Teile der Schweiz gehören gar nicht zum Land

Aussicht auf die Schweizer Berge
In den Schweizer Bergen gibt es Ausnahmen bei den Steuern. (Bild: A. Fietz / pixabay)

Einige Gebiete der Schweiz gelten offiziell als Ausland. Darauf weist eine Behörde zum Jahresanfang hin und Bürger nutzen dies sogar aus.

«Sämtliche Gebiete, die nicht als Inland gelten, sind dem Ausland zuzuordnen.» Das steht so im neuesten Dokument der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV bezüglich der Mehrwertsteuer und lässt aufhorchen.

Negativabgrenzung gefunden

Der am Donnerstag verschickte Bericht zu den Grundsätzen macht klar, dass die Schweizer Mehrwertsteuer – fast logisch – im Ausland keine Anwendung findet.

Doch was ist das Ausland? «Zum Begriff des Auslandes existiert im Mehrwertsteuergesetz keine Definition», schrieben die Beamten kritisch.

Daher ergebe sich die Definition aus der Negativabgrenzung zum Inland und genau da wird es interessant.

Stück Deutschland in der Schweiz

Als Inland gilt nämlich nicht nur das Schweizerische Staatsgebiet, sondern gemäss dem Vertrag von 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein auch das benachbarte Fürstentum. Es ist ein sogenanntes Zollanschlussgebiet. Doch damit nicht genug – auch ein Stück Deutschland gehört quasi zur Schweiz.

Es geht um die Gemeinde Bünsingen am Hochrhein. Deren Bürger wollten im Jahr 1918 an die Schweiz angegliedert werden, doch es kam nicht dazu, weil die Schweiz kein Territorium an das damalige Deutsche Reich abgeben wollte.

Historischer Entscheid

1946 bat das von Frankreich besetzte Bünsingen den Schweizer Bundesrat aber, die Zollgrenze zu der Enklave aufzuheben, weil das Dorf vollkommen von der Schweiz umgeben ist.

Seit 1. Januar 1947 wurde die Zollgrenze mit dem Segen der Franzosen aufgehoben und das deutsche Bünsingen ist seither defacto zum Schweizer Zollgebiet geworden.

Teile von Genf im Ausland?

Doch das sind nicht die einzigen Kuriositäten zum Territorium der Schweiz.

«Der französische Sektor des Flughafens Genf wird wie Ausland behandelt», hiess es kaltschnäuzig von den Schweizer Steuerbeamten, was nichts anderes bedeutet, als dass dieses Schweizer Staatsgebiet praktisch nicht mehr zur Schweiz gehört.

Die berühmten Schweizer Zollfreilager, die auch in der Rhone-Stadt existieren, sind damit noch nicht einmal gemeint.

Ausnahme von der Regel

Was es in Genf am Flughafen gibt, gibt es aber auch in Basel am Euroairport – allerdings etwas komplizierter. Zwar wird dort der Schweizerische Zoll-Sektor wie das Schweizer Inland behandelt – obwohl der Flughafen Basel-Mühlhausen auf französischem Staatsgebiet liegt.

Keine Regel ohne Ausnahme heisst es immer so schön – denn baugewerbliche Lieferungen gelten am Euroairport immer als in Frankreich erbracht.

Für diese gilt also, dass das Gebiet quasi doch nicht zur Schweiz zählt.

Günstigere Lebensmittel

In Graubünden wird das Ganze noch bunter. Die bündnerischen Talschaften Samnaun und Sampuoir sind laut der Behörde nämlich aus dem Schweizerischen Zollgebiet ausgeschlossen und in diesem Gebiet gilt die Mehrwertsteuer nur für Dienstleistungen.

Bezüglich der Lieferungen von Gegenständen gelten die Talschaften Samnaun und Sampuoir aber als Ausland.

Samnaun in Graubünden
Samnaun GR gehört gar nicht richtig zu Schweiz. (Bild: P. Grassi / unsplash)

Dies hat geschichtliche Hintergründe, weil bis zum Jahr 1912 eine direkte Zufahrtsstrasse über Schweizer Gebiet fehlte und sich etwa Lebensmittel mit der Erhebung von Zoll verteuerten.

Ab 1888 gewährte der Bundesrat daher dort eine Ausnahme. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die ab 1. Januar 2024 gilt, wie muula.ch berichtete, lässt die dortigen Bewohner also teilweise kalt.

Bürger werden erfinderisch

In Sampuoir entstand dann auf Schweizer Territorium im Talausgang des Unterengadin aber sogar ein zollfreies Einkaufszentrum.

Das «Acla da Fans» wenige Kilometer von Samnaun gilt mittlerweile als Geheimtipp und liegt quasi ausserhalb des Steuerlandes Schweiz. Viele Bürger nutzen dies zum Shopping ohne Mehrwertsteuer aus.

Wer hätte all dies zu den territorialen Verlusten und Gewinnen der Schweiz gedacht? Wohl kaum jemand.

Es lohnt sich also, die Grundsatzberichte von Behörden zu lesen.

05.01.2024/kut.

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