China versucht, unabhängiger von den USA zu werden und besorgt sich daher Geld über die Schweizer Börse SIX. Investoren in solche China-Aktien sollten aber einen Punkt beachten.
Schweizer Investoren dürften derzeit das Gefühl haben, es passiert ständig. Am heutigen Mittwoch war es wieder mal soweit.
Ein chinesisches Unternehmen placierte an der Schweizer Börse SIX seine Aktien als Zweitkotierung.
Die chinesische Firma Jiangsu Eastern Shenghong habe rund 40 Millionen Hinterlegungsscheine, sogenannte Globale Depository Recipts (GDR), an der SIX zu einem Angebotspreis von 18.05 Dollar pro GDR placiert, wobei ein GDR zehn A-Aktien des Unternehmens entspreche, teilte die Schweizer Börse mit.
Schon neun Mal passiert
Die A-Aktien des chinesischen Unternehmens sind an der Börse Shenzhen kotiert. Jiangsu Eastern Shenghong Co., Ltd. erzielte mit dem GDR-Angebot einen Bruttoerlös in Höhe von sage und schreibe 718,3 Millionen Dollar.
Doch das ist nicht der Fall. Die Firma Jiangsu Eastern Shenghong ist bereits das neunte Unternehmen Chinas und dies binnen kürzester Zeit.
Milliarden an Einnahmen
Mitte November war es die Hangzhou GreatStar Industrial, die eine Schweizer Zweitkotierung vornahm und damit einen Bruttoerlös in Höhe von rund 155 Millionen Dollar erzielte. Kurz davor war es die Sunwoda Electronic aus Shenzhen, die 440 Millionen Dollar einnahm.
Ende September war es die Joincare Pharmaceutical Group, die 6,4 Millionen GDRs verkaufte und fast 100 Millionen Dollar damit über die SIX einnahm.
Jos Dijsselhof, Konzernchef der SIX hatte damals betont, dass die Joincare Pharmaceutical Group bereits die sechste GDR-Kotierung in diesem Jahr an der SIX gewesen sei und mit den sechs GDR-Angeboten ein Erlös von rund 1,9 Milliarden Dollar erzielt worden seien.
Zugang zur Schweiz
Seit der Unterzeichnung der Memoranda of Unterstanding im Jahr 2019 hatte die SIX nämlich eine enge Zusammenarbeit mit den Börsen von Shanghai und Shenzhen vorgenommen, um das «China – Switzerland Stock Connect» Angebot zu etablieren.
SIX hat mit den zuständigen chinesischen Behörden und den Börsen in Shanghai und Shenzhen ein attraktives «Stock Connect» System erarbeitet, das chinesischen Unternehmen Zugang zum Schweizer Kapitalmarkt (und umgekehrt) ermöglicht.
Expansion in Europa
Wie Recherchen von muula.ch ergaben, nahmen die ersten Kotierungen an der SIX das erhaltene Geld, um es in China zu verwenden. Mittlerweile ist allerdings klar, dass die jüngsten Emissionen zur Finanzierung der Expansion der chinesischen Firmen in Europa gedacht sind.
Die Unternehmen sind in den Bereichen erneuerbare Energien, Life Science oder etwa in der Pharmaindustrie tätig.
Zwar deuten die fast nicht existierenden Handelsumsätze bei den neuen China-Aktien daraufhin, dass die Investoren ihre bisher gezeichneten Papiere für bessere Zeiten aufheben wollen, allerdings sollte Investoren ein wichtiger Punkt bewusst sein.
Spannungen in Asien
Global Depository Receipts (GDRs) sind handelbare Wertpapiere respektive Zertifikate, die von einer Bank emittiert werden und Anteile an ausländischen Aktien repräsentieren, welche segregiert und im Heimatland hinterlegt werden. Sie ermöglichen eine (indirekte) Beteiligung an den Mitgliedschafts- und Vermögensrechten der hinterlegten Aktien.
Sollten aber nun die Spannungen etwa zwischen China und Taiwan analog zum Ukraine-Krieg entgleisen und zu Sanktionen von den USA oder westlichen Ländern inklusive der Schweiz führen, dann sitzen die Inhaber der Schweizer GDR von einem chinesischen Unternehmen rasch auf dem Trockenen.
Lehren aus Russland-Fall
Diese Investoren haben dann das gleiche Problem, wie es derzeit die Inhaber der Hinterlegungsscheine von Russland-Aktien haben.
Kaum eine Bank oder eine Clearingstelle sieht sich aufgrund russischer Gesetze und der Sanktionen imstande, den Anlegern zu helfen und ihre Papiere in Russland in ordnungsgemässe Aktien umzutauschen beziehungsweise einen Verkauf zu ermöglichen.
Selbst der Tausch der Russland-Hinterlegungsscheine in die Originalaktien war laut EU-Recht verboten.
Sonderrolle Schweiz
Für Tausende Anleger in Gazprom-, Lukoil- oder auch russischen Sberbank-Hinterlegungsscheinen war es wochenlang unmöglich, ihre Papiere umzutauschen oder zu handeln.
Laut Medienmeldungen soll es über Monate nur einem Schweizer über seine Depotbank gelungen sein, die Papiere in Originalaktien umzutauschen.
SIX bleibt vorsichtig
Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch fragte bei der Schweizer Börse zu der Konstellation nach und die erklärte, dass ein solches Risiko bei den chinesischen GDR durchaus für allfällige Sanktionen gegen China bestünde.
Allerdings komme es immer ganz genau darauf an, welche Sanktionen die Schweiz tatsächlich übernehme und, ob es dann überhaupt Einschränkungen bei den GDR gebe, erklärte ein SIX-Mediensprecher.
Eine pauschale Aussage bezüglich möglicher Auswirkungen auf die GDR bei allfälligen Sanktionen gegen China sei aber nicht möglich, hiess es etwas vorsichtig.
Man müsse die Sonderregeln immer sehr genau prüfen, weil manche Assets fielen gar nicht unter Sanktionsregelungen. Im schlimmsten Fall würden die betroffenen Papiere aber umgehend vom Handel ausgesetzt.
Verkauf unmöglich
Russland untersagte westlichen Anlegern letztlich, dass sie ihre Russland-Aktien verkaufen. Das heisst, selbst wenn es Investoren geschafft hatten, ihre Hinterlegungsscheine in die Originalaktien umzutauschen, konnten sie diese nicht (zu einem attraktiven Preis) verkaufen.
Lediglich als sogenannte Penny-Stocks war eine Bereinigung der Bücher teilweise möglich.
Investoren, die nun Milliarden in chinesische Zweitkotierungen an der SIX anlegen, sollten sich dem Risiko bewusst sein, mit viel Geld etwas «Papier» gekauft zu haben, dass einen Wert in China repräsentiert.
Falls der Konflikt zwischen China und Taiwan eskaliert, könnte dies aber schnell wertlos sein.
28.12.2022/kut.