In Bern ist ein Bericht zum Untergang der Credit Suisse aufgetaucht. Dabei kommt Brisantes ans Tageslicht, doch Vieles soll geheim bleiben.
Die Geschäftsprüfungskommissionen GPK der eidgenössischen Räte haben diese Woche ihren Jahresbericht 2023 präsentiert und kaum jemand hat die Brisanz im Communiqué bemerkt.
Die GPK behandelten 2023 nämlich verschiedene Themen, zu denen bisher nicht kommuniziert wurde, hiess es gleich zu Beginn etwas kryptisch.
Es verschlägt die Sprache
Zu diesen Themen gehörte aber auch die Rolle der Bundesbehörden bei der Übernahme der Credit Suisse (CS), erklärten die Präsidenten der Kommissionen Erich Hess vom Nationalrat sowie Charles Juillard vom Ständerat.
Und einige Aussagen im Jahresbericht 2023 lassen Leser dann ab Seite 25 fast den Atem erstarren.
Am 19. März 2023 gab die Grossbank UBS an einer vom Bundesrat einberufenen Medienkonferenz bekannt, dass sie bereit sei, die CS zu übernehmen, hiess es noch locker als Einführung.
«Diese Ankündigung folgte auf eine Woche der Unsicherheit an den Finanzmärkten, in welcher die Aktie der Credit Suisse an einem Tag um bis zu 30 Prozent eingebrochen war, wodurch sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) gezwungen sah, der Bank Liquidität von bis zu 50 Milliarden Franken bereitzustellen», steht wörtlich im Jahresbericht der GPK.
Bisher hiess es jedoch offiziell, die CS habe um diese Liquidität im Austausch von Sicherheiten gebeten. Die Schweizer Zentralbank beteuert zudem bis heute, nie aktiv agiert zu haben.
Schweiz wollte Grossbankenfusion
Zur Notfusion schrieben die Parlamentarier dann weiter im Dokument: «Der Bundesrat hatte die Vorarbeiten zu dieser Übernahme aktiv gesteuert.»
Auch das ist neu, denn bisher war es Finanzministerin Karin Keller-Sutter, welche diese Notfusion orchestrierte, und dann der Landesregierung als beste Lösung präsentierte.
Von einer aktiven Steuerung der Grossbankenfusion war in der Schweiz bisher keine Rede gewesen.
Präsident, SNB und Finma
Nach der Ankündigung des Massnahmenpaketes der Schweiz beschlossen die GPK, Vorabklärungen vorzunehmen, um Informationen über die Chronologie der Ereignisse sowie über die Geschäftsführung der Bundesbehörden im Vorfeld und im Kontext dieser Krise zu erhalten.
Die GPK führten dabei laut ihrem Jahresbericht verschiedene Anhörungen durch, in denen sie enorm viele Personen befragten.
Dazu zählten der damalige Bundespräsident Alain Berset, die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements Karin Keller-Sutter sowie Vertreter von SNB und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma).
Sie sollten jeweils ihre Rollen beim Monitoring der Schwierigkeiten der CS ab Herbst 2022 sowie in der eigentlichen Krise erklären.
Externer Berater hinzugezogen
Zur Frage der Anwendung von Notrecht im vorliegenden Fall sei zudem das Bundesamt für Justiz und ein externer Experte angehört worden, hiess es.
Zu guter Letzt führte die Arbeitsgruppe «Risikomanagement Bund» der GPK eine Anhörung des Bundespräsidenten und zuständiger Vertreter der Verwaltung durch, die es den Kommissionen ermöglichte, das Management der Credit-Suisse-Krise in den breiteren Kontext des Risikomanagements des Bundes zu stellen.
Von all solchen Arbeiten und der Befragung eines offenbar juristischen Sachverständigen war bisher öffentlich nichts bekannt.
Umstände der Beschlüsse klären
Die beiden GPK stellten dann an ihrer Sitzung vom 15. Mai 2023 aufgrund der Informationen, die sie im Rahmen ihrer bisherigen Arbeiten erhalten hatten, die Notwendigkeit vertiefter Abklärungen fest, hiess es weiter. Offenbar gab es viele Ungereimtheiten.
