Ermotti redet sich um Kopf und Kragen

Verwaltungsratspräsident der Swiss Re, Sergio Ermotti
Verwaltungsratspräsident der Swiss Re, Sergio Ermotti. (Bild: PD)

Swiss-Re-Verwaltungsratspräsident, Sergio Ermotti, hat wieder einmal ein Interview gegeben. Seine jüngsten Aussagen zeigen, dass der einstige Star-Banker noch wenig Ahnung von Rückversicherung hat.

Der Verwaltungsratspräsident des Rückversicherers Swiss Re, Sergio Ermotti, versucht seinem Konzern einen guten Dienst zu erweisen. Doch genau das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Der «Handelszeitung» vom heutigen Donnerstag erklärte der ehemalige Konzernchef der Grossbank UBS, dass der Rückversicherer seine Preise überprüfen müsste, um die Profitabilität zu verbessern.

Glänzen mit Basiswissen

Diese Banalität gilt natürlich für jede Branche und jedes Unternehmen. Auf die Assekuranz bezogen erklärte er: «Wir absorbieren heute eine viel höhere Volatilität und höhere Risiken als die Erstversicherer», und da spricht der Manager in einer Wirtschaftszeitung eigentlich auch nur die Grundlagen des Rückversicherungsgeschäfts an.

«Unter dem Strich müssen wir über den Zyklus mindestens so gute oder höhere Kapitalrenditen als die Erstversicherer haben», sagte der Swiss-Re-VRP weiter.

Fliessende Übergänge

Und auch dabei fehlt Ermotti offenbar noch viel Wissen über sein eigenes Haus. Die Erst- und Rückversicherung verschwimmt nämlich immer mehr. Die Swiss Re wildert ohnehin selbst im Geschäft der Erstversicherer und nimmt ihnen immer mehr Butter vom Brot.

Der Geschäftsbereich von Swiss Re heisst Corporate Solutions und betreibt Erstversicherungsgeschäft. All dies zeigt eigentlich nur, dass Wachstum bei Rückversicherungen immer schwieriger ist.

Viele Erstversicherer schliessen sich zudem zu grösseren Einheiten zusammen und brauchen weniger Rückversicherungsschutz – auch da sinkt Ermottis Traditionsgeschäft.

Rasch bei Konkurrenz

Doch das sind nicht die einzigen Gedankenlosigkeiten von Ermotti. Die Rückversicherungsverträge können jährlich angepasst werden. Das heisst, jeder Rückversicherer verlangt jedes Jahr den Preis für sein kommendes Geschäftsjahr, den er für gut hält.

Rückversicherer sitzen dabei aber keinen Anfängern oder Risiko-Laien gegenüber, sondern eben Profis und da fällt das Feilschen um den Preis nicht immer leicht. Ein Interview zu Preiserhöhungen reicht da kaum.

Die Kundschaft von Rückversicherern sucht beispielsweise rasch Alternativen, falls die Tarife zu hoch gehen oder die Selbstbehalte für den gleichen Preis zu stark steigen.

Und die Erstversicherer finden es auch kaum toll, wenn sich trotz Versicherungsschutz kein Schaden ereignet. Dann ist nämlich fast die gesamte Prämie abzüglich von etwas Verwaltungskosten sofort Gewinn und der fällt nur bei den Rückversicherern an.

Fehlende Diversifikation

«Wir sind langfristige Partner, aber wir müssen eine faire Entschädigung für unser Kapital haben», sagte Ermotti knapp auf eine Frage des Wirtschaftsblattes und wies damit aber eigentlich gleich auf zwei «Grossbaustellen» der Rückversicherer hin.

Erstens wird es immer schwieriger für Rückversicherer, neben der Diversifikation in ihrem eigenen Portfolio auch den Ausgleich von Schadenereignissen über die Zeit zu erreichen. Kunden bleiben kaum ewig treu und die Zeichnungspolitik lässt auch nach ein paar schadenarmen Jahren sofort nach.

Dann treffen Grossschäden nicht selten auf viel zu tiefe Prämien, wie es zuletzt immer wieder passiert ist und die Rückversicherer altaussehen lässt.

Schrumpfende Eigenmittel

Obendrein müssen die Rückversicherer jährlich beziehungsweise quartalsweise Gewinne erwirtschaften, was mit einer längeren Partnerschaft und über eine längere Zeit immer schwieriger möglich ist.

