Die skurrilsten Versicherungsfälle der Schweiz

Unfälle passieren jeden Tag
Verunfallte bleiben manchmal auf ihren Behandlungskosten sitzen. (Symbolbild: Tom Jur / unsplash)

Jeden Tag passieren komische Sachen in der Schweiz und Versicherer sollen für die Schäden aufkommen. Streitfälle landen dann oft beim Ombudsmann, der Unglaubliches zu berichten weiss.

Es ist fast kaum zu glauben, was jeden Tag in der Schweiz so alles passiert und dann als Schadenfälle bei den Versicherungsgesellschaften landet.

Vieles davon dringt kaum an die Öffentlichkeit, weil sich die Parteien irgendwie einigen oder die Geschädigten aufgeben.

Nützliche Hinweise

Streitfälle landen aber auch bei der Ombudsstelle für Privatversicherungen, die es nunmehr schon seit 50 Jahren gibt.

Einmal im Jahr, so wie am heutigen Donnerstag, gibt es dann gesammelt die skurrilsten Fälle und nützliche Hinweise an die Versicherten sowie an die Branche.

muula.ch hat ein paar der spannendsten Fälle angeschaut, die Martin Lorenzon, der amtierende Ombudsmann, bekanntgab.

So überraschte laut dem Jahresbericht 2022 ein Unwetter im Kanton Bern einen Autofahrer. Bäche mit Schlamm ergossen sich über die Strasse. Das Auto blieb schliesslich stecken.

Naturgewalt muss wirken

Der Fahrer versuchte, das Auto aus dem Schlamm zu befreien, was ihm nach mehreren Anläufen auch gelang. Aufgrund des eingetretenen Wassers und Schlammes in den Motorraum wurde später der Totalschaden am Motor festgestellt.

Der Kasko-Versicherer verneinte aber seine Leistungspflicht mit der Begründung, dass der Versicherte bewusst durch den Schlamm gefahren sei und den Schaden dadurch erst verursacht habe.

Für eine Deckung gelte aber der Grundsatz, dass die Naturgewalt zum Fahrzeug gehen müsse und nicht umgekehrt. 

Entscheidend sei die Frage, wie der Schaden am Motor verursacht wurde. Wahrscheinlich schien dem Versicherer, dass dieser erst durch das Weiterfahren und nicht bereits durch den Wasserschwall vor Ort entstanden sei.

Aufgrund der besonderen Umstände kam der Versicherer allerdings entgegen und gewährte schliesslich Versicherungsschutz.

Streit um Hausrat

Bei Diebstahl-Ereignissen gehören häufig auch Schlüssel zum Deliktsgut.

In einem Fall vergass eine Versicherte in einer Nacht, ihre Wohnungstüre abzuschliessen. Am nächsten Morgen bekam sie unerwünschten Besuch von einer Diebin, die Bargeld und Schlüssel entwendete, die im Eingangsbereich deponiert waren. 

Die Verwaltung ihrer Mietwohnung liess in der Folge das Schloss der Haustüre, des Briefkastens und des Kellers austauschen und stellte der bestohlenen Mieterin die entsprechende Rechnung von rund 1300 Franken zu.

Wem gehören Wohnungsschlüssel?

Nach Anmeldung des Schadens lehnte der Hausratversicherer der Mieterin jegliche Versicherungsleistungen für die Schlüssel- und Schlossersatzkosten ab.

Zur Begründung machte er zunächst geltend, dass die Wohnungsschlüssel nicht ihr gehören würden und der Diebstahl gegenüber der Liegenschaftsverwaltung begangen worden sei.

Nachdem sich die Mieterin gegen diesen ablehnenden Leistungsentscheid beschwert hatte, teilte ihr der Versicherer ergänzend dazu mit, dass sie kein Verschulden gegenüber der Hausverwaltung treffe und man den Fall deshalb auch nicht über ihre Privathaftpflichtversicherung abwickeln könne.

Starre Versicherung

Die Ombudsstelle machte beim Versicherer geltend, dass nach den Versicherungsbedingungen auch gemietete Sachen zum Hausrat gehörten, und dass bei einem einfachen Diebstahl auch Schäden am Hausrat sowie Kosten, die direkt auf einen versicherten Schaden zurückzuführen, bis zum Betrag von 1000 Franken versichert seien.

