Die Schweiz braucht dringend hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Ausgerechnet bei der naheliegendsten Lösung spielt die grösste Partei des Landes nicht mit.
Eigentlich ist die grösste Partei der Schweiz, die SVP, wirtschaftsfreundlich. Doch manchmal steht sie sich selbst im Weg.
Der Bundesrat beschloss nun, dass Personen, die einen Masterabschluss oder ein Doktorat in einem Bereich mit Fachkräftemangel erhalten, in der Schweiz bleiben und arbeiten können sollen, auch wenn sie aus einem Drittstaat kommen.
Die Botschaft zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) gehe auf eine Forderung des Parlaments zurück, das als Nächstes über die Vorlage berate, hiess es aus der Bundesverwaltung diesbezüglich.
Halbe Welt betroffen
An Universitäten und ETHS ausgebildete Drittstaatsangehörige, also Masterabsolventen sowie Doktoranden, aus Bereichen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel sollen bei der Zulassung vom Arbeitsmarkt von den Drittstaatskontingenten ausgenommen werden.
Dies würde beispielsweise Personen aus den USA, Japan, China, Brasilien, Australien, Indien oder aus afrikanischen Ländern betreffen.
Die vorgeschlagene Änderung der Regelung entspreche den Interessen des Wirtschaftsstandortes Schweiz, teilte die Administration weiter mit.
Schweiz als Heimat
Die Betroffenen seien in akademischen Institutionen der Schweiz ausgebildet worden und seien in der Regel bereits gut in die Schweizer Gesellschaft integriert. Es handele sich ohnehin um eine zahlenmässig beschränkte Gruppe von jährlich schätzungsweise bloss 200 bis 300 Personen.
Warum sollte die Schweiz diese gebildeten Menschen nach einem jahrelangen Studienaufenthalt, wenn sie überhaupt hier bleiben wollen, etwa an die USA, Japan, Kanada, Grossbritannien oder China verlieren?
Wenige Querschläger
Doch im Vernehmlassungsbericht steht die eigentliche Überraschung. Insgesamt gingen 69 Stellungnahmen ein. 23 Kantone begrüssten die Vorlage. Bern stimmte nur unter Vorbehalt von Änderungsanträgen und weiteren Anregungen zu. Und der Kanton Zug lehnte die Vorlage ab.
Fünf gesamtschweizerische Dachverbände stimmen dem Vernehmlassungsentwurf zu. Ein weiterer ist mit einem Vorbehalt ebenfalls damit einverstanden. Alle 32 interessierten Kreise, die eine Stellungnahme eingereicht haben, begrüssten die Vorlage.
Die politischen Parteien werteten die Vorlage in ihren Stellungnahmen grossmehrheitlich positiv: FDP, Grünliberale und die Mitte befürworteten die Umsetzung der Vorlage. Die FDP bedauerte jedoch, dass die Motion in Anbetracht der zeitlichen Dringlichkeit nicht auf Verordnungsstufe umgesetzt werde.
Die SP unterstützte die Vorlage im Grundsatz. Ihrer Ansicht nach sollten beim Vorliegen einer Arbeitsstelle jedoch nicht nur hoch qualifizierte Arbeitnehmende berücksichtigt werden.
Zuwanderung als Problem
Die SVP lehnte den Gesetzesentwurf aber entschieden ab. Er stehe im Widerspruch zu Artikel 121a Absatz 2 BV und würde die jährliche Nettozuwanderung weiter erhöhen.
Die SVP forderte laut dem Bericht, dass für die betreffende Personengruppe ein separates Kontingent geschaffen werde, das aber auf das Gesamtkontingent anzurechnen sei.
Studierende sollen zahlen
Zudem seien die bestehenden Mittel des subventionierten tertiären Bildungsbereichs künftig in den MINT-Bereich, also im Mathematik-, Informatik-, Naturwissenschaften- und Technik-Bereich, zu verlagern.
Obendrein sollen laut der Schweizerischen Volkspartei die ausländischen Studierenden mindestens 50 Prozent der Kosten für das Studium selber tragen. Während viele Länder die Betroffenen stark umwerben, will die SVP sie also noch zur Kasse bitten.
Sinnvolle Regelung
Mit dem Blick auf die Zuwanderung und den Hürden für Zuzügler bleibt die SVP in den Augen von muula.ch bloss ihrer Ausländer-un-freundlichen Gesinnung treu. Allerdings verliert sie damit ein strategisches Ziel der Schweiz, den Wohlstand zu mehren, völlig aus den Augen.
Die an einer Schweizer Universität oder Hochschule ausgebildeten ausländischen Fachkräfte aus Drittstaaten sollen von den jährlichen Höchstzahlen für Aufenthaltsbewilligungen einfach nur ausgenommen werden, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse für die Schweiz ist.
Das macht eigentlich Sinn. Da steht sich die SVP bloss selbst im Weg.
19.10.2022/kut.