Das Image des Finanzplatzes Schweiz ist wieder in Gefahr

Credit Suisse Hauptsitz
Genau um die Unabhängigkeit geht’s, schreibt Credit Suisse am Zürcher Paradeplatz. (Bild: muula.ch)

Die Grossbank Credit Suisse kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Neueste Entwicklungen zeigen, dass es offenbar keinen Boden in dem Fass gibt. Muss der Regulator einspringen?

«Unabhängig bleiben» prangt am Züricher Paradeplatz als Slogan vom Hauptsitz der Grossbank Credit Suisse.

Und «unabhängig bleiben», müsste mittlerweile wohl auch die Antwort des kriselnden Schweizer Geldhauses lauten, wenn man das Management um Konzernchef Ulrich Körner zu seinen Hauptängsten befragt.

Finma gefordert

Die Missstände innerhalb des Kreditinstituts nehmen nämlich Dimensionen an, die eigentlich einen ordnungsgemässen Geschäftsbetrieb nicht mehr garantiert erscheinen lassen und die Aufsichtsbehörde, die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma, mit drastischen Massnahmen auf den Plan rufen müsste.

Die Rede ist nicht nur von einem Jahresverlust von über 7 Milliarden Franken, wie auch muula.ch berichtete.

Die Rede ist nicht nur von einem praktischen «Bankrun», der die regulatorischen Vorschriften mancherorts untergrub, wie muula.ch exklusiv berichtete.

Und die Rede ist nicht mehr nur von Missständen, wie windige Geschäfte in Afrika beziehungsweise mit einem Drogenkönig aus Bulgarien oder das ganze Kapital um die CS-Beschattungsaffäre.

In die Pfanne hauen

Es geht um das eigene Personal, das dem Arbeitgeber immer weniger loyal ist. Dies illustriert ein neuer Skandal, nämlich ein Datenleck, das offenbar schon vor langer Zeit intern entdeckt worden war, wie zahlreiche Medien nun berichteten und die CS bestätigte. 

Demnach informierte der Schweizer Finanzkoloss die Belegschaft, dass ein früherer CS-Mitarbeiter vor einigen Jahren die Daten zahlreicher Angestellter auf ein persönliches Gerät kopiert und damit gegen Richtlinien der Bank verstossen habe.

Lange Geheimnis gehütet

Zwar gebe es bis dato keine Anzeichen für eine erfolgte Weitergabe oder für eine entsprechende Absicht, die Daten in irgendeiner Weise zu nutzen. Jedoch gehe es bei dem Datenmaterial aus den Jahren 2013 bis 2016 auch um heikle Informationen, wie AHV- und wohl sogar Kontonummern, aber auch Löhne und Boni.

Die Grossbank erfuhr bereits im Jahr 2021 von dem Vorfall in Indien. Das Geldhaus habe die Angelegenheit aber erst gründlich untersuchen wollen, bis nunmehr die Belegschaft informiert wurde, hiess es zur Verteidigung. Die CS habe auch rechtliche Schritte eingeleitet.

Zig Informanten der Presse

Das ist schon nicht angenehm für eine Firma, wenn ein Mitarbeiter solche Daten entwendet. Was aber noch viel schlimmer erscheint, ist der Umstand, dass offenbar zahlreiche Angestellte das interne Schreiben direkt an das Finanzportal «Inside Paradeplatz» weitergegeben haben, um die Öffentlichkeit über den Vorfall bei der Grossbank zu informieren.

«Eine solche Lawine innert weniger Minuten ist erstaunlich», führte der Finanzblog aus, als zig Angestellte die interne Nachricht der CS an das Medium schickten.

Interna nach aussen

Das sind klare Anzeichen, dass der indische IT-Mitarbeiter kein Einzelfall bezüglich fehlender Loyalität zum Arbeitgeber ist. Da es sich um Interna der Bank handelt, könnte man noch sagen, na ja, nicht so wild.

Es betrifft ja die Belegschaft um die rund 50.000 Personen selbst. Das Gleiche könnte aber wahrscheinlich auch mit Kundendaten passieren.

