Schweiz will ein Stück Unabhängigkeit zurückgewinnen

Ein Kernkraftwerk mit Tonnen radioaktiven Materials im Vordergrund
Bei Kernenergie stellt sich das Problem von radioaktivem Abfall und der Sicherheit. (Bild: Enrique / pixabay)

Die Abhängigkeit der Schweiz von Energie und damit von der EU ist enorm. Rechte Kreise wollen dem Land etwas Selbstbestimmung zurückgeben.

Volksentscheide haben in der Schweiz meist nur symbolische Bedeutung.

Spätestens seit der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative ist dies allen Einwohnern des Landes klar.

58 Prozent an Befürwortern

Der Mehrheitswunsch des Volkes wurde aber nur halbherzig umgesetzt. Und nun steht wieder ein Votum der Bevölkerung zur Disposition.

Eigentlich entschied die Schweiz mit 58 Prozent an Ja-Stimmen, ab 2018 keine neuen Kernkraftwerke zu bauen. Wem der Entscheid nicht gefällt, der macht einfach eine neue Initiative.

Noch vier AKWs in Betrieb

Genau dies passierte mit «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)», einer Volksinitiative, die eine neue Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen sowie die Aufhebung des geltenden Verbots der Erstellung neuer Kernkraftwerke bedeutet.

In der Schweiz gingen zwischen 1969 und 1984 fünf Kernkraftwerke (KKW) an vier Standorten in Betrieb.

Nach der Ausserbetriebnahme des KKW Mühleberg Ende 2019 sind aktuell noch vier KKW an drei Standorten in Betrieb.

Anteil am Strommix bei 35 Prozent

Sie verfügen allesamt über eine unbefristete Betriebsbewilligung und könnten am Netz bleiben, solange sie sicher sind.

Die Betreiber planen aktuell mit einer Betriebsdauer von 60 Jahren.

Die bestehenden KKW tragen laut dem Bund nach wie vor einen wesentlichen Anteil zur Stromproduktion in der Schweiz bei.

Im Jahr 2023 lag der Wert bei rund 35 Prozent.

Schutzmasken sendeten Warnung

Wie abhängig die Schweiz von Energie ist, zeigte unlängst eine Analyse zur Inflation, über die muula.ch berichtete.

Das Risiko eines Preisschubes geht praktisch nur von Energie aus.

Allen Stromabkommen mit der EU zum Trotz glaubt in der Schweiz kaum noch jemand, dass im Falle einer Mangellage das Land auch wirklich auf Lieferverpflichtungen der EU setzen kann.

Als die Schweiz während der Coronavirus-Pandemie für sich bestimmte Schutzmasken über das Territorium der EU geliefert bekam, konfiszierte die EU aufgrund des Notstandes einfach Schweizer Eigentum.

Dies sitzt nunmehr tief in den Knochen der Eidgenossen.

Keine Neuordnung der Kompetenz

Der Bundesrat will bis Mitte August 2025 eine Botschaft zur Volksinitiative mit indirektem Gegenvorschlag an das Parlament überweisen, wie die Landesregierung mitteilte.

Dabei wird der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung empfehlen.

Grund hierfür sei, dass der Bundesrat in der Energiepolitik keine Neuordnung der föderalistischen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen anstossen wolle. 

Verfassungsänderung unnötig

Der Bundesrat möchte sich auf die langfristige Sicherstellung der Stromversorgung konzentrieren und dafür dem Parlament mit einem indirekten Gegenvorschlag eine Streichung von Artikel 12a des Kernenergiegesetzes beantragen, um so das Verbot zur Erstellung von neuen KKW aufzuheben.

Eine Verfassungsänderung sei dafür nicht nötig.

Internationale Renaissance

Das zuständige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek unter SVP-Bundesrat Albert Rösti macht damit eine Kehrtwende. Klar, würde die Schweiz gerne auf Nuklearenergie verzichten, wenn es brauchbare Alternativen gäbe.

Doch der Stromverbrauch steigt und die Abhängigkeit von der EU, die eindrücklich beim Netzbetreiber Swissgrid beobachtet werden kann, ist zu hoch.

Auch international erlebt die Atomenergie wieder einen Aufschwung, wie muula.ch berichtete.

Sicherheitsbedenken, die nach dem Reaktorunfall um Tschernobyl und Fukushima aufgekommen waren, existieren praktisch nicht mehr.

Missachten des Volkswillens

Die Linken und Grünen der Schweiz schäumten vor Wut und reagierten mit Empörung auf den Entscheid des Bundesrates, ein neues Atomkraftwerk bauen zu wollen.

Sie warfen der Landesregierung vor, damit den Volkswillen zu missachten.

Genau diese Vorwürfe machte die SVP auch, als die rechte Masseneinwanderungs-Initiative zwar angenommen, aber von der linkslastigen Administration nicht umgesetzt wurde.

Sinneswandel durch Rösti

Nach der Abstimmung ist in der Schweiz quasi vor der Abstimmung. Man muss das Volk nur oft genug fragen, bis das jeweils Erwünschte herauskommt.

SVP-Bundesrat Rösti wurde im Dezember 2022 in die Landesregierung gewählt und krallte sich das Energiedossier.

Damit war eigentlich schon klar, dass die Schweiz bald mehr Distanz zur EU in Energiefragen erreichen und auf ein neues Atomkraftwerk setzen würde.

29.08.2024/kut.

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