Das Business-Netzwerk Linkedin hat zahlreiche Experimente zur Verbesserung seiner Algorithmen im Hintergrund durchgeführt. Die Ergebnisse sind verblüffend.
Heutzutage muss fast jeder irgendwie auf Linkedin, dem weltweiten Business-Netzwerk, vertreten sein. Ein Schulfreund hier, eine Arbeitskollegin da – und schon entsteht über die Zeit ein nützliches Netzwerk, auf das man sich auch bei der Jobsuche stützen kann.
Doch nun haben Medien über eine wissenschaftliche Publikation herausgefunden, dass das Soziale Netzwerk im Hintergrund gewisse Tests zur Verbesserung der Algorithmen fährt. Dies verwundert zwar nicht allzu sehr, weil die Nutzer damit bei der Registrierung zustimmen.
Allerdings hat das neueste Experiment etwas Kritik etwa in der «New York Times» hervorgerufen, weil es die Lebensläufe vieler Menschen beeinflusst haben dürfte.
Aktiv Unbekannte empfehlen
Bei der Untersuchung geht es darum, dass Linkedin über einen Zeitraum fünf Jahren den Einfluss der Stärke von zwischenmenschlichen Beziehungen auf die Veränderung der Arbeitsstelle analysiert hatte. Dazu seien auch aktiv Vorschläge zur Aufnahme neuer Bekanntschaften unterbreitet worden, hiess es in der Zeitschrift «Science».
Als Hypothese galt die Vermutung, dass Jobangebote über Menschen besser funktioniert, mit denen weniger stark verbunden ist, als über gute Freundschaften.
Seltene Möglichkeit
Die Studie bestätigt dies nun und Wissenschafter vom MIT, Stanford und der Harvard Business School heben hervor, dass es normalerweise sehr schwierig ist, eine solche These mit Daten zu überprüfen und daher das Experiment auf der Plattform wichtig sei.
Laut den Resultaten gibt es tatsächlich den Zusammenhang, dass sich die Arbeitsstellen von Menschen in exakt die Richtung verändert haben, wenn ihnen das Business-Netzwerk lose Bekanntschaften zum Verbinden vorgeschlagen hatte.
Diese unter dem Namen «Paradox der schwachen Bindungen» bekannte Phänomen verblüfft, dass Menschen nämlich nicht auf feste Freundschaften hin ihre Arbeitsstellen wechselten, sondern weniger starke Verbindungen nutzen, um beruflich mobiler zu werden.
Zwei Milliarden Verbindungen
Linkedin führte die auf zufälliger Auswahl basierten Experimente zwischen 2015 und 2019 durch. Dabei versandte die Firma auf Mitglieder zugeschnittene Nachrichten zu Personen, die sie vielleicht kennen würden. Dabei wollte das Netzwerk testen, inwiefern schwache Bindungen die berufliche Mobilität im weltweit grössten Business-Netzwerk erhöhten.
Laut den Wissenschaftern fanden sie tatsächlich Belege für einen solchen Zusammenhang.
Dazu bezogen die Macher über 20 Millionen Nutzer ein und analysierten über den Zeitraum von fünf Jahren rund zwei Milliarden neuer Bindungen, die zu 600.000 neuen Arbeitsplätzen geführt hatten.
Drei Beobachtungen
Dabei fanden sie aber konkret heraus, dass – erstens – die Stärke der Bindungen nicht linear verlief. Vielmehr sah das Verhältnis wie eine U-förmige Kurve zwischen der Beziehung und dem Jobwechsel aus. Das heisst mit anderen Worten, dass die Schwäche der Beziehung nur bis zu einem gewissen Punkt die Jobflexibilität erhöht.
Zweitens zeigten schwache Bindungen, die etwa anhand von weiteren Beziehungen innerhalb des eigenen Netzwerkes angenommen wurden, stark unterschiedliche Effekte. So führten schwache und extrem schwache Verbindungen zur grössen beruflichen Mobilität.
«People you may know»
Und drittens kam es auch darauf an, in welche Branche die Teilnehmer tätig waren. In digital-affinen Bereichen sei der Zusammenhang zu schwachen Bindungen auf die berufliche Mobilität eindeutig grösser gewesen, hiess es.
Das bedeutet nun für die Zukunft, falls wieder einmal von Linkedin eine Email kommt, ob man diese oder jene Person kenne, dass man sie durchaus zum eigenen Netzwerk hinzufügen sollte. Es könnte der künftige Arbeitgeber sein – auch wenn es eben ein völlig unbekannter Mensch ist.
26.09.2022/kut.