«Weihnachtsgeschenk» der EU an die Schweiz

Eine Flagge der EU
Wird die Schweiz bald ein nächstes EU-Sternchen? (Bild: 3D-Annimation / pixabay)

Die EU hat den Bundesrat in seinem Annäherungsschritt an Brüssel gestützt. Dabei unterlaufen der EU-Kommission aber gravierende Fehler.

«Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht», lautet ein Sprichwort. Wenn jemand, wie die Schweizer, Neuem kritisch gegenüberstehen, bevorzugen sie das, womit sie vertraut sind.

Vorschlag zum Vorschlag

Genauso könnte man den Schritt der EU-Kommission um die Chefin Ursula von der Leyen vom Mittwochabend beschreiben. Sie stützte im Wesentlichen den Fahrplan mit der Annäherung der Schweiz, den der Bundesrat am vergangenen Freitag vorgestellt hat, wie muula.ch berichtete.

Es ist ein Vorschlag für ein Verhandlungsmandat, dem nun alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Doch dabei machen die Verantwortlichen gehörige Fehler.

Berg gebar eine Maus

«Die Schweiz und die EU sind enge Freunde und Partner», liess sich von der Leyen auf Englisch zitieren. «Wir wollen beide unsere Verbindungen stärken und unsere bilateralen Beziehungen auf eine noch solidere Grundlage stellen», führte die EU-Kommissionspräsidentin weiter aus.

Nur schon an diesen Sätzen zeigte sich, wie verlogen das Ganze ist. Zwischen Freunden und Partnern, die beide ihre Verbindungen stärken wollten, bräuchte man keine 18 Monate, um nur Sondierungsgespräche zu führen, die auch bloss einen Entwurf für ein Verhandlungsmandat hervorgebracht haben.

Auch ist mit soliderer Grundlage gemeint, dass die Schweiz die Regeln und Richter der EU akzeptieren müsste, was unter Freunden und Partnern normalerweise auch nicht der Fall ist.

Einfuhr von Fleisch?

Der Vorschlag der EU-Kommission für ein Mandat gewährleiste den Schutz der Rechte von EU-Bürgern in der Schweiz sowie einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen aus der EU und der Schweiz, die auf dem Binnenmarkt tätig seien, führten die Brüsseler Beamten weiter aus.

Selbst dies stimmt nicht. Wer in die Details schaut, sieht, dass die Rechte von EU-Bürgern in der Schweiz eigentlich beschnitten werden, um sich den Schweizer Forderungen nach Lohnschutz & Co. anzunähern.

Auch ist der Wettbewerb nicht fair, denn Firmen aus der EU können nicht so einfach Fuss auf dem Schweizer Markt fassen, wie Schweizer Unternehmen in der EU. Da sei nur an den Verkauf von Fleisch, die Einfuhr von Butter oder Rahm beziehungsweise an das Anbieten von einfachsten Transportdienstleistungen gedacht.

Trick mit den Sprachen

Die EU-Kommission kommuniziert falsch. Sie will freundlich erscheinen, doch es sind vergiftete Botschaften. Dass es die Medieninformationen auch nur auf Englisch gibt, obwohl sonst alle Communiqués auf Deutsch oder Französisch verfügbar sind, ist nur ein Nebenaspekt.

Es sendet aber an die Schweiz das Signal, es ist besser, wenn ihr die Details gar nicht in Euren Landessprachen versteht. Doch die Schweiz hat schon genug Verständigungsprobleme mit ihren vier Landessprachen. Da braucht sie jene von Brüssel auf Englisch nicht auch noch.

Das eigentliche Rahmenabkommen ist zudem einem Paketansatz mit modularem Aufbau gewichen. Wo soll da der Unterschied ausser beim Namen sein? Genau, es gibt keinen.

Juristen schrecken ab

Es gibt allerdings auch Zuckerbrot von Brüssel. Die EU will die Schweizer Wissenschaft wieder an das EU-Forschungsprogramm Horizon anschliessen, was nichts anderes heisst, dass der süsse Saft von Subventionen schon während der Verhandlungsphase fliesst und den Unmut der weltweiten Spitzenforscher in Zürich, Basel oder Genf besänftigen soll.

Alle anderen Vorteile für das Land sind überhaupt nicht klar. Wie beide Seiten globale Zukunftsprobleme gemeinsam lösen wollen, hätte Brüssel in einfache Worte fassen müssen.

Jedes Detail bis auf die Zähne juristisch bewaffnet zu verhandeln, schreckt eher ab. Das Verhandlungspaket hat viele Widersprüche, so pocht die EU bei der Personenfreizügigkeit auf das Diskriminierungsverbot, aber gleichzeitig solle Brüssel «den Besonderheiten des Schweizer Arbeitsmarktes Rechnung tragen».

Halbe Million Schweizer betroffen

Der Schweizer Unterhändler, Alexandre Fasel, Staatssekretär des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA, gab sich am Mittwoch optimistisch bezüglich der Verhandlungen mit der EU. Nun müsse aber innenpolitisch Überzeugungsarbeit geleistet werden, brachte er die Probleme auf den Punkt.

Die EU ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz, während die Schweiz nur der viertgrösste Partner der EU ist. Dies zeigt die Grössenverhältnisse und die Interessen. Etwa 1,5 Millionen EU-Bürger leben in der Schweiz, aber nur rund 450.000 Schweizer leben in der EU.

Einige hunderttausend EU-Bürger überqueren aber täglich auch noch die Grenzen, um in der Schweiz zu arbeiten.

Wechselwirkungen unklar

Seit März 2022 haben die EU und die Schweiz nunmehr Sondierungsgespräche über die Zukunft ihrer bilateralen Beziehungen geführt. Am 15. Dezember 2023 veröffentlichten die Kommission und der Bundesrat die gemeinsame Absichtserklärung, die das Ergebnis der Sondierungsgespräche schriftlich festhält.

Am selben Tag leitete der Bundesrat die Konsultationen mit dem Schweizer Parlament zu seinem Entwurf für ein Verhandlungsmandat ein.

Und am 20. Dezember schickte die EU-Kommission das Paket innerhalb der EU auf ihren Weg zur Abstimmung und stützte damit den Schweizer Bundesrat. Doch «das Paket», welches die Schweiz an Brüssel annähern soll, ist so komplex, dass es Skepsis hervorruft. Die Wechselwirkungen von Marktzugang und fremden Richtern sind alles andere als klar.

Misstrauische Distanz wahren

Brüssel hätte viel mehr auf Bern zugehen müssen, um eine Chance für eine tatsächliche Partnerschaft zu haben. Mit Tonnen an Erklärungen auf Englisch, komplexen Dossiers in epischer Breite und süssen Worten sowie Subventionen erreichen Fremde in der Schweiz nichts.

Vielmehr geht das Volk misstrauisch auf Distanz und ist mit Verschlechterungen zufrieden, die letzten Endes eigentlich mit weniger Migration, mit weniger Konkurrenz auf den Arbeits-, Güter- und Dienstleistungsmärkten sowie mit weniger Ausgeben von Steuergeld verbunden sind.

Bauer, bleib bei Deinen Leisten, könnte man das alte Sprichwort vom Schuster abwandeln. Also, was der Bauer nicht kennt, frisst er eben nicht. Er frisst es aber erst recht nicht, wenn es ein paar Aussenstehende sehr schmackhaft machen wollen.

21.12.2023/kut.

«Weihnachtsgeschenk» der EU an die Schweiz

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