Die Versicherungsgruppe Helvetia hat einen neuen Konzernchef gefunden. Die Ernennung wirft allerdings viele Fragezeichen auf.
Bei der in St.Gallen domizilierten Versicherungsgruppe Helvetia entsteht eine Führungslücke.
Wie der Konzern am heutigen Donnerstag bekanntgab, wird Fabian Rupprecht ab 1. Oktober der Vorsitzende der Konzernleitung und Group CEO von Helvetia.
Monatelanges Vakuum?
Der von extern kommende Rupprecht folgt auf Philipp Gmür, der auf Mitte 2023 zurückgetreten wird.
Mit der Ernennung von Rupprecht, einem deutsch-Schweizer Doppelbürger mit Jahrgang 1969, ergeben sich aber einige Fragen, deren Beantwortung der Verwaltungsrat eigentlich in der Medieninformation hätte vornehmen sollen, um gewisse Klarheit über den Kurs des Versicherers zu geben.
So entsteht, erstens, ein Führungsvakuum von mehreren Monaten, was bei einer Gesellschaft eigentlich nicht geht.
Gmür geht, wie von muula.ch vermeldet, auf Mitte Jahr und Rupprecht kommt erst ab Oktober 2023.
Regulator am Drücker
Zweitens scheint die Ernennung ohnehin eine ziemliche Hauruck-Übung gewesen zu sein.
Warum gab es keinen internen Kandidaten, wie Gmür? Warum musste es ein Externer mit Know-how sein, die es innerhalb der Gruppe offenbar nicht gibt?
Üblicherweise wartet ein börsenkotierter Konzern auch auf den klaren Segen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma zu einem solch wichtigen Personalentscheid.
Laut Communiqué ist dies jedoch noch nicht erfolgt. Nicht auszudenken, was passiert, falls die Finma signalisiert, mit der neuen Führungspersönlichkeit nicht einverstanden zu sein.
Nach dem Führungsdebakel mit der Krisenbank Credit Suisse dürfte der Regulator nicht mehr jeden Wunsch einer Finanzinstitution so ohne Weiteres durchwinken.
Unklare Schweiz-Beziehung
Als weiteres Fragezeichen ergibt sich, wie wohl sich der neue Manager in St.Gallen fühlen wird.
Aus dem Lebenslauf von Rupprecht ist ersichtlich, dass er fast seine ganze Laufbahn in Metropolen wie Köln, Paris und Madrid verbracht hat.
Ein kurzer Abstecher zur Axa Winterthur als Leiter Einzelleben für rund zwei Jahre nach Winterthur ZH fällt da wahrscheinlich kaum ins Gewicht.
Helvetia weist im Communiqué eigens daraufhin, dass er seinen Lebensmittelpunkt aber in der Schweiz habe, ohne allerdings zu sagen, warum.
Mehr Fusionen und Übernahmen?
Und schliesslich wirft die Ernennung noch die Frage auf, was der Verwaltungsrat strategisch mit Rupprecht für ein Signal senden will.
Derzeit verantwortet der Auserkorene einige Versicherungsmärkte bei seinem aktuellen Arbeitgeber, der niederländischen NN Group, einem kleinen Finanzdienstleister. Dort ist er rund vier Jahre CEO International Insurance.
Im Geschäftsbericht 2022 hebt der Manager unter anderem Erfolge bei Fusionen und Übernahmen hervor.
So schlossen sie die Akquisition von Medlife-Geschäften in Polen und Griechenland ab. Ein Lebensbestand wurde in Belgien verkauft und eine Kooperation mit einem Krankenversicherer in Spanien geschlossen.
Will Helvetia mit ihm also M&A forcieren?
Asien und Osteuropa
Rupprecht verantwortet aber auch die Geschäfte in Japan. Und Digitalisierungserfolge seien in Rumänien und der Slowakei erzielt worden, hiess es.
Auch regional gibt es also Fragezeichen, weil Asien oder Mini-Märkte in Osteuropa bisher nicht zu Fokus der Helvetia zählten.
Die NN-Aktivitäten erstrecken sich hauptsächlich im Bereich von Lebensversicherungen. Das Neugeschäft 2022 betrug rund 700 Millionen Euro in Form von Jahressollbeiträgen (APE).
Spartenmix unklar
Soll also Lebensversicherungen eventuell der Zukunftsweg der Helvetia-Gruppe sein und würde damit dem Swiss-Life-Konzern sehr ähneln, der kein Sachversicherungsgeschäft besitzt?
Doch Helvetia hat gerade erst ihre Beteiligung in Spanien an der Lebensversicherungsgesellschaft Sa Nostra Vida verkauft.
Oder geht es nun vermehrt ins Krankenversicherungsgeschäft? Fragen über Fragen.
Für die Strategie ist der Verwaltungsrat aber zuständig. Insofern gibt es sogar hierbei noch höher eine Führungslücke bei Helvetia.
Absage an Merger
Mit der Ernennung, bei der ausser mit breiter Versicherungserfahrung des Managers nicht besonders gut argumentiert wurde, will sich Helvetia aber klar den Spekulationen um eine Fusion mit der Baloise-Gruppe in Basel entziehen.
Diese gibt es derzeit wieder einmal am Markt und war mit offenen Toppositionen bei beiden Konzernen begründet worden, wie auch muula.ch berichtete.
All die anderen Fragezeichen müsste Helvetia allerdings rasch aus der Welt schaffen.
20.04.2023/kut.