Chinas Rache am Jungfraujoch

Eine Reise zum Jungfraujoch ist unvergesslich. (Bild: PD)

Die Ausgewogenheit bei den Kunden ist eines der obersten Prinzipien für Unternehmen. Bei den Jungfraubahnen zeigt sich, wie fatal die Verletzung dieses Grundsatzes sein kann.

Im September 2015 performte die insbesondere in China bekannte Sängerin G.E.M., «Get Everybody Moving», auf dem Jungfraujoch.

Chinas wohl begehrtester Musikstar liess den Auftritt in die Heimat übertragen und Millionen von Fans sahen sich die chinesischen Pop-Rock-Hits auf dem Aletschgletscher sogar im Internet an.

Doch dies waren nicht die einzigen Schlagzeilen der Jungfraubahnen, bei denen es um das Anlocken von Touristen aus China ging.

Rackern um Chinesen

«Auch Berge können sich verschwestern», titelte auch schon die «Jungfrau Zeitung» als das Jungfraujoch eine Partnerschaft mit dem Unesco-Weltnaturerbe Huangshan Mountain, einem Bergmassiv in China, einging.

«Die Jungfraubahnen bearbeiten den Markt China bereits seit 1996 aktiv und haben in den 1990er-Jahren Pionierarbeit im Aufbau dieses Reisemarktes geleistet», sagte Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen, dem Lokalblatt.

Die Jungfraubahnen verfügten sogar über eigene Vertretungen in China, hiess es weiter.

Diversifikation nötig

Doch dann kam die Coronavirus-Pandemie und zeigte Firmen, dass es trotz boomender Einnahmen mit einer Kundengruppe nicht immer gut ist, nur auf ein Segment zu setzen.

Die Gastwirte von Luzern bis zum Jungfraujoch merkten nämlich plötzlich, dass ihnen das Geschäft mit Chinesen vollständig weggebrochen ist und sie sich viel zu wenig um die einheimische Kundschaft oder Gäste aus den Nachbarländern gekümmert hatten.

40 Prozent fehlen

Nun jammerten am heutigen Mittwoch denn auch die Jungfraubahnen, dass ihnen immer noch Gäste aus China fehlten. Zwar besuchten im Jahr 2022 rund 625.000 Gäste das Jungfraujoch – Top of Europe, was immerhin rund 71 Prozent mehr als im Jahr 2021 waren.

Dies seien aber immer noch rund 40 Prozent weniger Gäste als vor der Coronavirus-Pandemie, hiess es weiter.

Keine Visa und keine Flüge

Zur starken Frequenzsteigerung im vergangenen Jahr hätten die Gästezahlen aus verschiedenen Märkten Asiens und den USA beigetragen, teilte die Firma zudem mit. Allerdings liege die Zahl der Gruppenreisenden nach wie vor deutlich unter jenen des Vorkrisenniveaus.

Als Begründung für die Missstände musste herhalten, dass es international weiterhin nicht genügend Flugverbindungen in die Schweiz gebe.

Im Halbjahresbericht 2022 hatte die Jungfraubahn ausserdem noch als Ursache geschrieben, dass die Besucherzahl 57 Prozent unter jener von 2019 liege, weil es Engpässe bei der Visa-Ausstellung gebe.

Doch Chinesen können erst aufgrund der Lockerungen bei der staatlichen Null-Covid-Politik seit wenigen Tagen überhaupt wieder in grösserem Stil reisen.

Der starke Fokus auf Touristen aus dem Reich der Mitte war somit riskant. Insofern rächt sich China nun direkt beim Jungfraujoch.

Weitere Rückschläge

Die Jungfraubahn-Gruppe ist allerdings überzeugt, dass sich ihre langfristige Strategie, mit Ausrichtung auf die internationalen Märkte wieder auszahlen werde, hiess es weiter im Communiqué. Das Segment der Individualgäste nehme zu, während bei den Gruppenreisen eine Tendenz zu kleineren Gruppen festzustellen sei.

Die Geschäfte abseits des China-Fokus laufen aber in der Wintersportsaison 2022/2023 auch alles andere als rund.

Beim Vorverkauf des Top4-Skipasses, also dem Partnerangebot von Adelboden-Lenk, Gstaad, Jungfrau Ski Region und Meiringen-Hasliberg, wurden mit rund 33.000 fast zehn Prozent weniger im Vorverkauf abgesetzt als in der Wintersaison 2021/2022. Dies sei auf Preiserhöhungen zurückzuführen. 

Frankenstärke bremst

Und vom Saisonstart bis zum 31. Dezember 2022 registrierte die Jungfrau Ski Region fast 16 Prozent weniger Skier Visits im Vergleich mit der gleichen Periode vor einem Jahr.

Auch hier dürfte eventuell Diversifizierung guttun, doch mit Preiserhöhungen sowie der Frankenstärke dürfte es schwierig werden, etwa internationales Publikum, das nicht aus Asien kommt, anzulocken.

Baschi, Hänni und Egli

Laut dem Halbjahresbericht 2022 kamen die Jungfraubahnen unter dem Strich von zehn Millionen Franken an Verlust schon wieder auf 15 Millionen Franken an Gewinn. Den steigenden Einnahmen aus Verkehr, Souvenirshops, aus Gastronomie sowie Beherbergung und sogar aus dem Verkauf von Energie sei Dank.

Vielleicht sollten aber statt chinesischen Superstars künftig vermehrt Schweizer Kultmusiker, wie Baschi aus dem Kanton Basel-Landschaft, Luca Hänni aus dem Kanton Bern oder sogar Beatrice Egli aus dem Kanton Schwyz, ihre Liedchen vom Aletschgletscher trällern und Kundschaft anlocken.

04.01.2023/kut.

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