Die Expertenkommission Bankenstabilität hat ihren Bericht vorgelegt. An der Arbeit wird immer mehr Kritik laut.
Die «Expertenkommission» Bankenstabilität hat unter der Leitung des Basler Wirtschaftsprofessors Yves Lengwiler eine Analyse zum Untergang der Krisenbank Credit Suisse (CS) vorgelegt.
Das Mandat des Bundesrates, der die Spezialisten beauftragt hat, liess bewusst grosse Freiheiten – genutzt haben die acht «Experten» ihre Chancen aber nur wenig, denn vielerorts wird mittlerweile Kritik laut.
Viele Ungereimtheiten
Der fast 100-Seiten starke Abschlussbericht ist ein Sammelsurium von Banalitäten zum Finanzplatz und deutet Schwachstellen nur an.
Auf wichtige Fragen, wie jene, warum die Behörden den Abwicklungsplan der CS für Notfälle nicht angewendet haben, gibt es keine Antworten.
Auch der Umstand, warum die Schweizerische Nationalbank SNB der Grossbank UBS während ihrer Rettungsaktion im Jahr 2008 völlig wertlose Subprime-Papiere zu einem Utopiepreis abgekauft hat – aber der Krisenbank CS, die eigentlich vollkommen solvent war, ausreichende Liquidität nur gegen Sicherheiten und nur mit Abschlägen gewähren wollte, wird zudem nicht geklärt.
Keine Unabhängigkeit
Die gefundenen Hauptpunkte der «Experten», wo die Schweiz nachbessern sollte, also etwa bei der Bankenaufsicht, der Zusammenarbeit der Behörden und bei der Bereitstellung von Liquidität durch die Schweizerische Nationalbank SNB, waren eigentlich auch alle längst bekannt.
Da auch Vertreter von Banken in der Kommission sassen und das bankenhörige Staatsekretariat für internationale Finanzfragen SIF die Infrastruktur zur Verfügung gestellt hat, verwundert es kaum, dass etwa knallharte Forderungen nach der Erhöhung von Eigenkapital systemrelevanter Banken auf 20 oder auf sogar 30 Prozent gar nicht erst auf den Tisch kamen.
Option ausgeblendet
Das naheliegendste Szenario für die Rettung der Krisenbank, nämlich einfach die Bereitstellung von ausreichender Liquidität durch die SNB, analysierten die Beteiligten gar nicht.
Die Experten sind von ihren Gesprächspartnern auf die falsche Fährte mit den ausschliesslichen Optionen einer Sanierung nach der «Too Big To Fail»-Regulierung, einer Verstaatlichung und der Notfusion mit der Konkurrentin UBS geführt worden.
Der Luzerner Ökonom am Schweizer Institut für Wirtschaftspolitik IWP Adriel Jost geht in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom heutigen Montag sogar so weit, dass er sagt, den Abschlussbericht der Expertenkommission hätte auch die Schweizerische Bankiervereinigung SBVg, also das Sprachrohr der Banken, schreiben können.
Das wäre dann den Steuerzahlern billiger gekommen, als dass diese acht Persönlichkeiten monatelang durch die halbe Welt jetten mussten und ihre Gespräche geführt hatten.
Fragen über Fragen
Die wichtige Rekonstruktion der genauen Abläufe, über das öffentlich Bekannte hinaus, fehlt zudem.
Wer hat wann mit wem über was ganz genau telefoniert? Wann hat die UBS der CS ein konkretes Übernahmeangebot gemacht? Welchen Schacher gab es am Ende bei den staatlichen Zugaben zum Notmerger?
Warum wurde kein Auslandsangebot bei der Fusion zugelassen? Gab es da etwas zu verheimlichen? Wollte die Schweiz mit dem ganzen Fusionszirkus verhindern, dass Araber bei der systemrelevanten Bank künftig das Sagen haben?
SNB-Chef Thomas Jordan schlüpft laut dem Ablaufplan für Notsituationen trotz der Unabhängigkeit der Nationalbank unter die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Wurde er überrumpelt?
Fragen über Fragen – die vermeintlichen Experten bringen keine Antworten.
Falsche Gespräche
Interessant ist an dem Report letztlich eigentlich nur die Liste der Personen, mit denen sie gesprochen haben. Das waren alles Beteiligte am Untergang der CS, welche die Notfusion umgesetzt beziehungsweise favorisiert haben. Andere Sichtweisen gibt es keine.
Befragungen von Untergebenen der Chefs, die möglicherweise andere Entscheide favorisiert hätten, fehlen ebenfalls. Den Basler Professor Lengwiler, der nicht selten die SNB kritisiert, haben die Schweizer Beamten mit der komplexen Analyseaufgabe obendrein schön angeschmiert und damit eigentlich für immer auch auf das Abstellgleis geschoben.
Staatsbankrott in Sichtweite
Bereits am Wochenende hatte sich der Berner Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti, ein Bankenexperte, zum wiederholten Male gemeldet und erklärt, dass die fusionierte Grossbank UBS für die Schweiz viel zu gross ist und die Schweiz unbedingt eine Lösung für die neue Staatsbank finden müsse.
Der Schweiz drohe ein Staatsbankrott, sagte Brunetti etwa der «NZZ am Sonntag». Das Land müsse die entscheidende Frage klären, ob die UBS in einem Krisenfall ohne Staatshilfe in den Konkurs geschickt werden könnte, hiess es weiter.
Volk schluckt alles
Die UBS bekomme gratis eine Staatsgarantie, wie auch muula.ch bereits mehrfach berichtete, die laut dem Wirtschaftsexperten «mehrere Milliarden jährlich wert sein» dürfte.
«Sowohl das Management wie die Investoren wissen, dass die Bank in der Krise gerettet würde», so Brunetti zu der unfairen Behandlung der Grossbank gegenüber anderen Unternehmen.
Den Politikern scheint all dies egal zu sein, weil eine allfällige Krise mit der Monsterbank UBS erst nach ihren Amtszeiten aufkommen dürften.
Und die wahre Ursache für den Untergang der CS haben die vermeintlichen Experten aber noch gar nicht gefunden. Doch darüber wird muula.ch bald berichten.
04.09.2023/ena.