Und zweitens sprach der Ex-Konzernchef der UBS das «Kapital» an. Davon hat er mit dem steigenden Zinsniveau ohnehin selbst immer weniger, falls er damit das Eigenkapital der Swiss Re selbst meint.

Wie muula.ch berichtete, rast der Posten beim zweitgrössten Rückversicherer der Welt nämlich auf einen bloss noch einstelligen Milliardenbetrag zu.

Fehlende Grundlage

Falls Ermotti jedoch mit «Kapital» das Risikokapital oder die Zeichnungskapazität gemeint hat, so trifft er bei Rückversicherern auf noch einen noch wunderen Punkt.

Die Ermittlung des tatsächlichen Risikokapitals ist nämlich mit Tausenden von unterschiedlichen Einzelrisiken gar nicht so einfach und wenn somit nicht einmal die Grundlage der Verzinsung klar ist, kann auch keine konkrete Rendite beziehungsweise «faire Entschädigung» berechnet werden.

Marktführer Münchner Rück hat das ganze Modell der Verzinsung des Risikokapitals jahrelang gepredigt, bevor es heimlich-still-und-leise verabschiedet wurde.

Nur bei Banken tätig

Investoren in Rückversicherungstitel haben es bei alldem ohnehin nicht leicht und greifen daher lieber zu Aktien von Erstversicherungen, wenn sie sich bei der Assekuranz engagieren wollen.

Naja, und ein Blick in Ermottis Lebenslauf zeigt, dass er mit alldem bisher ohnehin nicht viel am Hut hatte. Vor seiner Zeit bei der Grossbank UBS war er auch nur in der Bankbranche operativ tätig.

Zuvor stand er nämlich im Dienst der UniCredit Group. Zwischen 1987 und 2004 übte er bei den Amerikanern Merrill Lynch verschiedene Funktionen im Bereich Aktienderivate- und Kapitalmarktgeschäft aus.

Kielholz lobte

Natürlich haben die Strippenzieher der Schweizer Finanzindustrie die Auswahl Ermottis auf den Chef-Aufseher-Posten bei Swiss Re gut orchestriert, nachdem klar wurde, dass er Axel Weber auf dem VRP-Posten bei der UBS nicht folgen wird.

Erst einmal wurde der Banker Ermotti als normales Mitglied in das Gremium bei der Swiss Re berufen. Da fällt das Unwissen über die beaufsichtigte Branche noch nicht so auf.

Und dann kurze Zeit später stieg er zum Präsidenten des Verwaltungsrates auf, er war ja schliesslich schon Mitglied des Aufsichtsgremiums. Damit löste Ermotti den aus Altersgründen ausscheidenden Finanzdoyen Walter Kielholz an der Spitze des Rückversicherers ab.

Zu Ermottis Ernennung hatte Kielholz auch hervorgehoben, dass Ermotti eher mit Geschäftsfeldern, wie dem Asset-Management, Corporate Finance, der Bewirtschaftung von Eigenkapital sowie der Bilanz und dem Umgang mit Regulatoren, als mit der Erst- und Rückversicherungsmaterie vertraut sei.

Risiken zu Börsen bringen

Letzteres, also Regulierung, wünschen sich die grossen Rückversicherer zwar schon mehr. Aber da geht kaum etwas, weil die Aufsichtsbehörden ohnehin nur lokal und nicht – wie für Rückversicherung notwendig – weltweit agieren. Ausserdem gibt es für Regulatoren bei dem Geschäft unter Profis gar keine Endkunden zu schützen. 

Ermotti könnte nun, statt sich in Interviews mit Wirtschaftsmedien quasi um Kopf und Kragen zu reden, vielmehr sein Wissen aus dem Bankbereich zur Swiss Re bringen und vermehrt Rückversicherungsrisiken innovativ etwa über Optionen verkaufen beziehungsweise sie direkt am Kapitalmarkt platzieren.

Denn da verdienen Anleger derzeit mit Insurance-Linked-Securities ILS ansehnliche Renditen, ohne überhaupt viel Wissen über die Rückversicherungsbranche zu haben und ohne sich mit der komplexen Materie von Rückversicherern auseinandersetzen zu müssen.

07.12.2022/kut.

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