Weitere Auswirkung der Whistleblower-Affäre bei Clariant

Clariant in Basel-Landschaft
Der Chemiekonzern Clariant muss eine Affäre in der Buchhaltung aufarbeiten. (Bild: PD)

Clariant leidet seit Jahren unter Missständen in der Buchhaltung. Die durch Whistleblower ins Rollen gebrachte Affäre zieht nun weitere Kreise.

Whistleblower sind mutige Persönlichkeiten, die an die Öffentlichkeit treten, um Missstände, Korruption, illegale Praktiken oder andere Unregelmässigkeiten in Unternehmen, Organisationen oder der Regierung aufzudecken.

Sie sind die Stimmen der Wahrheit und spielen eine entscheidende Rolle bei der Enthüllung von Informationen, die ansonsten verborgen geblieben wären.

Hohe Busse

Beim Baselbieter Chemiekonzern Clariant gab es vor einiger Zeit solch mutige Menschen, die Misstände in der Buchhaltung bekanntmachten und eine Negativspirale für das Unternehmen lostraten.

Am heutigen Donnerstag gab es wieder so eine Folge:

Die Schweizer Börse SIX hat mit ihrer Exchange Regulationen (SER) eine Busse von 150.000 Franken gegen Clariant verhängt, weil die Clariant AG fahrlässig die geltenden Vorschriften zur Rechnungslegung und damit ihre Pflichten des Kotierungsreglements sowie der Richtlinie Rechnungslegung verletzt habe.

Dies teilte die Sanktionskommission der Börse mit.

Ein fast gleichlautendes Statement verschickte auch die Medienstelle von Clariant auf eine Anfrage von muula.ch.

IFRS-Standard verletzt

Clariant erfasste laut der SIX im Jahresabschluss 2020 gewisse Rückstellungen, welche nicht den Anforderungen des Rechnungslegungsstandards IFRS für den Ansatz solcher Rückstellungen entsprachen.

Der Entscheid der Sanktionskommission vom 13. Juni sei nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen, hiess es weiter.

Bei der Höhe der Sanktion berücksichtigte die Sanktionskommission die Schwere des Verschuldens, die Schwere der Verletzung, das Verhalten in den Vorjahren sowie die Sanktionsempfindlichkeit des Emittenten.

Eine Busse von 150.000 Franken ist für die SIX ungewöhnlich hoch.

SER weist aber im Sanktionsantrag hin, dass das vorliegende Verfahren unabhängig von der am 12. Januar 2023 publizierten Untersuchung gegen die Clariant AG wegen einer möglichen Verletzung der Vorschriften zur Ad hoc-Publizität sei.

Verschieben von Gewinn

Von Clariant hiess es gegenüber muula.ch, dass mit der Strafzahlung die Whistleblower-Affäre endgültig ausgestanden sei.

Der Konzern mit Sitz im Kanton Basel-Landschaft hatte ja bereits die Fehlerkorrekturen bekanntgegeben und stets betont, dass er das Verhalten der Whistleblower ausdrücklich begrüsse und die Kultur des Spezialchemie-Unternehmens auf Transparenz ausgerichtet sei.

Ursprünglich hatte die Buchhaltung gewisse Rückstellungen gebildet und damit das Ergebnis 2020 um fast 20 Millionen Franken zu niedrig ausgewiesen.

Logisch, muss der Gewinn dann irgendwohin und wurde später ergebniswirksam aufgelöst.

Laut Medienberichten sollten die illegalen Vorgänge im Accounting dazu gedient haben, um Gewinnziele zu erreichen.

Anhand des PDF-Files einer Clariant-Erklärung kann man gut nachvollziehen, wie die Gewinne auf die einzelnen Quartale verschoben wurden.

Unabhängige Untersuchung

Letztlich hat sich der einstige Spin-off von Sandoz die Whistleblower-Affäre aber einiges kosten lassen.

Neben der aktuellen Busse der SIX, die für einen Milliardenkonzern wahrscheinlich das geringste Problem darstellt, musste Clariant unabhängige Berater von Deloitte sowie externe Anwälte von Gibson, Dunn & Crutcher mit einer tiefgehenden Untersuchung der Angelegenheit beauftragen.

Danach mussten die ganzen Folgejahresabschlüsse durchforstet und angepasst werden. Strafrechtliche Folgen gab es aber offenbar keine.

Neuer Finanzchef

Der eigene Wirtschaftsprüfer PwC wies aber öffentlich daraufhin, dass in seinem Bestätigungsvermerk für den Konzernabschluss 2021 auf der Grundlage seiner Prüfungsverfahren eine Einschränkung hinsichtlich des Bestehens eines internen Kontrollsystems zu Rückstellungen und Abgrenzungen erfolgen werde. Das ist extrem unschön.

Und gleichzeitig musste sich der Konzern einen neuen Finanzchef suchen, die Verschiebung der Generalversammlung vornehmen und einen herben Reputationsschaden für alle Ewigkeiten davontragen.

Alles in allem dürften die mutigen Whistleblower bei dem Unternehmen mehr «Aufräumkosten» ausgelöst haben, als die ganze Gewinnverschiebung in der Buchhaltung letztlich gebracht hätte.

20.07.2023/kut.

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