Schweizer Hotels jubeln zu früh

Schweizer Berghotels haben oft tolle Lagen und profitieren von Buchungsmaschinen wie booking.com oder Expedia
Schweizer Berghotels haben ohne Buchungsplattformen vielleicht bald keine Kundschaft. (Bild: Tim Trad / unsplash)

Der Bundesrat hat neue Regeln für Beherbergungsbetriebe zu Buchungsplattformen geschaffen. Die Schweiz freut sich – doch sie müsste eigentlich weinen.

«Beherbergungsbetriebe sind ab 1. Dezember frei in ihrer Preis- und Angebotsgestaltung», freut sich die Schweiz über ein neues Gesetz. Mit der Regelung werden Paritätsklauseln bezüglich des Preises, der Verfügbarkeit oder Konditionen in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben verboten.

Zunächst war beim Gesetzgebungsverfahren bloss von Preisbindungsklauseln die Rede. Im Gesetz kommen nun aber auch sämtliche Buchungsbedingungen mit rein.

Teufel im Detail

Vielerorts, wie etwa auf «20 Minuten» und bei den Schweizer Hotelverbänden, freut man sich über einen Sieg der kleinen Schweiz gegen Grosskonzerne wie booking.com oder Expedia und über einen guten Tag für die Hotelkundschaft. Sogar von sinkenden Übernachtungspreisen ist die Rede.

Doch genau das Gegenteil dürfte der Fall sein. Um dies zu verstehen, muss man kein Hellseher sein, sondern muula.ch nahm einfach die Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren genauer unter die Lupe.

Von den Online-Anbietern, vom Kanton Zürich und von GLP oder FDP kommen nämlich Warnungen, die genau das Gegenteil eines Sieges beschreiben und nun auch eintreffen dürften.

Gesetz schon da

Zahlreiche Teilnehmer an der Vernehmlassung lehnen zum Beispiel ein Verbot von Preisbindungsklauseln mit der Begründung ab, dass überhaupt kein gesetzlicher Handlungsbedarf bestehe.

Sie argumentieren, dass bereits das Kartellgesetz ausreichende Instrumente zur Verfügung stelle, um allfällige Missbräuche bei Marktmacht zu unterbinden.

GLP, Digitalswitzerland, booking.com und Expedia streichen zudem etwa heraus, dass die Online-Buchungsplattformen für die Beherbergungsbetriebe einen erheblichen Nutzen mit sich brächten und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärke.

Grosse Preistransparenz

So könnten die Beherbergungsbetriebe dank der Online-Buchungsplattformen einen viel grösseren Kundenkreis ansprechen. GLP, booking.com und Expedia weisen auch daraufhin, dass die Online-Anbieter zu einer Intensivierung des Wettbewerbs und einer besseren Vergleichsmöglichkeit der Angebote führten und Konsumenten davon besonders profitieren könnten.

Wird all dies ausgehebelt, geht es also in die andere Richtung. Das ist eventuell auch der Grund, weshalb kaum ein anderes Land so eine Regelung, wie sie die Schweiz nun einführt, bei sich haben will.

Faire Chance?

Die Online-Anbieter erhalten ja nur dann eine Vergütung von den Hotels, wenn ein Reisender die angezeigte Unterkunft über die Webseite bucht. Für Direktbuchungen des Reisenden beim Hotel erhalten sie nichts.

Um ihre Marketingdienste kostenlos anbieten zu können, müssen die Buchungsplattformen daher auch eine faire Chance erhalten, dass die Buchung über ihre eigene Webseite erfolgt. 

FDP, Economiesuisse, Digitalswitzerland, booking.com und Expedia vertreten ausserdem die Ansicht, dass Klauseln etwa zur Preisbindung sogar ihre wirtschaftliche Berechtigung hätten, da sie ein Trittbrettfahren verhinderten.

Ohne solche Bedingungen könnten die Beherbergungsbetriebe die Dienstleistungen der Online-Buchungsplattformen kostenlos in Anspruch nehmen und gleichzeitig die Kundschaft durch Anbieten tieferer Preise oder besserer Konditionen auf ihre betriebseigenen Internetseiten umlenken.

Einmischung in Privatverträge

FDP, Economiesuisse und Digitalswitzerland sehen im Verbot von solchen Bindungsklauseln auch noch eine Verletzung der Vertragsautonomie. Es sei nicht Sache des Staates, sich in privatrechtliche Verträge einzumischen, hiess es.