Diese Abklärungen sollten insbesondere dazu dienen, den Untersuchungsrahmen auf relevante Entwicklungen der Vorjahre auszudehnen.
Dabei wollten die Politiker etwa Aspekte, wie die Früherkennung von Krisen durch das EFD und den Einbezug des Bundesrates, die Beaufsichtigung der CS durch die Finma, die Rolle der SNB, die Anwendung von Notrecht, die Evaluation und das Monitoring der Wirkung des Too-big-to-fail-Rechts (TBTF) sowie die Umstände der Beschlussfassung im März 2023 näher beleuchten.
Rechte der Befragten als Problem
Die Vorabklärungen der GPK wurden dann aber sofort eingestellt, als die eidgenössischen Räte am 7. beziehungsweise am 8. Juni 2023 die Einsetzung der Parlamentarischen Untersuchungskommision PUK beschlossen.
Im Rahmen ihrer Vorabklärungen hatten sich die GPK auch mit den Informations- und Verfahrensrechten einer PUK befasst, um zu klären, inwieweit sich eine später eingesetzte PUK auf allfällige Vorarbeiten der GPK stützen könnte.
Da eine PUK über weitergehende Informationsrechte verfügt, gehen auch die Rechte der Betroffenen bei einer PUK weiter, als dies bei Verfahren der GPK der Fall ist.
Kniff der Parlamentarier
So dürfen die GPK Informationen – insbesondere Anhörungsprotokolle und darauf basierende Arbeitspapiere – nur dann an eine PUK weitergeben, wenn es diese ausdrücklich verlangt, die von diesen Dokumenten betroffenen Personen eingewilligt haben.
Auch der Bundesrat müsste erst konsultiert werden und seine Zustimmung zur Weitergabe geben. Das ist aber offenbar alles nicht erfolgt und die GPK griffen zu einem Kniff.
Nach dem geltenden Recht und den anwendbaren Verfahren sei es den GPK nämlich gestattet, vor der Einsetzung einer PUK ihre Erkenntnisse in einem Bericht zu publizieren oder die PUK über das Vorgehen der Kommissionen bei den Vorabklärungen zu informieren.
Als Verschlusssache deklariert
Die GPK erstellte dann tatsächlich nach Abschluss ihrer Arbeiten einen Kurzbericht zuhanden der PUK, welcher den Ablauf und die Leitlinien der Vorabklärungen zusammenfasst und einen Überblick über die durchgeführten Anhörungen, die erstellten Dokumente und die gesammelten Informationen bietet.
Von einem Kurzbericht kann angesichts der langen Liste der Personen, die befragt wurden, aber dabei sicher kaum mehr die Rede sein.
muula.ch wollte Einsicht in diesen «Kurzbericht» haben.
Doch SVP-Nationalrat (BE) und Präsident der GPK-NR Hess machte auf die Anfrage des Wirtschaftsnews-Portals klar, dass dieser Bericht unter Verschluss bleibe.
Beschluss fehlt
Allenfalls könnte der GPK-Geheimbericht zur Rolle der Bundesbehörden beim Untergang der CS nach der Publikation der Resultate der PUK öffentlich gemacht werden, hiess es. Dafür bräuchte es aber noch einen Beschluss der GPK, erklärte der Nationalrat weiter.
Zu den Gründen, weshalb die Öffentlichkeit diesen Bericht der GPK nicht haben könnte, und zum Inhalt des Dokuments schwieg der SVP-Politiker.
Auch ein Gesuch um Einsichtnahme nach dem Öffentlichkeitsgesetz sei zwecklos, sagte er.
Volk darf nur zahlen
Aber nur schon mit den neuen Fakten erscheint der Untergang der CS in völlig neuem Licht. Bisher war von einer aktiven Rolle der SNB und des Gesamtbundesrates nichts zu hören gewesen.
Mit noch mehr Fakten aus dem vollständigen Bericht hätte das Volk noch mehr Wissen zur jüngsten Grossbankenkatastrophe. Warum die Menschen in diesem Land diesen Bericht nicht erhalten, leuchtet ohnehin nicht ein.
Schliesslich haben sie ihn und den Untergang der CS vollständig bezahlt.
02.02.2024/kut.