Die Gemüter regen sich derzeit über «böse» Anbieter aus dem Ausland auf, die höhere Schweizer Verkaufspreise verlangen. Doch Schweizer Firmen machen das oftmals genauso.
Ikea Schweiz wird derzeit durchs Schweizer Dorf getrieben, weil ein paar Möbelstücke hierzulande deutlich teurer sind als jenseits der Landesgrenzen.
Die Anbieter müssen sich dann immer rechtfertigen und erklären, dass sie hierzulande auch deutlich höhere Personal- und Logistik-Kosten oder Ladenmieten haben als anderswo.
Aber das spielt bei den emotionalen Aufregern von «20min.ch» & Co. meist gar keine grosse Rolle.
Es sollen Auslandsfirmen einfach als «Abzocker» der Schweizer Verbraucher dargestellt werden, wie das «20min.ch» immer wieder tut.
Ricola, Läckerli & Co.
Dabei würden ein paar Recherchen verraten, dass Schweizer Firmen die Konsumenten hierzulande genauso wie ausländische Anbieter zur Kasse bitten. Es wird nämlich meist die höhere Zahlungsbereitschaft für bestimmte Waren und Dienstleistungen ausgenutzt.
Ein schönes Beispiel ist jedes Jahr die Statistik von Biscosuisse, also dem Verband der Dauerback- und Zuckerwarenhersteller in der Schweiz, wie Recherchen von muula.ch ergaben.
Es geht dabei um banale Apéro- und Salzgebäcke, Knäckebrot, Biscuits, haltbare Cakes beziehungsweise Waffeln oder lebkuchenähnliche Gebäcke.
Kägi, Hug und Nestlé
Dem Verband gehören Firmen vom Berner Mandelbärli Original, der Delicia Switzerland, Disch, Fortisa, Gerber Biscuits, über Glarner Feingebäck, Gottlieber, Hug, Kägi, Milupa, Roland, Nestlé, Lotus Bakeries Baar, aber auch Unternehmen, wie Ricola, Suter Tirggel oder das Basler Original Läckerli Huus an.
Seit Jahren veröffentlicht die Organisation ihre Statistiken und an den Zahlen stört sich aber niemand in der Schweizer Medienlandschaft.
Zuckerli-Boom im Export
Laut der aktuellen Publikation für das Jahr 2022 wurden 37.324 Tonnen an Zuckerwaren verkauft; davon 5359 im Inland. Das macht 31.965 verkaufte Tonnen von Biscosuisse-Meldefirmen im Export.
Wertmässig waren dies insgesamt 357,4 Millionen Franken an Verkäufen, wobei 72,8 Millionen Franken im Inland und 284,7 Millionen Franken von den 12 Biscosuisse-Firmen bei der Ausfuhr erzielt wurden.
Was der Verband nun nicht in den Vordergrund stellt, aber offensichtlich ist, sind die Verkaufsresultate per Tonne in der Schweiz und im Export.
Im Schnitt erzielen die Schweizer Hersteller nämlich hierzulande 13.585 Franken je Tonne. Dagegen sind es im Export lediglich 8907 Franken je Tonne an Verkaufserlös.
Schweiz 50 Prozent teurer
Das sind aus Auslandssicht immerhin über 50 Prozent an höheren Verkaufserlösen bei Hart-, Gelee- und Gummibonbons als in der Schweiz. Mit anderen Worten gewähren die Schweizer Hersteller einen Auslandsrabatt von rund 34 Prozent.
Schweizer Konsumenten zahlen also deutlich mehr. Sicher erklärt sich die Differenz nicht allein mit der Zusammensetzung der Waren innerhalb einer Tonne.
Bei Dauerbackwaren kommen die 20 Schweizer Mitgliedsfirmen auf einen Verkaufserlös pro Tonne von 11.661 Franken in der Schweiz. Im Export sind es dagegen nur 10.318 Franken je Tonne.
Das ergibt einen Preisabschlag für das Ausland von immerhin rund 12 Prozent.
Dauerphänomen gegeben
All dies ist keineswegs bloss ein Phänomen, das es erst seit der Coronavirus-Pandemie gibt oder sich mit der Stärke des Schweizerfrankens akzentuiert.
Schaut man auf die Werte des Jahres 2018, ergibt sich beispielsweise folgendes Bild:
Bei den Zuckerwaren lag die Differenz bei 14.743 Franken je Tonne in der Schweiz zu 9499 Franken je Tonne im Export.
Das ist gemäss den Verbandszahlen ein Abschlag von 35 Prozent für die Ausfuhren beziehungsweise aus Sicht des Auslandes wäre die Schweiz rund 55 Prozent teurer.
Höhere Logistikkosten
Bei den Dauerbackwaren kommt man auf eine Verkaufspreisabweichung zwischen In- und Ausland im Durchschnitt von 10.993 zu 8729 Franken je Tonne.
Das sind 20 Prozent weniger im Export als in der Schweiz. Oder noch stärker veranschaulicht: rund 26 Prozent an Aufschlag, den die Schweizer Backwarenfirmen mehr von ihrer Schweizer Kundschaft verlangen als vom Ausland.
Wenn man dann noch bedenkt, dass im Export nach den Hauptabnehmerländern USA, Deutschland, Frankreich oder etwa nach Saudiarabien aufgrund der längeren Entfernungen wahrscheinlich auch noch höhere Lieferkosten anfallen, wird klar, wie ganz normales Wirtschaften funktioniert.
Jedenfalls sollte «20min» besser recherchieren und nicht nur die halbe Wahrheit berichten.
16.04.2023/kut.