Der Bundesrat schmiedet einen strategischen Plan

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Eine Ideensammlung des Bundesrates soll der Schweiz die Marschrichtung zeigen. (Bild: absolutvision / unsplash)

Die neue Schweizer Regierung hat ihre Prioritäten gesetzt. So manches Ziel scheint angesichts der Interessenlage aber unerreichbar.

Die Schweizer Regierung, die seit den Neuwahlen von zwei Bundesräten im vergangenen Dezember anders aufgestellt ist, hat am Mittwoch ihre Leitlinien und Prioritäten bekanntgegeben.

Die vier strategischen Stossrichtungen lassen teils aufhorchen. Es scheint aber auch viel Wunschdenken für die nächsten Jahre dabei zu sein.

EU und Freihandel

So will die Schweiz logischerweise an erster Stelle ihren Wohlstand sichern und dabei die Chancen der Digitalisierung nutzen. Als ein Ziel formulierte der Bundesrat dabei, dass die Schweiz ihre Beziehungen zur EU erneuern und der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu internationalen Märkten sichern wolle.

Dies ist besonders bemerkenswert, weil etwa das Verhältnis zur EU seit der barschen Zurückweisung von Verhandlungen der Schweiz praktisch auf Eis liegt und innenpolitisch in der Schweiz schwere Hürden zu überwinden sind, um überhaupt mit der EU wieder in einen halbwegs dynamischen Verhandlungsprozess einzutreten.

Gleichzeitig dürften die Schweizer Bauern auf ihren Pfründen – wie in der Vergangenheit – beharren und so Zugänge zu internationalen Märkten mittels Freihandelsabkommen erschweren.

AHV, BVG und Gesundheit

Als zweites Ziel hat sich der Bundesrat die Sicherung der Sozialwerke vorgenommen. Ihm schweben dabei laut der Aufstellung der Berner Administration die Sicherung für künftige Generationen sowie eine finanziell tragbare Gesundheitsversorgung vor.

All dies sind seit Jahren aber Dauerbaustellen und angesichts der verhärteten Fronten zwischen Links und Rechts bei diesen Themen sind Änderungen nur schwer auf die Beine zu stellen.

So nützt das Schweizer Gesundheitswesen häufig kranken Reichen, also eher Bürgerlichen, die Gesunde und Junge zu einer Umverteilung nötigen. Die Jungen und Armen, also eher die Klientel der Linken, können die Prämien kaum noch berappen. Doch denen gibt man einfach Geld über Prämienverbilligungen, um das Problem zu lösen, aber nichts ändern zu müssen.

Grosse Würfe sind da schwierig. Und auch kaum ein Leistungserbringer ist bereit, auf etwas zu verzichten.

Umverteilung von viel Geld

Bei der zweiten Säule, also der Beruflichen Vorsorge, wird es ähnlich schwierig wie im Gesundheitswesen, da das ganze System auf neue Beine gestellt werden müsste.

Die Struktur des BVG stammt aus einer Zeit, als der Mann sein ganzes Leben mit vollen Stellenprozenten nur bei einer Firma gearbeitet und die Frau sich um die Kindererziehung sowie um den Haushalt gekümmert hat.

Schlägt man hierbei Änderungen vor, geht es immer auch um die Verteilung von viel bestehendem Geld bei Banken und Versicherungen, und dies dürfte nicht so einfach zu bewerkstelligen sein.

Migrationsfragen lösen

Als Drittes will sich die Schweiz international engagieren und darunter fällt auch eine stringente Asylpolitik. Dies dürfte ebenfalls ein beschwerlicher Weg werden, denn die grossen Parteien um SVP und SP haben dabei komplett unterschiedliche Vorstellungen, was «stringent» heisst.

Die Migrationsthematik will die Schweiz mittels einer «effizienten europäischen und internationalen Zusammenarbeit» aufgleisen. Doch das widerspricht meist bedeutsamen innenpolitischen Kräften.

Umweltschutz und Raumplanung

Last, but not least, beabsichtigt der Bundesrat, das Klima zu retten und die natürlichen Ressourcen zu schonen sowie die Energieversorgung zu sichern.

Dabei stünden eine produktive Landwirtschaft sowie eine resiliente Lebensmittelversorgung (Ziel 19), eine passende Raumordnungspolitik (Ziel 20) sowie die Stabilität der Energieversorgung (Ziel 23) im Mittelpunkt.

Nur schon daraus wird deutlich, dass die Fragen um die Verwendung von Pestiziden, die Überbauung von schönen Landschaften oder die Nutzung von Atom- sowie Windenergie hochkochen werden und innerhalb kürzester Zeit einen Konsens im Land finden müssen.

Doch die Besetzung der Ausschüsse im Bundesrat verdeutlicht bereits, dass das zuständige UVEK etwa bei Wirtschaftsfragen an vorderster Front gar nichts zu sagen hat.

Bewährungsproben im System

Der Orientierungsrahmen soll den Fahrplan für die kommenden vier Jahre liefern und die Krisenfestigkeit der Schweiz stärken. Wenn all die kniffligen Herausforderungen der Zukunft tatsächlich innerhalb von vier Jahren vollständig geklärt, muss man dem Gremium schon Respekt zollen.

Bei den komplexen Themen um die EU, die Landwirtschaft, das Bebauen, die Zuwanderung, das Klima, den Freihandel, die Energieversorgung, um die AHV, das BVG und die Gesundheit gibt es Grabenkämpfe, die jeweils für sich genommen schon Bewährungsproben für das Land darstellen.

Wahrscheinlich kann das Volk aber schon zufrieden sein, wenn die Schweizer Regierung nur die Hälfte der Vorhaben innerhalb der Frist schafft.

Joghurt an Wand nageln

Im nächsten Schritt werden nun all die Ziele mit konkreten Massnahmen ergänzt und mit Indikatoren verknüpft, um sie im Rahmen eines Monitorings messbar zu machen, schrieb der Bundesrat in seinem Communiqué.

Genau an diesen Indikatoren kann die Öffentlichkeit dann bereits sehen, wie hart die Vorgaben der Regierung in einzelnen Fragen sein werden beziehungsweise in welche Richtung die Reise gehen soll.

Oder aber, ob die Schweiz mit alldem einfach nur einen Joghurt an die Wand nageln will.

11.03.2023/kut.

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