Verrückte Entwicklungen beim Holcim-Konzern

Generalversammlung des Holcim-Konzerns
Die Generalversammlung von Holcim in Zug. (Bild: muula.ch)

Der Zementkonzern Holcim hat eine fast unglaubliche Entwicklung hingelegt. Doch in einem Bereich explodieren förmlich die Risiken.

Die wichtigste Frage zum Baustoffkonzern Holcim wurde dann kurz vor Ende der Generalversammlung GV doch noch gestellt.

Unter dem fast letzten Tagesordnungspunkt 8 fragte am Donnerstag in Zug ein Aktionär das Management um Verwaltungsratspräsidenten (VRP) Beat Hess und Konzernchef Jan Jenisch, wie denn der Zementhersteller gedenke, all die Akquisitionen zu integrieren.

Einfaches Erfolgsrezept

Zwar hat die Firma in der jüngsten Vergangenheit eine enorme Entwicklung, wie eine Umsatzsteigerung im Jahr 2022 von 13 Prozent auf 29,2 Milliarden Franken hingelegt, aber eben im abgelaufenen Geschäftsjahr auch 19 Akquisitionen getätigt.

Jenisch, ein Machtmensch, erklärte kurz und knapp, Holcim kaufe einerseits komplementäre Firmen zu, welche der Konzern als Wachstumsplattformen benutzen möchte.

In der Regel mache Holcim keine Restrukturierung.

Andererseits sei Holcim fokussiert auf die Leute der zugekauften Unternehmen, also wer führe die neue Firma, wer ist da als Geschäftsleitung noch mit dabei und beschreite den gemeinsamen Weg mit Holcim. So laute das Erfolgsrezept.

50 Akquisitionen

Zur GV hatte muula.ch bei der Medienstelle von Holcim nachgefragt, wie viele Zukäufe denn in jüngster Vergangenheit so getätigt wurden. Über die vielen Zukäufe und die Strategie dahinter hatte das Wirtschaftsnewsportal bereits berichtet.

Im Jahr 2021 seien es 16, im Jahr 2022 die besagten 19 und im laufenden Jahr bereits 15 Akquisitionen gewesen, hiess es von dem Konzern.

Das sind enorme 50 Übernahmen in praktisch nur wenigen Monaten. Normalerweise seien 24 Akquisitionen jedes Jahr geplant.

Risiken in Übersee

Bei Übernahmen, noch dazu in den USA, entstehen für europäische Konzerne aber regelmässig grosse Risiken.

Im Holcim-Konzern manifestieren sich solche Gefahren darin, dass quasi viel Luft zugekauft wird, weil die Kaufpreise hoch sind, aber in den übernommenen Firmen gar nicht so viele Vermögensgegenstände, wie bezahlt, vorhanden sind.

Bei Akquisitionen entsteht dann ein sogenannter Goodwill, wenn also der Kaufpreis über den gefundenen Assets bei der zugekauften Firma liegt.

Milliarden an Kaufpreisen

Holcim aktivierte laut dem Geschäftsbericht 2022 mit der Übernahme von Malarkey Roofing Products im US-Markt für Wohndächer bei einem Kaufpreis von 1,3 Milliarden Franken immerhin 960 Millionen Franken als solchen Goodwill.

Es wurde also 73 Prozent an «Luft» gekauft und in die Bilanz als Vermögenswert geschrieben.

Im Jahr 2021 akquirierte Holcim Firestone Building Products (Elevate) und dort waren es bei einem Kaufpreis von 3,2 Milliarden Franken fast 2 Milliarden Franken an Goodwill, also rund 62 Prozent an «Luft».

Das scheint schon verrückt.

Beat Hess
Scheidender VRP Beat Hess (Bild: muula.ch)
Jan Jenisch
Holcim-CEO Jan Jenisch (Bild: muula.ch)

Der Goodwill allein aus jüngsten Akquisitionen beläuft sich auf rund 3,6 Milliarden Franken in den Holcim-Büchern. Falls die erwartete Geschäftsentwicklung nicht eintrifft, drohen dort Wertberichtigungen.

Insofern ist die Frage nach der Integration der zugekauften Firmen von enormer Bedeutung.

Doppelspitze bei CEO und VRP

Jenisch, der für die neuen Akquisitionen aber eigentlich die Hauptverantwortung trägt, wird sie allerdings operativ nicht mehr vollständig integrieren. Denn da landet man beim zweiten wichtigen Punkt der Holcim-GV in der Zuger Bosshard Arena.

