Die Schweiz muss sich wieder einmal zwischen Geld oder Politik entscheiden. Ein anderes neutrales Land zeigt, dass dies selbst im Nahostkonflikt möglich ist.
Die Angelegenheit ist an Brisanz kaum zu überbieten. Norwegens Staatsfonds erwägt, sich aus israelischen Banken zurückzuziehen.
Nach Dokumenten, welche die «Welt am Sonntag» einsehen konnte, erwägt der Norwegische Staatsfonds den Rückzug von Investitionen aus israelischen Banken, wenn diese durch ihre Kreditvergabe zum Siedlungsbau in den seit 1967 besetzten Palästinensergebieten beitragen.
Alle Banken betroffen?
Demnach empfiehlt der Ethikrat des Fonds diesen Schritt. Der letztliche Entscheid liege aber bei der Norwegischen Zentralbank, die dem Finanzministerium unterstehe, schrieb das Blatt am heutigen Samstag.
Cecilie Hellestveit, Mitglied in dem Ethikrat, erklärte gegenüber der Zeitung, bei der Überprüfung gehe es nur um einzelne wenige Banken in Israel, die genau in diesem Segment tätig seien.
In Israel fürchtet man jedoch, dass in der Folge alle israelischen Banken betroffen sein könnten, weil es diesen gesetzlich verboten ist, Kreditanfragen aus politischen Gründen abzulehnen. So könnten Kreditvergaben für den Siedlungsbau nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, hiess es.
Besorgnis in der Politik
Norwegens Staatsfonds ist mit einer Gesamtsumme von mehr als 500 Millionen US-Dollar einer der grössten europäischen Investoren in Israel.
Das israelische Aussenministerium erklärte auf Anfrage der deutschen Zeitung: «Dies ist eine besorgniserregende Angelegenheit, die wir mit aller Ernsthaftigkeit behandeln, während wir uns mit allen relevanten Regierungsstellen abstimmen.»
Die Schweizer Banken in der Region stehen nun vor schwierigen Entscheiden. «Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral», hatte schon Bertolt Brecht in seiner «Dreigroschenoper» das Problem knallhart umschrieben.
Grossbanken voran
Sollen die Schweizer Kreditinstitute in die Lücke bei der Finanzierung in Israel springen oder sollen sie sich der politischen Hauptmeinung der Weltgemeinschaft anschliessen und nicht zum Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten beitragen?
Zahlreiche Schweizer Geldinstitute sind in Israel aktiv – allen voran die Grossbanken UBS und Credit Suisse. Somit wird die Schweizer Finanzwelt sicher auf ihre Position schauen.
Schweiz kann auch anders
All dies ist nun ein schwieriger Spagat, weil sich die Schweiz häufig für das Geld und nicht für die politischen Prinzipien entscheidet.
Doch da gibt es durchaus auch Ausnahmen. Die Schweiz zeigte nämlich unlängst Grösse, als die USA unter der Führung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump ihre Entscheide getroffen hatten, einseitig Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen sowie die israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht mehr grundsätzlich als Verletzung des Völkerrechts zu betrachten.
Fatale Wirtschaftsfolgen
Das Eidgenössische Aussendepartement EDA kochte damals vor Wut. Und selbst in der UNO-Generalversammlung stimmte die Schweiz bei einer entsprechenden Resolution gegen die USA, was schon ein einmaliger Vorgang gewesen war. Die wirtschaftlichen Folgen für die Schweiz hätten fatal sein können.
Nun zeigt Norwegen mit seiner Vorgehensweise bezüglich Israel, dass ein auf Neutralität bedachtes Land aber sogar noch weiter gehen kann.
07.01.2023/kut.