Die Wiederaufnahme des Flugbetriebs nach der Coronavirus-Krise hat kaum irgendwo gut funktioniert. Doch ausgerechnet vom wahrscheinlich chaotischsten Flughafen Europas können sich Schweizer Airports nun eine Scheibe abschneiden.
Der Airport Schiphol ist über Wochen kaum aus den Negativschlagzeilen herausgekommen. Reisenden verpassten beim Umsteigen in Amsterdam wegen Schlangen an Sicherheitskontrollen ihre Anschlussflüge. Die Zahl der maximalen Reisenden pro Tag musste begrenzt werden. Und Gepäck war zudem oftmals tagelang nicht aufzufinden.
Die wichtigste Fluggesellschaft an dem Airport, KLM, forderte ihre Passagiere sogar auf, gänzlich ohne Aufgabegepäck zu reisen. Die Bilder von den Warteschlangen der Reisegäste an den Schaltern und Sicherheitskontrollen gingen obendrein um die Welt.
Vergleichbar mit Schweiz
In der Schweiz war die Situation zwar nicht ganz so ausgeprägt. Allerdings war der Flugbetrieb an den Schweizer Flughäfen ebenfalls erheblich gestört. Doch nun können sich die Schweizer Airports ausgerechnet vom «hässlichen Entlein» Schiphol in Amsterdam eine Scheibe abschneiden.
Der Amsterdamer Hauptflughafen hat nämlich punkto Kundenzufriedenstellung eine komplette Kehrtwende eingeschlagen.
Trotz der ergriffenen Massnahmen mit Zusatzpersonal sei es in den vergangenen Wochen und Monaten nicht möglich gewesen, den Betrieb zu normalieren und daher sei es an Sicherheitschecks zu langen Warteschlangen gekommen, Passagiere haben ihre Flüge verpasst und mussten Zusatzkosten in Kauf nehmen, führte Schiphol in einer viel beachteten Medienmitteilung aus.
Alles wird erstattet
Daher würden alle Flugäste, die vom 23. April bis 11. August von den Unannehmlichkeiten negativ betroffen waren und weder von Airlines oder von Versicherungen eine Kompensation erhalten haben, aufgerufen, ihre Mehrkosten für neue Flüge, Alternativtransport oder Unterbringung beim Flughafen Amsterdam zur Erstattung einzureichen.
Selbst wenn man wieder nach Hause fahren und nochmals an den Flughafen anreisen musste, könnten Zusatzausgaben geltend gemacht werden, hiess es.
Aussergewöhnliche Aktion
Zwar behält sich Schiphol im Kleingedruckten vor, nur «angemessene» Auslagen zu ersetzen oder in Einzelfällen ganz von einer Erstattung Abstand zu nehmen, doch die Geste ist aussergewöhnlich.
Statt die Reisenden nochmals hängen zu lassen und bloss auf Airlines und Versicherer zu verweisen, geht der Amsterdamer Flughafenbetreiber nunmehr selbst in die Verantwortung. Auch zahlt er nicht nur in Einzelfällen, wo Passagiere etwa gerichtlich gegen die Firma vorgehen, sondern bringt eine generelle Erstattungslösung.
Die Kosten würden innerhalb von maximal sechs Wochen ganz oder teilweise auf ein angegebenes Konto erstattet. Rund 1500 Anträge seien bereits eingegangen, hiess es in Medienberichten.
Künftige Kunden im Visier
Zwar heisst in manchen Meldungen auch, die Musteraktion sei nicht ganz freiwillig, sondern auf Druck von Verbraucherschützern zustanden gekommen. Dennoch hat der Flughafenbetreiber selbst ein Interesse, dass Passagiere bei künftigen Reisen aufgrund ihrer negativen Erfahrungen nicht Amsterdam als Startflughafen oder Umsteigeort von vorneherein ausschliessen.
Und genau da kommt auch die Schweiz ins Spiel. Denn die Flughäfen hierzulande leben ebenfalls von Umsteigepassagieren, bei denen sich die Betreiberfirmen im Falle der Schwierigkeiten auch grosszügig zeigen könnten. Andernfalls meiden Passagiere eben künftig Drehkreuze wie Zürich oder Genf.
Da die Antragsfrist in Amsterdam mit dem 30. September ohnehin relativ knapp gehalten ist, dürfte sich die Antragsflut insgesamt in Grenzen halten und das negative Thema ist für den Flughafen Schiphol somit ziemlich rasch erledigt.
19.08.2022/kut.