CEO Jenisch wurde nämlich dort auch zum neuen VRP in Doppelfunktion gewählt, weil sich Hess aus Altersgründen nicht zur Wiederwahl für den Posten stellte.

Dabei verwies der Konzern mehrfach auf die befristete Zeit von maximal 12 Monaten für das Doppelmandat von Jenisch als CEO sowie VRP und auf die gewählte Dänin Hanne Sørensen, die ihm im Verwaltungsrat als neue starke Frau auf die Finger schauen soll.

Zierliche Frau als Gegenpool

An der GV sagte sie aber ans Publikum keinen Ton. Auch auf Fragen von muula.ch antwortete die zierliche Frau nur ausweichend und wirkte völlig schüchtern.

Wie sie dem Machtmenschen Jenisch eine Gegenwehr geben soll, bleibt daher völlig schleierhaft.

Die Lösung mit dem Doppelmandat fanden aber sogar die Stimmrechtsberater von Ethos gut, die sonst gegen solche Doppelspitzen von CEO und VRP in Personalunion sind.

Als Übergangsphase und mit Sørensen als Gegengewicht sei es in Ordnung, hiess es.

Eigentlich auch verrückt, dass dieses Thema neben der Einkaufstour bei Firmen keine grössere Diskussion ausgelöst hat.

Chef relativiert

muula.ch erkundigte sich an der GV daher auch direkt bei Jenisch, wie er die Integration all der Akquisitionen sehe.

Bei den Zukäufen von Holcim gehe es nicht um Restrukturierungsfälle, um das Generieren von Synergien auf der Kostenseite, wie dies häufig andernorts der Fall sei, erklärte er.

Bei Holcim gehe es um Wachstum, um neue Geschäftsfelder, um eine gemeinsame Zukunft mit den akquirierten Firmen. Viele Übernahmen seien klein, betonte der Holcim-CEO zudem. Bei den grösseren Zukäufen müsse man aber schon genauer hinsehen.

Allerdings räumte der Topmanager auch ein, dass die Kaufpreise in den USA sehr hoch seien.

Markante Dividendenerhöhung

Insgesamt dürften die Aktionäre also durchaus die Strategie von Holcim kritischer hinterfragen. Stolz wurde nämlich an der GV auch über die Verkäufe der Holcim-Aktivitäten in Indien und Brasilien berichtet.

Hanne Sørensen
Die neue starke Frau bei Holcim, Hanne Sørensen. (Bild: muula.ch)
Wein Schmidheiny
Wein vom Holcim-Ehrenpräsidenten Thomas Schmidheiny (Bild: muula.ch)

Wenn man allerdings Wettbewerber danach fragt, wo sie die Zukunftsmärkte für Zement, Beton & Co. sehen, bekommt man nicht selten gerade Indien und Brasilien als Antwort. Dort ist Holcim aber ausgestiegen.

Doch zahlreiche Aktionäre zeigten sich an der Veranstaltung gegenüber muula.ch mit dem Management von Holcim sehr zufrieden.

Wein von Schmidheiny

Die um 14 Prozent erhöhte Dividende auf 2.50 Franken je Aktie, die aufgrund der ausländischen Kapitaleinlagereserven nicht mal der Schweizer Verrechnungssteuer unterliegt, kam jeweils gut an. Das Doppelmandat von Jenisch sei zudem nur für eine begrenzte Zeit, hiess es.

Viel Lob gab es von den Eigentümern der Firma aber auch für die zusätzliche Naturaldividende.

Diese gab es in Form von gutem Essen sowie edlem Rot- und Weisswein vom St.Galler Weingut Schmidheiny, das Holcims Ehrenpräsidenten Thomas Schmidheiny gehört.

04.05.2023/kut.

Verrückte Entwicklungen beim Holcim-Konzern

One thought on “Verrückte Entwicklungen beim Holcim-Konzern

  • Mai 6, 2023 at 7:51 am
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    Danke für diesen Bericht, welcher die bisherige Entwicklung, die Neuausrichtung und auch die Risiken sehr gut darstellt. Ich freue mich über weitere informative Zusammenfassungen von Wirtschaftsthemen auf muula.ch. Auf ein Wiedersehen in der hintersten Reihe am Tisch für die Presse und Medien 😉

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