Der Schutz des Geistigen Eigentums ist der Schweiz wichtig. Doch sie missachtet die Rechte an Ideen und dürfte einen hohen Preis dafür zahlen.
Diese Woche ist der Schweizer Administration wieder ein Coup gelungen. Die Schweiz hat nämlich völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit erneut einen Annäherungsschritt an die Europäische Union EU vollzogen.
«Mehr Effizienz im Kampf gegen Fälschungen», teilte die Administration in Bern dieser Tage in einer Medienmitteilung freudig mit.
Ausfälle von Einnahmen
Ob gefälschte Luxusuhr oder Markenhandtasche: Fake-Produkte, die in Kleinsendungen in die Schweiz gelangten, sollten dank eines neuen Verfahrens einfacher vernichtet werden können, hiess es zum Entscheid des Bundesrates.
Verletzungen von Marken-, Patent-, Design- oder Urheberrechten nehmen laut dem Communiqué nämlich weltweit zu und verursachen erhebliche Schäden.
Diese könnten von Gewinneinbussen über Ausfälle von Abgaben beim Staat bis hin zu Gesundheitsrisiken für Konsumenten reichen.
Online-Handel als Problem
Dabei sei die Schweizer Wirtschaft überdurchschnittlich betroffen: Weltweit stünden Schweizer Rechteinhaber an vierter Stelle der Unternehmen, deren Immaterialgüterrechte durch Nachahmungen verletzt würden.
Das enorme Wachstum des Online-Handels habe das Problem zusätzlich verschärft, weil Interessierte gefälschte Waren aus dem Ausland einfach per Mausklick nach Hause bestellen könnten.
Daher braucht es ein einfacheres Verfahren zum Einziehen von Fälschungen um Luxusuhren von Patek Philippe, Audemars Piguet & Co.
Was der Bund dabei nicht klar sagt, aber Recherchen von muula.ch ergaben, ist, dass die Schweiz – wie schon oft – heimlich, still und leise auf das Verfahren der EU übergehen will.
Aufwendiger Prozess
Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums können derzeit bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) einen Antrag stellen, dass rechtsverletzende Waren beim Passieren der Grenze zurückbehalten und anschliessend vernichtet werden, wenn sich der Anmelder, Besitzer oder Eigentümer nicht widersetzt.
Das Verfahren ist allerdings aufwendig und für Kleinsendungen – die über 90 Prozent der Aufgriffe durch die EZV ausmachen – nicht angemessen.
Mit dem neuen Bundesgesetz will die Schweiz das Verfahren verbessern.
Auf fünf Prozent konzentrieren
Erst in der beiliegenden Botschaft des Bundesrates zu den geplanten Regelungen heisst es versteckt, die EU habe mit einer Verordnung aus dem Jahr 2013 genau solch ein vereinfachtes Verfahren für die Vernichtung von Waren in Kleinsendungen eingeführt.
Es zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass ein administrativer Mammutprozess für die Inhaber der Markenrechte erst in Gang gesetzt wird, wenn der Vernichtung der Waren nicht widersprochen wird. Dies passiert aber nur in weniger als fünf Prozent aller Fälle.
In der Regel wüssten die Käufer nämlich, dass es sich bei den Gütern um Fälschungen handelt.
Zehnjährige Erfahrung
«Auf diese Weise lassen sich Bagatellfälle mit Kleinsendungen unkomplizierter erledigen, was im Interesse aller Beteiligten und der Zollbehörden liegt», hiess es im Bericht weiter.
«Nach Einschätzung der EU bewährt sich das Verfahren und es hat, wie erhofft, zu einer Steigerung der Feststellungen geführt», steht zudem geschrieben.
Die fast zehnjährigen Erfahrungen der EU sind also positiv. Das will die Schweiz also auch.
Doch verletzt die Schweiz damit nicht eigentlich Geistiges Eigentum, wenn sie Ideen der EU einfach nachahmt?
In gewisser Weise schon.
Interessantes Preismodell
Die EU könnte ihre Geistesblitze ja schützen und dann zur Schweiz sagen, dass sie für die Nutzung dieser, von der EU erfundenen Regelung ein Entgelt haben wolle.
Dazu könnte sich die EU auch ein cleveres Preismodell überlegen – also nicht etwa nur eine Einmalzahlung.
Brüssel könnte von Bern für jedes, mit dieser vereinfachten EU-Regelung kontrolliertes Päckchen eine Gebühr verlangen und bis in alle Ewigkeit einen Zahlungsstrom aus der Schweiz generieren.
Rechnung dürfte folgen
Klar zahlt die Schweiz für das Kopieren von EU-Regeln aber nichts – und das macht Brüssel sicher nicht ohne Hintergedanken.
Je mehr «EU» nämlich in der Schweiz verankert ist, desto besser, wird sich die Union sagen.
Schliesslich kommen die Gespräche mit der EU seit der unfreundlichen Zurückweisung der Schweiz auch nach Monaten noch nicht einmal auf das Niveau von Verhandlungen, wie auch muula.ch berichtete.
Die Schweiz will sich daher regelmässig mit solchen Rechtsübernahmen bei der EU einschmeicheln und gleichzeitig noch einen Nutzen für das eigene Land herausholen.
Dafür dürfte die Schweiz aber langfristig einen hohen Preis bezahlen.
30.04.2023/kut.