Stunde der Wahrheit für das Swiss-Re-Management

Schweizer Rückversicherung
Am Hauptsitz der Swiss Re erinnert noch die Bushaltestelle an den alten Namen Schweizer Rück. (Bild: muula.ch)

Der Rückversicherer Swiss Re hat ein katastrophales Geschäftsjahr hinter sich gebracht. Das Management macht, wie so oft, widrige Umstände dafür verantwortlich.

Der zweitgrösste Rückversicher der Welt, Swiss Re, hat 2022 einen Gewinneinbruch um 67 Prozent auf 472 Millionen Dollar erlitten, wie das Unternehmen am Freitag bekanntgab.

Die Rendite auf die Kapitalanlagen reduzierte sich im Vorjahresvergleich von 3,2 auf niedrige 2,0 Prozent.

Starke Kapitalschmelze

Vom Eigenkapital sind nunmehr sogar nur noch rund 50 Prozent übrig – der Rückversicherungskonzern ist bloss noch mit Eigenmitteln von 12,7 statt mit 23,6 Milliarden Dollar unterwegs.

Falls noch eine kleine Zinserhöhung um 50 Basispunkte käme, was die Hauptursache für den Eigenkapitalschwund ist, wären bei Swiss Re erneut 2,1 Milliarden Dollar an Eigenmitteln weg, wie die Gesellschaft zur Situation angab.

Glück oder Unglück?

Im Hauptgeschäft lief es 2022 gar nicht gut, obwohl sich das Management um Konzernchef Christian Mumenthaler und CFO John Dacey am Freitag vor den Medien in Zürich alle Mühe gab, den Eindruck zu erwecken, es seien mit dem Inflationsanstieg und einer vergleichsweise hohen Schadenlast aus Naturkatastrophen wieder mal widrige Umstände als Hauptgründe für die Fehlentwicklungen gewesen.

Das Kerngeschäft eines Rückversicherers dreht sich aber gerade um genau solche Sachen.

Konkurrenten strahlen

Deutsche Zeitungen, wie etwa das «Handelsblatt», sehen Mumenthaler sogar schon stark unter Druck, weil selbst kleine Rückversicherer, wie die Hannover Re, im abgelaufenen Geschäftsjahr auf einen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro kommen.

Marktführer Munich Re hatte allein im dritten Quartal 2022 einen Gewinn von 527 Millionen Euro trotz hoher Belastungen aus Naturkatastrophen präsentiert.

All dies stellt Swiss Re in den Schatten, weil die Rückversicherer ja alle mehr oder weniger im gleichen Teich fischen.

Geldverbrennung pur

Es sticht bei Swiss Re mittlerweile sogar direkt ins Auge, dass die kombinierten Schaden-Kosten-Sätze, also die Combined-Ratios, in der Sachrückversicherung (P&C) seit Mumenthalers Amtsantritt bis auf das Covid-Jahr 2021 immer deutlich über 100 Prozent lagen.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr kam Swiss Re auf einen Wert von 102,4 Prozent und verdiente damit versicherungstechnisch wieder kein Geld.

Für das Jahr 2023 gibt sich das Management zuversichtlich, eine Combined-Ratio von 95 Prozent zu erzielen. Zu Mumenthalers Start als CEO lag der Wert aber bei noch besseren 93,5 Prozent, wie aus der Präsentation (Folie 22) hervorgeht.

Corona ausgestanden

Im Lebensversicherungsbereich sei mit der Pandemie und vielen Todesfällen, welche die Lebensrückversicherung belastete, mittlerweile das Gröbste ausgestanden, hiess es aber.

Im Segment Corporate Solutions, wo die Swiss Re den eigenen Kunden, also den Erstversicherern, Konkurrenz macht, lief es im vergangenen Jahr verhaltener.

Swiss-Re-CEO Christian Mumenthaler
Swiss-Re-CEO Christian Mumenthaler (Bild: muula.ch)
Swiss-Re-Top-Management
Swiss-Re-CEO und CFO in Zürich (Bild: muula.ch)

Der Schaden-Kosten-Satz verschlechterte sich zwar um 2,5 Prozentpunkte auf 93,1 Prozent, womit zumindest versicherungstechnisch aber etwas Geld herausschaut.