Der Versicherer lenkte bezüglich der Deckung über die Hausratversicherung ein und erklärte sich bereit, die Schlossänderungskosten von maximal 1000 Franken abzüglich des Selbstbehalts von 200 Franken zu übernehmen.

Im Antrag nicht schummeln

Ein ganz spezieller Fall betraf den Umstand, dass sich eine Mutter für ihren Sohn als häufigste Lenkerin bei der Motorfahrzeugversicherung angab, um günstigere Prämien für den Junglenker zu erhalten.

Als mit dem Fahrzeug kurz hintereinander zwei Unfälle passierten, fand der Versicherer die Schummelei im Antrag heraus. Er lehnte nicht nur die Schadenzahlungen ab, sondern kündigte auch die Police.

Die Frau machte zwar geltend, dass der Mitarbeiter der Versicherung, welcher den Antrag ausgefüllt hatte, diese Konstellation extra so vorgenommen hätte. Sie konnte es aber nicht beweisen.

Letztlich konnte der Ombudsmann auch nichts machen, weil die Frau nicht mal einen Führerausweis hatte.

Also, so rät der Experte, immer die Antragsfragen korrekt beantworten. Nur so kann die Assekuranz das versicherte Risiko auch korrekt einschätzen.

Unnützer Rechtsschutz

Ein anderer Fall betraf eine für einige Jahre gewählte Richterin im Nebenamt, welche mit der Lohnabrechnung ihres Gerichtspräsidiums für das erste Jahr ihrer Richterinnen-Tätigkeit nicht zufrieden war.

Die geleistete Entschädigung für mehrere Einsätze entsprach im Ergebnis der Bezahlung eines Stundenlohns von rund 34 Franken, was die betroffene Richterin als nicht angemessene und zu tiefe Entlöhnung betrachtet.

Die Richterin wandte sich an ihren Rechtsschutz-Versicherer und teilte diesem mit, dass das zuständige Gerichtspräsidium die für die Entschädigung massgebliche Verordnung ihrer Auffassung nach nicht richtig angewandt habe.

Meinung gegen Meinung

Der Rechtsschutz-Versicherer beauftragte eine Anwaltskanzlei mit der Prüfung der Rechtslage. Diese betrachtete ein Vorgehen gegen den Präsidialentscheid betreffend die Entlöhnung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses als aussichtslos.

Daraufhin ersuchte die Richterin zwei Fachanwälte um ihre Einschätzung der Rechtslage. Beide betrachteten ein rechtliches Vorgehen gegen die als zu tief beanstandete Entlöhnung als erfolgversprechend. 

Nach weiteren Korrespondenzen und Erneuerungen des Gesuchs um Rechtsschutz legte der Rechtsschutz-Versicherer seiner Versicherten dar, dass er sich gemäss den Versicherungsbedingungen durch Bezahlung des materiellen Streitwerts von seiner Leistungspflicht befreien könne.

Der Streitnutzen für das erste Jahr ihrer Anstellung betrage 785 Franken, weshalb ihr dieser Betrag überwiesen werde.

Rüge an Versicherer

Dagegen beschwerte sich die Versicherte und wies daraufhin, dass es sich bei ihrem Arbeitsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handle, was bei einem Auskauf zu berücksichtigen wäre.

Dies lehnte der Rechtsschutz-Versicherer indes mit der Begründung ab, bezüglich künftiger Lohnzahlungen bestehe noch keine Streitigkeit. Versichert seien lediglich bestehende Streitigkeiten. Im Weiteren kündigte der Rechtsschutz-Versicherer die Police der bei ihm versicherten Richterin im Schadenfall.

Der Versicherer teilte auch die Auffassung des Ombudsmanns nicht und hielt an seiner Position fest. Somit scheiterte die Schlichtung.

Allerdings erteilte der Streitschlichter eine regelrechte Rüge an Rechtsschutz-Versicherer.

Diese müssten vor einem beabsichtigten Auskauf ihrer Rechtsschutz-Leistungen immer eine Abwägung zwischen den eigenen Interessen auf wirtschaftliche Erledigung eines Schadenfalls mit den Interessen der versicherten Personen auf Klärung einer Rechtsstreitigkeit vornehmen und nicht vergessen, dass die versicherte Hauptleistung letztlich das Gewähren von Rechtsschutz ist, so der Hinweis.