Falsche Reaktion?

Doch die Situation bei der Credit Suisse ist schlimmer, weil das Geldhaus merkwürdige Reaktionen an den Tag legt. Wie bereits vor einiger Zeit bekanntgeworden, geht das Kreditinstitut mit einer Monter-Klage gegen das Portal «Inside Paradeplatz» und gegen den verantwortlichen Journalisten Lukas Hässig vor.

Regelmässig gelangen nämlich Interna aus der Bank an dieses Medium und Bankangestellte kommentieren seine Beiträge.

Nun erwähnt das linke Berner Portal «infosperber.ch», dass die CS aber auch gegen eine andere Veröffentlichung rechtlich agiert.

Boten schlechter Nachrichten

Die Quelle von «Swiss Secrets», welche die illustre Kundengalerie bei der CS von russischen Oligarchen & Co. publik machte, sei ebenfalls rechtlich belangt worden, hiess es dort.

Statt intern aufzuräumen, weiss sich das Management der Grossbank also nicht mehr anders zu helfen, als die Boten schlechter Nachrichten mundtot machen zu wollen. Mancher fragt sich, ob die Prioritäten da stimmen.

«FT» bleibt aussen vor

Doch dabei geht die Bank wohl selektiv vor. Als Gerüchte über die fehlende Kapitalstärke der CS unlängst die Runde machten, die ohnehin meist von der britischen Presse ausgehen, sah die Bank aber keinen Grund, rechtlich etwa gegen die «Financial Times» zu agieren.

Jedenfalls ist dies bisher nicht ans Tageslicht getreten. Der Aktienkurs der Credit Suisse reagierte auf die Gerüchte aber sofort.

Warum eilten die Anwälte der Grossbank nicht umgehend dort hin? Will sie es sich mit der englischsprachigen Presse nicht verderben? All dies ist intransparent.

Abläufe intransparent

Die jüngsten Informationen zum Datenleck eines Mitarbeiters, der das Unternehmen in der Zwischenzeit verlassen hat, zeigen aber auch, wie schlecht die Geschäftsprozesse funktionieren. Das Datenleck wurde lange gar nicht bemerkt und ist aber intern seit dem Jahr 2021 bekannt.

Die Information darüber an Betroffene ging nun erst am 13. Februar 2023 raus.

All dies dürfte vielerorts Stirnrunzeln verursachen. Weltweit steht in den Augen von Beobachtern wieder einmal der gute Ruf des Schweizer Finanzplatzes auf dem Spiel – diesmal allerdings nicht um die Grossbank UBS, wie während der jüngsten Finanzkrise.

Diesmal ist es der andere Platzhirsch, die CS, der den Ruf stark beschädigen könnte.

Schwieriger Spagat

Gewiss muss CS-Konzernchef Körner das kriselnde Geldhaus in ruhigere Fahrwasser bringen. Dazu gehört sicher auch, rechtlich gegen Datenlecks und Falschmeldungen vorzugehen. Doch das Wichtigste wäre eigentlich, dass die systemrelevante Bank intern aufräumt.

Wie schwierig der Spagat dabei ist, zeigt sich am neuesten Vorfall, denn mit Körners Sparprogramm und dem damit verbundenen Stellenabbau dürfte die Loyalität so mancher CS-Arbeitsbiene wohl leiden.

Druck vom Kapitalmarkt

Mit dem Slogan «Unabhängig bleiben» könnte es somit für die CS eventuell schon bald vorbei sein. Ein von der Finanzmarktaufsicht eingesetzter Sachverwalter wäre nämlich angesichts der Entwicklungen vielleicht gar keine so schlechte Idee.

Er könnte das systemrelevante Geldhaus mit gewissem Respekt von allen Seiten und ohne Druck vom Kapitalmarkt wieder in geordnete Bahnen führen. 

Damit wäre eigentlich die grosse Stunde der Finma gekommen, denn das Image des Finanzplatzes Schweiz ist mittlerweile sicher wieder in Gefahr.

15.02.2023/kut.

Das Image des Finanzplatzes Schweiz ist wieder in Gefahr

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