Vergessen sind allerdings noch nicht die Combined-Ratios der vergangenen 5 Jahre, die unter Mumenthalers Führung bis zu 133,4 Prozent ausschlugen und für herbe Verluste sorgten.

Weitere Abschreiber

Apropos herbe Verluste – beim Hoffnung-Bereich iptiQ, wo Swiss Re mit Partnern digitale Lösungen für Endkunden anbietet – gab es Abschreibungen. Der operative Verlust auf Stufe Ebit betrug diesmal fast 400 Millionen Dollar, nach einem Fehlbetrag von rund 300 Millionen Dollar im Jahr davor.

Um Investoren bei Laune zu halten, will Swiss Re trotz der schlechten Situation mit dem Gewinneinbruch die Dividende konstant bei rund 5.90 Franken halten.

Allerdings wechselte der Konzern die Angaben auf Dollar (6.40), weil ein Grossteil des Geschäfts in Dollar abgewickelt werde.

Trick bei Ausschüttung?

Was die Aktion soll, wurde an der Medienorientierung nicht klar, weil man dies ja bereits auch früher hätte machen können.

Aber vielleicht setzen Mumenthaler und Dacey auf Währungsveränderungen, welche dem Rückversicherer helfen, die Dividenden zu zahlen.

Der hohe Dividendenvorschlag für die Generalversammlung am 12. April, den der Verwaltungsrat um UBS-Starbanker Sergio Ermotti vorgenommen hat, führt aber dazu, dass das Eigenkapital noch weiter geschwächt wird.

Schliesslich müssen zirka 290 Millionen Dividenden-berechtigte Aktien die 6.40 Dollar erhalten, was einen Abfluss von fast 1,9 Milliarden Dollar ergibt. Verdient hatte Swiss Re aber bloss 472 Millionen Dollar. Es geht also wieder ans Eingemachte.

Positiver Nebeneffekt

Am Rande der Medienorientierung erklärte Finanzchef Dacey gegenüber muula.ch, dass im vierten Quartal 2022 auch ein grösserer Immobilien-Deal geholfen habe, einen Gewinn ausweisen zu können.

Schliesslich war bis zum dritten Quartal einen Verlust von fast 300 Millionen Dollar eingefahren, wie auch muula.ch berichtete.

Sinkt bei einer Firma das Eigenkapital, steigt allerdings automatisch die Eigenkapitalrendite. Also theoretisch, denn es muss auch ein Gewinn über dem Bruchstrich stehen.

Als Ziel für 2022 hatte Swiss Re «10 Prozent Return on Equity» in Aussicht gestellt. Geliefert wurden 2,6 Prozent. Im Jahr davor waren es auch bloss 5,7 Prozent.

Aufwind von Bondrenditen

Doch nun soll alles besser werden, versprach das Swiss-Re-Management. Mumenthaler gab sich etwa überzeugt, dass das Portfolio nicht riskanter geworden sei, aber das Prämienvolumen, etwa bei Naturkatastrophenpolicen, durchaus zweistellig zugelegt habe.

Die auslaufenden Kapitalanlagen könnten zudem zu deutlich höheren Renditen angelegt werden, was ebenfalls Aufwind gebe.

Erreichen der Ziele?

Last, but not least, erwarte die Gruppe überall attraktive Marktbedingungen. Der Konzerngewinn solle bei mehr als 3 Milliarden Dollar zu erliegen kommen.

2024, wenn das Unternehmen den Rechnungslegungsstandard von US-GAAP auf IFRS wechselt, sollen auch wieder 14 Prozent an Eigenkapitalrendite drin sein.

Mit widrigen Umständen, falls die Resultate erneut nicht geliefert werden, wird das Swiss-Re-Management aber kaum mehr argumentieren können.

An der Börse führte der erste Schock bei Bekanntgabe der Zahlen zu einem Rückgang des Aktienkurses um rund 2 Prozent.

Später erholten sich die Swiss-Re-Titel allerdings wieder.

17.02.2023/kut./20.02.2022/Streichung der Worte «insgesamt überhaupt» beim indirekten Zitat von Dacey

Stunde der Wahrheit für das Swiss-Re-Management

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert