SIX

Campus-Gebäude der Zurich Insurance Group
Die Zurich Insurance Group hat ihren Aktienrückkauf abgeschlossen. (Bild: PD)

Wenn Firmen ihre eigenen Aktien zurückkaufen, ergibt sich Arbitrage. Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch zeigt, wie es geht.

Man muss die Zahlen schon sehr genau ansehen, um die Unterschiede zu sehen.

Der Versicherungskonzern Zurich Insurance hat sein Aktienrückkaufprogramm abgeschlossen und die Transaktionsliste publiziert.

Markante Unterschiede

Darin ist dem Wirtschaftsnews-Portal muula.ch aufgefallen, dass die von Zurich Insurance Group in der zweiten Handelslinie angegebenen Kaufkurse an manchen Handelstagen höher sind als diejenigen Werte, welche die Schweizer Börse SIX an denselben Tagen als Kurse für die Titel des Schweizer Versicherungskonzerns angegeben hat.

Nimmt man exemplarisch den 3. Januar 2023, so steht in der Liste zum Aktienrückkauf, dass die Höchst- und Tiefstkurse bei 451.90 beziehungsweise bei 445.70 Franken lagen. Bei der Schweizer Börse SIX heisst es dagegen am normalen Markt 451.20 und 444.70 Franken.

Verrechnungssteuer beachten

Die Bitte um Erklärung an die Medienstelle von Zurich Insurance wurde umgehend beantwortet und bestätigte die Beobachtung von muula.ch.

Kai Weber aus dem Kapitalmarktteam von Group Treasury bei Zurich Insurance Group erklärte zudem, dass die Emittenten bei Aktienrückkäufen zur Vernichtung der Titel eine zweite Handelslinie einrichten müssten, um die Verrechnungssteuer abzuziehen.

Und da Investoren unter Umständen einige Monate lang auf die Rückerstattung der Verrechnungssteuer warten müssten, gebe es für diesen Aufwand etwas Geld. Bei Zurich Insurance hätte diese Differenz zwischen 25 und 30 Basispunkten gelegen.

Attraktiv bei Minuszinsen

Der Finanzexperte von der Zurich Insurance erklärte weiter, dass Banken diese Effekte während der Negativzinsphase besonders häufig ausgenutzt hätten.

Mit dem Geld beim Staat hätten sie sich nämlich den Negativzins bis zum Datum der Rückerstattung auf den Verrechnungssteuerbetrag gespart.

Da wurde das Geld quasi beim Staat geparkt. Mit dem Anstieg des Zinsniveaus ist es für die Geldhäuser weniger attraktiv geworden, weil es keine Strafzinsen mehr auf den Konten gibt.

Preispremium niedrig halten

Es sei sogar die Tendenz sichtbar, dass das Interesse an diesen Geschäften nachgelassen habe. Der Aufschlag sei früher wegen der verschärften Konkurrenzsituation bei diesen Arbitragegeschäften etwas niedriger gewesen.

Das Hauptziel bei Aktienrückkäufen sei für die Zurich Insurance, dass keine Beeinflussung des Marktes durch die eigenen Transaktionen stattfinde.

Wie Externe dem Inserat zum Aktienrückkauf entnehmen können, beauftragte der Versicherer die Grossbank Credit Suisse mit den Käufen der eigenen Titel.

Dabei sei es eine Vorgabe an das Geldhaus gewesen, diese Preisprämie generell möglichst geringzuhalten und die Zurich Insurance nicht jeden Preisaufschlag in der zweiten Handelslinie bezahlen müsse, wie es von Weber diesbezüglich weiter hiess.

Einfacher mit Kapitalband

Mit der Einrichtung einer zweiten Handelslinie sei ohnehin ein gewisser Mehraufwand verbunden, hiess es weiter von der Zurich Insurance. So müssten die Firmen die ganzen Angaben dazu noch mindestens ein Jahr lang auf ihrer Webseite vorhalten.

Dagegen habe sich aber der Aufwand für die Ungültigerklärung der Titel seit diesem Jahr mit der Einführung des Kapitalbandes, über das auch muula.ch schon berichtete, deutlich reduziert.

Während früher für den Einzug der Wertpapiere bei Aktienrückkäufen noch ein Beschluss der Generalversammlung GV nötig gewesen sei, könne dies seit diesem Jahr einfach der Verwaltungsrat während einer Sitzung vornehmen, erklärte Finanzexperte Weber zudem.

