Helvetia Versicherungen verirren sich ins Metaverse

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Die Versicherungsgruppe Helvetia nutzt Avatare im Metaverse. (Bild: PD)

Mit Tamtam hat der Versicherer Helvetia die Tore im Metaverse geöffnet. Beobachter kommen aus dem Lachen kaum noch heraus.

Wer Fragen zu Versicherungsthemen hat, der kann sich diese ab sofort durch Fachpersonal der Helvetia Versicherungen auch im Metaverse, also in virtuellen Räumen mit Avataren, beantworten lassen.

Dies teilte die in St. Gallen domizilierte Assekuranz-Gruppe pompös mit Bild- und Videomaterial dieser Tage mit.

Komplizierte Prozesse

«Den Zugang zu unseren Dienstleistungen einfach und fortschrittlich zu gestalten, hat für uns hohe Priorität», hiess es zur Begründung für das Vorgehen.

Wer also eine Beratung zu Versicherungen im Metaverse wünscht, buche online einen Termin – genau gleich wie für eine telefonische Beratung oder ein Gespräch in der Agentur, erklärte der Allbranchenversicherer zum Prozedere.

Anschliessend versende Helvetia die Zugangsdaten aber per E-Mail.

Spezialbrillen nötig

Kunden treffen sich dann als Avatare mit der Fachperson von Helvetia in einem virtuellen Sitzungszimmer. Nach der Beratung erhalten sie laut dem Communiqué per SMS oder per E-Mail den Link zur persönlichen Offerte oder zum digitalen Vertragsabschluss.

Ein einfacher Zugang? Naja, die Kunden brauchen Virtual-Reality-Brillen und doch einiges an technischem Knowhow, um überhaupt an einem solchen Beratungsgespräch teilzunehmen. Das Ganze braucht ohnehin auch weitere Hilfsmittel wie Smartphones oder Internet.

Erfahrungen sammeln

Auch bei Helvetia seien erst einige Mitarbeitende mit den notwendigen Virtual-Reality-Brillen ausgestattet und entsprechend geschult, hiess es.

Das virtuelle Zimmer sei deshalb so eingerichtet, dass weitere Personen per herkömmlicher Videokonferenz zugeschaltet werden könnten. Also, wenn die Kunden zu komplizierte Fragen stellen, brauchen die Metaverse-Mitarbeiter des Versicherers selbst Hilfe.

Helvetia ist laut der Medieninformation überzeugt, dass sich mit dem Eintauchen ins Metaverse spannende Interaktionen mit den Kunden ergeben würden. Aus diesen Interaktionen sollen auch Erkenntnisse resultieren, die helfen, das Kundenerlebnis im virtuellen Raum weiter zu optimieren.

So lerne der Versicherer, welche Bedürfnisse die Kunden im virtuellen Raum hätten. In einer späteren Phase seien auch neue Produkte denkbar.

Gespräche über Tod?

Doch über das Vorgehen des Versicherers lachen zahlreiche Branchenkenner und sehen Helvetia fast schon auf Abwegen. Das Metaverse ist eine Spielwiese von Spass, technischen Nerds und auch Spekulationen.

Der Sportartikelhersteller Nike schafft etwa über spezielle Token virtuelle Turnschuhe, die später von Sammlern teurer weiterverkauft werden können. Der Luxuskonzern Gucci bringt über sogenannte NFTs virtuelle Objekte der Begierde ins Metaverse, die einen Hype auslösen.

Und die Versicherung bringt ein Beratungsgespräch über Tod, Unfälle, Naturkatastrophen oder Wohnungsbrände in den virtuellen Raum? Das ist wirklich urkomisch und fast schon lachhaft.

Avatar für Beratung

Es stimmt zwar, wie Helvetia schrieb, dass es im Metaverse ein ganz anderes Erlebnis sei, als Texte auf einer Website zu lesen. Doch eine Interaktion mit einer Fachperson von einem Versicherer, der Sachverhalte zur Assekuranz erklärt, scheint vom Erlebnis des tatsächlichen Metaverse meilenweit entfernt.

Kunden, die ohnehin einfach per Telefon oder online einen Beratungstermin buchen könnten, brauchen ja nicht erst eine Virtual-Reality-Brille anzuschaffen, einen Termin per E-Mail zu buchen und sich dann über einen Avatar mit der Brille zu Risikoschutz informieren zu lassen.

Die ohnehin schon komplizierte Versicherungsmaterie wird dadurch noch komplexer, statt einfacher. Dies ist ein klarer Widerspruch zur geschilderten Ambition von Helvetia.

Probleme auf Webseite

Digitalisierung in der Assekuranz sehen Experten eigentlich auf anderen Gebieten, wie einfacheren Vertragsabschlüssen oder bei der Schadenabwicklung.

Bei der Helvetia-Gruppe funktioniert derzeit aber nicht einmal der Download von Medienbildern über die Webseite korrekt. Da scheinen Ausflüge ins Metaverse ohnehin abwegig.

Der Konzern fällt allerdings in jüngster Zeit hin und wieder mit Merkwürdigkeiten auf, wie auch muula.ch berichtete.

Viele offene Fragen

Im Kleingedruckten der Nutzungsbedingungen für die «Neue Welt» schreibt Helvetia sogar, dass die Metaverse-Gespräche nicht aufgezeichnet würden und somit bleibt auch unklar, wie verbindlich das ganze Beratungsgespräch für die Kundschaft überhaupt ist und welche Haftung der Versicherer bei Falschberatungen trägt.

Wird Kunden während der Beratung mit der Metaverse-Brille vor lauter Risiken zudem schwindlig, kann der Helvetia-Avatar auch nur begrenzt helfen. Das Konzept scheint daher wenig durchdacht.

Spass für Manager

Versicherungspolicen sind bekanntermassen Produkte, die kaum aktiv gekauft, sondern von Menschen verkauft werden müssen.

Wenn dies in der analogen Welt nur schon mit viel Aufwand gelingt, wundert man sich mancherorts, wie Versicherungsmanager auf die Idee kommen können, dass sich technische Innovatoren im Metaverse, das auf Spass ausgerichtet ist, nunmehr unlustigen Gesprächen über negative Situationen um Tod und Autounfälle freiwillig hingeben würden.

Spass dürfte das Ganze daher eher vielmehr den Versicherungsmanagern der Helvetia-Gruppe gemacht haben.

In ihrem eintönigen Versicherungsalltag haben sie etwas über das Metaverse gelernt, die interessanten Brillen mal ausprobiert und sich über Avatare zu ihren eigenen Produkten ausgetauscht.

25.02.2023/kut.

Helvetia Versicherungen verirren sich ins Metaverse

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