Die Schweizer Börse SIX will sich eigentlich selbst kontrollieren. Doch das klappt immer schlechter und wird zum Risiko für den Finanzplatz.
Wann hat eine Firma die Investoren korrekt informiert? An dieser schwierigen Frage scheiden sich derzeit immer mehr die Geister.
Nur intern bekanntgegeben
Während muula.ch zahlreiche Fälle publizierte, wo es offensichtliche Missstände in der Informationspolitik von kotierten Unternehmen an der Schweizer Börse SIX gab, thematisiert nun auch der «Blick» in seiner Samstagsausgabe einen aktuellen Fall.
Der Industriekonzern Sulzer nahm eine gewichtige Änderung im Management vor.
Die grösste der drei Sparten erhielt einen neuen Chef, wie die Konzernchefin Suzanne Thoma in einem persönlichen Schreiben die Belegschaft intern informierte.
Brisant daran ist aber nicht nur, dass Thoma erneut einen Weggefährten aus ihrer Zeit bei BKW um sich schart.
Brisant daran ist auch, so der «Blick», dass weder die Schweizer Börse SIX noch die Medien über den Personalwechsel informiert worden sind.
Selbstreinigung gestört
Die Schweizer Börse SIX verweist, wie auch stets bei Medienanfragen von muula.ch, darauf, dass die Informationspolitik im Ermessen des Emittenten liege. Änderungen in der Geschäftsleitung seien je nach Fall zwar durchaus kursrelevant.
Aber den Entscheid darüber trifft eben die betroffene Firma selbst. Ob es nun gegen den Industriekonzern Sulzer eine Untersuchung gibt, erfährt die Öffentlichkeit, wie immer, auch nicht, weil die Börse sich nicht dazu äussert.
Damit ist allerdings der Selbstreinigungsprozess der Schweizer Börse stark gestört. Eigentlich will sich die Börse ja selbst regulieren und da gehört die öffentliche Ahndung von Regelverstössen hinzu.
Nestlé und Adecco betroffen
Wie muula.ch unlängst berichtete, informierte der Nahrungsmittelriese Nestlé zu seinem Aktienrückkauf falsch. Der Konzern aus Vevey musste aufgrund der Berichterstattung seine Webseite korrigieren, aber brauchte darüber nicht einmal die SIX informieren.
Bei der Versandapotheke DocMorris gab es keine Ad-hoc-Information zu den Umsatzzahlen 2024, und der Aktienkurs brach über 5 Prozent ein. Doch auch dazu sagte die SIX nichts.
Beim Personaldienstleister Adecco gab es ebenfalls Mängel in der Information zu einem Aktienrückkauf, wie muula.ch unlängst aufdeckte. Auch hierbei passierte für Aussenstehende nichts Sichtbares.
Ermittlungen gegen UBS?
Wie bei Nestlé war die Grossbank UBS auch bei Adecco die beauftragte Bank für den «Share buyback». Da ihr die Schweizer Börse SIX nach der Notfusion mit der Credit Suisse zu fast 35 Prozent gehört, müsste der Handelsplatz also gegen seinen grössten Aktionär ermitteln.
Ob die Schweizer Börse dies tatsächlich macht, ist öffentlich nicht bekannt. Wünschenswert wären Informationen darüber, weil ja alles so eng verwoben ist.
Einmal hat sich sogar die Online-Bank Swissquote über die Missstände an der Börse öffentlich aufgeregt.
Es entsteht also der Eindruck, Grosskonzerne könnten an der SIX quasi machen, was sie wollen. Bei kleinen Fischen kann die Börsenpolizei dagegen sehr hart vorgehen, wie muula.ch über die Firma Tornos berichtete.
Begünstigen der EU-Systematik
Die SIX Exchange Regulation SER, also der Kontrollarm der Börse, muss bei alldem aber nun um seine Abschaffung fürchten.
Dieses Risiko ist gar nicht so klein, denn die EU kennt keine Selbstregulierung von Börsenplätzen, sondern reguliert von oben mit einer strengen Aufsichtsbehörde.
Und dieses System könnte es nunmehr auch bald in der Schweiz geben, wie aktuelle Vernehmlassungen zur Rolle der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma zeigen.
Mit der schlecht funktionierenden Selbstregulierung an der Schweizer Börse SIX leistet das Land allerdings selbst Vorschub, dass die EU-Regulierung kommt.
02.02.2025/kut.