Bei Booking.com wird es obendrein noch konkreter, dass Schweizer Luxushotels & Co. zu früh gejubelt haben. Die niederländische Firma investiert nämlich Millionen, um im Namen der Unterkünfte über digitale und traditionelle Werbekanäle zu werben, und unterhält unter anderem einen weltweiten Kundendienst in 44 Sprachen.

Hotelketten im Vorteil

Dies schafft Visibilität und Vertrauen bei ausländischen Konsumenten, insbesondere KMU Hotels in der Schweiz zu buchen. Viele dieser Buchungen würden ohne Online-Buchungsplattformen gar nicht zustande kommen oder Konsumenten würden sich für das Angebot einer bekannten Hotelkette entscheiden.

Die dafür veranlagten Kommissionsgebühren liegen unter den Kosten, die ein nicht Kette-angehöriges Hotel zu tragen hätte, würde es ähnliche Leistungen in Eigenregie vornehmen.

An falscher Ecke sparen

Die Intention von Schweizer Hotels dürfte es sein, die grossen Plattformen für die Bekanntmachung ihres Angebots zu nutzen, aber über günstigere Buchungsplattformen, wie ihren eigenen Webseiten, bessere Konditionen anzubieten und dadurch Kosten zu sparen. Die Schweizer wollen quasi den Fünfer und das Weggli, wie es so schön heisst.

Dies dürfte aber langfristig dazu führen, dass die grossen Buchungsplattformen ein Problem mit den Einnahmen bekommen und die Schweizer Hotels aus ihrem Angebot hinauswerfen.

Win-Win und kein Zwang

Es zwingt ja ohnehin niemand die Schweizer Hoteliers, mit den Buchungsplattformen zusammenzuarbeiten, falls sie keinen Nutzen in einer Zusammenarbeit sähen.

Eine aktuelle Studie​ von Oxford Economics auf Basis der Daten 2019 belegte allerdings den ​Nutzen von Buchungsplattformen auf die Schweizer Volkswirtschaft. Demnach tragen Buchungsplattformen dazu bei, dass rund 2,7 Millionen zusätzliche Übernachtungen, also rund 7,2 Prozent, in der Schweiz gebucht werden.

Schweiz gewinnt Millionen

Davon profitierten insbesondere kleine Hotels, denn 87 Prozent der Buchungen werden an kleine, unabhängige Unterkünfte vermittelt. Gerade diese haben oftmals nur beschränkte Ressourcen für Marketing und/oder alternative digitale Vertriebskanäle.

Die Buchungsplattformen schaffen und sichern ausserdem viele Arbeitsplätze. In der Studie ist von rund 8000 direkten und 25.000 indirekten Arbeitsplätze in der Schweiz die Rede.

Mit 41 Millionen Franken haben Buchungsplattformen ausserdem einen beträchtlichen direkten Einfluss auf den Tourismussektor. Der direkte Einfluss auf das Schweizer Bruttoinlandprodukt BIP wird sogar mit 800 Millionen Franken beziffert.

Gast aus Fernost

Die kleinen Schweizer Hotelbetriebe sind also eher der ganzen Saga um Knebelverträge auf den Leim gegangen. Gewiss, die Zahlungen von 20 oder 30 Prozent an Vertriebsprovisionen des Übernachtungspreises tun weh.

Vielleicht hätte ein Gast aus Südamerika oder aus Japan die Schweizer Unterkunft aber ohne Plattformen gar nicht entdeckt oder hat sie nur deshalb gebucht, weil er sich bei einem grossen Onlineanbieter sicher sein konnte, dass der Internetauftritt des Hotels von der anderen Seite der Welt nicht bloss eine tolle Webseite ist.

Auch bei allfälligen Beschwerden mit dem Hotelangebot hätte er noch die Hilfe einer grossen Buchungsplattform im Rücken. Dies gefällt aber vielleicht nicht jedem Hotelier.

Kehrtwende im Bundesrat

Die Schweizer Regierung hatte in einem Bericht vom Jahr 2016 bereits die Vorteile solche Plattformen hervorgehoben:

«Dank digitalen Innovationen, wie Online-Buchungsplattformen, konnten Schweizer Hotels ihre Sichtbarkeit im Internet in den letzten Jahren stark erhöhen. Die rasche, umfassende und transparente Vergleichbarkeit von Preisen und Qualität der Dienstleistungen bringt auch für die Nutzerinnen und Nutzer einen erheblichen Mehrwert.» 

Hätte doch der Bundesrat besser seinen alten Bericht vor der Verabschiedung der neuen Regeln nochmals gelesen.

18.11.2022/kut.

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