Aktuelle Beispiele auf Webseite

Doch neben dem Aspekt mit der Verrechnungssteuer will muula.ch nochmal den Mechanismus mit der 2. Handelslinie bei Aktienrückkäufen anschaulich machen.

Dafür nimmt man am besten einen Titel, der nicht so liquide ist, weil dann die einzelnen Transaktionen genau sichtbar werden.

Die Schweizer Börse SIX gibt auf ihrer Webseite alle Emittenten an, die eine zweite Handelslinie laufen haben.

Auch der Grund für die Einrichtung ist ersichtlich.

Hunderte Franken an Differenz

So kaufte Lindt Sprüngli, also eine sehr teure Aktie, beispielsweise am 16.5.2023 in der zweiten Handelslinie eine Aktie um 9:49 Uhr und zwei Titel um 11:52 Uhr zu jeweils 112.000 Franken für den Aktienrückkauf.

Am Primärmarkt gab es zuvor um 9:44 Uhr sowie fast gleichzeitig um 9.49 Uhr jeweils Handel bei 111.600 Franken je Titel. Und um 11:45 Uhr wurde die Lindt-Aktie zu 111.400 und 11:52 Uhr zu 111.600 Franken gehandelt.

Das macht einen fast risikolosen Gewinn zwischen 400 und 600 Franken je Aktie.

Klar müsste man noch ein paar Transaktionsgebühren und einen Zinsverlust bis zur Erstattung der Verrechnungssteuer berücksichtigen. Zieht man dafür pauschal 100 oder 150 Franken ab, verbleibt immer noch ein ansehnlicher Gewinn.

Tausende an Arbitragegewinn

Schaut man auf den 30. Mai 2023 bei Lindt Sprüngli, gab es in der zweiten Handelslinie nur drei Käufe: um 10:27 Uhr eine Aktie, um 14:19 Uhr zwei Aktien und kurz vor Handelsschluss um 16:26 Uhr drei Aktien.

Die Kaufkurse betrugen 109.200 Franken, 109.200 Franken beziehungsweise 108.800 Franken. An der Börse wurden die Lindt-Titel um 10:26 zu 108.800 Franken, um 14:08 Uhr zu 108.800 Franken und um 16:21 Uhr zu 108.200 Franken gehandelt.

Macht 3000 Franken an Arbitragegewinn an nur einem Handelstag bei nur einem Emittenten.

Getrennter Handel

Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch fragte aber noch bei der Schweizer Börse SIX nach, was es mit diesen zweiten Handelslinien auf sich hat.

Bei der separaten Handelslinie («zweite Linie») handele es sich um ein parallel zu einem bestehenden Valor eröffnetes, weiteres Orderbuch mit einer separaten Valorennummer, teilte die Medienstelle der SIX auf die Anfrage mit.

Transaktionen, bei denen die Beteiligungsrechte gleicher Effektenkategorien aus bestimmten Gründen für einen gewissen Zeitraum getrennt an der SIX Swiss Exchange gehandelt werden, seien etwa öffentliche Kauf- beziehungsweise Umtauschangebote, Rückkäufe von eigenen Beteiligungsrechten, wie bei der Zurich Insurance, Beteiligungsrechte mit unterschiedlicher Dividendenberechtigung oder Fusionen, bei der zusätzlich eröffnete Valor eine vereinfachte technische Abwicklung sicherstellen könne, so die Schweizer Börse gegenüber muula.ch.

Anreiz für Verkauf schaffen

Die Errichtung einer separaten Handelslinie stelle aber keine Kotierung im eigentlichen Sinne dar, sondern ermöglicht einen zeitlich limitierten Handel von kotierten Beteiligungsrechten unter einer separaten Valorennummer, erklärte die SIX-Medienstelle weiter.

Doch grundsätzlich sei es schon so, dass die vom Aktienemittenten beauftragte Bank für diesen Rückkauf leicht bessere Preise anbiete, um auch das täglich anvisierte Volumen der Rückkäufe über die zweite Linie überhaupt zu schaffen, hiess es weiter von der SIX.

Dieser Aufpreis von einigen Basispunkten gehe zulasten des Emittenten, bestätigte auch die Börse die Arbitragemöglichkeiten.

12.06.2023/kut.

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