Auch im Luxus trennt sich die Spreu vom Weizen

Eine Werbung vom Luxusgüterkonzern Hermès
Der Traditionskonzern Hermès fällt mit seiner orangen Farbe auf. (Bild: C. Tsang / unsplash)

Luxusfirmen entwickeln sich sehr unterschiedlich. Im Wettbewerb zwischen Hermès, LVMH, Richemont, Kering & Co. gibt es einen klaren Sieger.

Die Welt des Luxus ist geprägt von Eleganz, Qualität und Exklusivität. Zwei der führenden Akteure in dieser Branche, Hermès und LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy), stehen dabei stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Tradition und Handwerk

Beide Häuser repräsentieren exquisite Handwerkskunst und zeitlose Eleganz, doch ihre Wege zum Erfolg unterscheiden sich. Ein Blick hinter die Kulissen wirft Licht auf die Besonderheiten und Strategien solcher Luxusgiganten.

Hermès, das französische Modehaus mit Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert, verkörpert dabei die Quintessenz traditioneller Handwerkskunst. Das Unternehmen ist bekannt für seine exklusiven Lederwaren, darunter die ikonischen Birkin- und Kelly-Taschen.

Hermès hat sich einen Ruf für zeitlose Schönheit und höchste Qualität erworben, wobei die Produkte oft von erfahrenen Handwerkern in aufwändiger Handarbeit hergestellt werden.

Die Marke setzt auf Exklusivität, indem sie bewusst die Produktionskapazitäten begrenzt und Kunden mit Wartezeiten für begehrte Artikel konfrontiert.

Vielfältiges Markenportfolio

Der Luxusgüterkonzern LVMH hingegen, unter der Führung von Bernard Arnault, hat sich einen Platz als globaler Luxusriese erobert. Das Unternehmen vereint mittlerweile ein beeindruckendes Portfolio von Marken in verschiedenen Segmenten unter seinem Dach, darunter Louis Vuitton, Tiffany, Dior, Givenchy, Moët & Chandon und Hennessy.

Diese Diversifizierung ermöglicht es LVMH, verschiedene Marktsegmente anzusprechen und auf Veränderungen in der Verbrauchernachfrage flexibel zu reagieren.

Die Strategie beruht auf der Schaffung eines Luxusimperiums, das von Mode und Accessoires über Wein und Spirituosen bis hin zu Parfum und Kosmetik reicht. Zum Konzern gehören bereits über 75 Labels.

Wert zeigt sich in Krise

Während Hermès auf limitierte Produktion, Handwerkskunst und Exklusivität setzt, fokussiert sich LVMH auf breite Markenvielfalt und globale Präsenz. Beide Strategien sind erfolgreich, aber ihre Auswirkungen auf die Markenidentität und Wahrnehmung unterscheiden sich. Besonders in einer Krise zeigt sich, welche Vorgehensweise besser ist.

Im Jahr 2023 legten die Aktien von Hermès um rund 33 Prozent zu und machten die Luxusmarke zum besten Wert im Luxussektor. Die Titel von LVMH legten dagegen nur um rund 8 Prozent zu.

Der Umsatz bei Hermès stieg um rund 16 Prozent im dritten Quartal – bei Kering, dem Besitzer von Gucci, ging es dagegen beim Umsatz nach unten.

Drei Interessenten je Tasche

Hermès-Kunden schätzen die Tradition, die mit jedem handgefertigten Produkt einhergeht. Die Wartezeit auf Artikel wird als Teil des exklusiven Erlebnisses betrachtet, und die begrenzte Verfügbarkeit stärkt die begehrte Position der Marke.

Analysen zufolge könnte Hermès für jede Handtasche eigentlich drei Käufer finden.

LVMH hingegen spricht ein breiteres Publikum an, wobei jede Marke ihre eigene Zielgruppe hat. Die Diversifizierung schützt vor Marktschwankungen.

Unverschämte Preiserhöhungen

Beide Luxushäuser sehen sich ähnlichen Herausforderungen gegenüber, darunter die digitale Transformation, Nachhaltigkeitsanforderungen und die Bewältigung von globalen Krisen. Während Hermès in guten Zeiten bewusst die Preise nicht so stark erhöht, werden andere Hersteller meist gierig.

Als der Preis einer Chanel-Handtasche plötzlich jenen des Birkin-Modells von Hermès übertrumpfte, löste dies quasi einen Handtaschen-Krieg in der Luxuswelt aus, wie muula.ch unlängst berichtete.

Chanel hatte innerhalb von zwei Jahren die Verkaufspreise rund 60 Prozent erhöht und war damit über den Preis einer Birkin-Handtasche gekommen, weil Hermès im gleichen Zeitraum die Preise nur um 2,5 Prozent erhöht hatte.

Marketing im Hintergrund

Hermès investiert auch in Boom-Zeiten nur rund vier Prozent seines Umsatzes in Marketing, was Understatement bedeutet.

Selbst die markante Farbe Orange ist bei Hermès bloss auf einen «Unfall» zurückzuführen und keine clevere Marketing-Idee, denn nach dem Krieg gab es einfach keine andere Farbe für den Pariser Luxuskonzern.

Bei LVMH sind es rund 12 Prozent des Umsatzes für Marketing, wie unlängst das «Wall Street Journal» in einer Analyse zum Luxusgütermarkt schrieb.

Kunden auf der Lauer

Wenn es einen Abschwung der Konjunktur gibt, wie etwa 2009 nach der jüngsten Finanzkrise, und der Markt für Luxusgüter um rund 7,5 Prozent schrumpft, prallt die Krise dann am Maison Hermès regelrecht ab.

Der Pariser Konzern legte beim Umsatz im Jahr 2009 sogar um 8,4 Prozent zu, spürte die Verkaufskrise nur bei Einstiegsprodukten, wie Parfum, Accessoire sowie Krawatten, und gewann sogar Marktanteile.

Die wartende Kundschaft schlägt in solchen Zeiten des Abschwungs eben bei Hermès-Produkten zu, während die Möchtegern-Luxuskundschaft um Neureiche den Luxuskonsum zurückfahren müssen.

Doppelt so gute Kennzahl

Die Aktien von Hermès, die in jüngster Vergangenheit für viel Schlagzeilen gesorgt haben, weil ein Erbe des Familienimperiums im Wallis, der Milliardär Nicolas Puech, seinen Hausangestellten mit seinem Vermögen beglücken will, zeigen auch, dass sie über vierzigmal den prognostizierten Gewinn verkörpern.

Bei LVMH und Kering kommt das Kurs-Gewinn-Verhältnis «bloss» auf das Zweiundzwanzig- beziehungsweise Siebzehnfache. Der Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont liegt mit seinen Marken Cartier, Montblanc, IWC & Co irgendwo dazwischen.

Wunsch grösser als Vernunft

In einem sich ständig wandelnden Luxusumfeld bleibt letztlich die Frage offen, welche Strategie nachhaltig den Erfolg sichert – die Exklusivität von Hermès oder etwa die Vielfalt von LVMH.

Eines ist jedoch sicher: Die Welt des Luxus wird weiterhin von diesen renommierten Häusern geprägt, die den Standard für Eleganz, Exklusivität und Raffinesse setzen, aber sich dabei doch fundamental unterscheiden.

Alle Luxusfirmen haben dabei aber einen Punkt gemeinsam. Es ist der Wunsch der Kundschaft, all diese Luxusprodukte besitzen zu wollen, und dieser Wunsch ist stärker als jede Vernunft.

Und damit ist der Kunde praktisch der Sieger.

06.01.2024/kut.

Auch im Luxus trennt sich die Spreu vom Weizen

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