Skydiving am Geschäftsanlass

Im vergangenen Jahr hatte die Ombudsstelle auch einige Fälle zu beurteilen, in welchen das Vorliegen eines Unfalles im rechtlichen Sinne oder einer unfallähnlichen Körperschädigung umstritten war.

Als unfallähnliche Körperschädigungen gelten Knochenbrüche, Verrenkungen von Gelenken, Meniskusrisse, Muskelzerrungen, Sehnenrisse, Bandläsionen und Trommelfellverletzungen, sofern sie nicht vorwiegend auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen sind. 

Bei einem Geschäftsanlass bekam ein Mann die Gelegenheit zum Indoor Skydiving.

Er war offenbar trotz Anwesenheit eines Instruktors, welcher ihn anleitete, zweimal aus der Balance geraten und dann mit dem Körper auf den netzartigen Boden im Windkanal geprallt.

Unmittelbar nach Abschluss des Fluges sei er sich bewusst geworden, dass etwas nicht stimmte und liess die Beschwerden medizinisch abklären.

Krankenkasse erst nach Franchise

Der Unfallversicherer des Betroffenen verneinte aber eine Leistungspflicht. Es liege keine unfallähnliche Körperschädigung vor. Auch seien nicht alle Merkmale des Unfallbegriffs erfüllt, insbesondere fehle es an einem ungewöhnlichen äusseren Faktor, hiess es.

Bei Unfällen bei der Ausübung eines Sports sei das Vorliegen eines unfallbedingten Ereignisses zu verneinen, wenn sich die mit der betreffenden Sportausübung verbundene Gefahr verwirkliche.

Damit war der Fall erledigt. Der Mann bleib sogar auf den Kosten sitzen, weil letztlich auch seine Franchise bei der Krankenkasse zu hoch war und die Leistungspflicht der Krankenkasse erst nach Ausschöpfung der Franchise einsetzt.

Völlig falsch beraten

Und krass war schliesslich ein Fall bei einer Lebensversicherung.

Eine selbständige Geburtshelferin, die in Finanzfragen unkundig ist, schloss in den Jahren 2016 bis 2019 über eine Versicherungsvermittler-Firma sechs Lebensversicherungspolicen mit einem Prämienvolumen von jährlich fast 71.000 Franken ab.

Dies bei einem durchschnittlichen Einkommen von jährlich rund 100.000 Franken und einem Vermögen inklusive Freizügigkeitsleistungen von rund 90.000 Franken. 

Die Prämien für die abgeschlossenen vier Säule 3a-Policen betrugen jährlich rund 34‘000 Franken. Dies obschon solch hohe Beiträge in die Säule 3a für sie als Versicherungsnehmerin ohne Pensionskasse nur zulässig gewesen wären, wenn sie ein Netto-Erwerbseinkommen von rund 170.000 Franken erzielt hätte.

Schon bald erhielt die Versicherungsnehmerin vom Steueramt jährlich die Aufforderung, einen Teil der Säule 3a-Beiträge vom Lebensversicherer zurückzufordern.

Entgegenkommen der Gesellschaft

Sie wandte sich diesbezüglich allerdings nicht an den Versicherer, sondern an ihre Versicherungsvermittlerin, welche ihr mitgeteilt hatte, bezüglich der zu viel bezahlten Beiträge mit dem Lebensversicherer eine Verrechnung vorgenommen zu haben. 

Da die kinderlose Versicherungsnehmerin niemanden im Todesfall absichern musste, machten aus Sicht der Ombudsstelle insbesondere auch die versicherten Todesfallsummen in der Höhe von insgesamt zirka 1.250.000 Franken keinen Sinn. 

Nach Monaten fanden die Beteiligten eine Lösung bezüglich verschiedener Versicherungsprodukte, welche im Ergebnis ein weitgehendes Entgegenkommen gegenüber der Frau beinhaltete.

Fehlende Schlichtungsstelle

Im vorliegenden Fall ging es nochmals gut. Dies, obschon die haftpflichtrechtliche Hauptverantwortung für die mehrfach erfolgten Falschberatungen bei einer ungebundenen Versicherungsvermittlerin lag.

Eine Ombudsstelle für Meinungsverschiedenheiten mit ungebundenen Versicherungsvermittlern gibt es allerdings in der Schweiz bisher nicht.

20.04.203/kut.

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