Die Krankenkasse Assura mischte einst die Grundversicherung auf. Nun muss sie wohl sogar um ihre Existenz bangen.
Wenn eine Krankenkasse vor einem langen Wochenende im Mai ihre Ergebnisse für das Vorjahr publiziert, kann man davon ausgehen, dass sie miserabel ausgefallen sind.
Diese Firmen unterliegen keinen strikten Vorgaben, wie etwa börsenkotierte Gesellschaften, die Fehlentwicklungen den Aktionären mitteilen müssen, sobald sie diese feststellen.
Tief in der Verlustzone
Nun, hat die Krankenkasse Assura, einst ein Zugpferd in der Schweizer Krankenversicherung, genau vor Pfingsten einen Megaverlust von fast 150 Millionen Franken bekanntgegeben.
Schuld seien höhere Leistungskosten und ein schlechtes Händchen an der Börse, hiess es von dem Versicherer um CEO Ruedi Bodenmann.
30 Prozent mehr Vollzeitstellen
Doch das greift wohl viel zu kurz.
Wenn man die zum Vorjahr fehlenden Kapitalerträge von rund 100 Millionen Franken überschlagsmässig wegnimmt, bleibt immer noch ein Verlust von zirka 50 Millionen Franken, was zeigt, dass die Rechnung gar nicht aufgeht.
Auch bei den Verwaltungskosten, deren Quote sich in der Grundversicherung diesmal um 0,3 Prozentpunkte auf 4,7 Prozent verschlechterte, spielt die Assura nicht mehr in der Topliga der Schweizer Kassen mit.
Vor Corona hatte die Kasse 1210 Vollzeitstellen – für das Jahr 2022 weist die Firma 1580 Vollzeitstellen aus.
Das ist ein Zuwachs bei der Belegschaft um über 30 Prozent.
Unklare Positionierung
Warum sollte man sich bei der Krankenkasse Assura versichern?
Früher war klar, dass es in der Schweiz mit der 2500er-Franchise keinen günstigeren Versicherer gab.
Das ist aber nicht mehr der Fall. Warum sollten Junge und Gesunde also direkt zur Assura gehen, wenn sie bloss ihre Krankenversicherungspflicht erfüllen wollen?
Es fallen einem wahrscheinlich mittlerweile kaum ein paar Gründe ein.
Probleme mit der Solvenz?
Diese magische Anziehungskraft, wie sie die Assura früher hatte, ist nicht bloss verflogen – die Kasse verrät nicht einmal mehr in ihrem Geschäftsbericht, wie hoch derzeit die gesetzlich vorgeschriebene Solvenzquote ist.
Sie lag im Jahr bei 130 Prozent – für das abgelaufene Geschäftsjahr lässt die Firma die Zahl, die sie stets publiziert hatte, einfach weg.
Ein Schelm, wer glaubt, dass sich die Solvabilität verbessert hat.
Rosinenpicken vergangen
Die Rechnung bei der Assura, das Rosinenpicken der guten Risiken am Markt, geht allerdings schon einige Zeit nicht mehr auf.
Über den verfeinerten Risikoausgleich der Grundversicherung, also des KVG, werden Krankenkassen bestraft, wenn sie nicht auch Schwerkranke und chronisch Kranke versichern.
Die Assura zahlte vor Jahren weit über eine Milliarde Franken jährlich in den Risikoausgleich ein.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr waren es «bloss» noch 864 Millionen Franken.
Auch Otto-Normalos sind also mittlerweile bei der Krankenkasse untergekommen.
Aufwand steigt
Heruntergekommen ist auch das Prämienvolumen. Während vor Jahren die Assura an der Marke von 4 Milliarden Franken kratzte – ist sie mit nunmehr 3,7 Milliarden Franken deutlich von diesem Wert bei den Beiträgen entfernt.
Die Zahl der verarbeiteten Rechnungsbelege stieg vergangenes Jahr um 2 Prozent auf 12,8 Millionen. Im Jahr 2020 hatte die Assura noch 10,5 Millionen Belege.
Das ist ein Anstieg um über 20 Prozent innerhalb kürzester Zeit und dies muss ein Versicherer auch administrativ erst einmal bewältigen.
CEO verfehlt Vision
Bodenmann war einst von der Basler Krankenkasse Sympany zur Assura für viel Geld geholt worden, um laut der damaligen Medienmitteilung «die Marktstellung von Assura unter den bedeutendsten Krankenversicherern der Schweiz weiter auszubauen».
Seine Aufgabe werde vor allem darin bestehen, die Innovationsstrategie der Assura-Gruppe weiterzuführen, hatte sich die Krankenkasse damals erhofft.
Als Innovation fiel bisher eigentlich nur ein neues Produkt in der Öffentlichkeit auf, bei dem im Wesentlichen eine deutsche Firma entscheidet, welcher Facharzt für die Schweizer Versicherten infrage kommt.
Das ist in den Augen von Marktbeobachtern aber wenig innovativ.
Fast 100.000 Versicherte verloren
Als Bodenmann bei der Assura angetreten ist, lagen die Verwaltungskosten laut der gleichen Medienmitteilung bei 132 Franken je Versicherten. Mittlerweile liegen sie in der Grundversicherung laut dem Bundesamt für Gesundheit BAG bei über 200 Franken pro Versicherten.
Die Werte für 2022 liegen hochoffiziell noch nicht einmal vor – aber die Verschlechterung beträgt jetzt schon fast 60 Prozent.
So kann die Kasse aber kaum weitermachen. Rund 30 Prozent mehr an Personal. Die Verwaltungskosten explodieren und niemand weiss genau, wofür die Krankenkasse stehen will.
Fast 100.000 Grundversicherte kehrten der Assura jedenfalls innerhalb nur eines Jahres schon mal den Rücken.
Der Versichertenbestand in der Grundversicherung sank 2022 um horrende 10 Prozent auf nur noch 815.000.
Und im Jahr 2018 waren es noch über 1 Millionen Assura-Versicherte im KVG.
30.05.2023/kut.