Nur ein «Dummer» beim Tram-Geschenk an Ukraine

Neue Trams in Bern von Stadler Rail
Bei Bernmobil fahren neue Tramlink-Züge von Stadler Rail. (Bild: PD)

Die Schweiz hat der Ukraine ausrangierte Trams vermacht. Doch jemand muss das Ganze zahlen.

In der vom Krieg zerstörten Ukraine sind Hilfsgüter aller Art willkommen. Keine Frage, dass es für den öffentlichen Verkehr auch Strassenbahnen braucht.

Ausgemustert, aber einsatzfähig

Die Schweiz springt da derzeit in die Bresche und aus Zürich sowie Bern gehen gleich Dutzende von Trams in ukrainische Städte, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco dieser Tage freudig mitteilte und die Medien gleich mehrfach ins Tramdepot von Bernmobil einlud.

Die ukrainischen Städte Lviv und Vinnytsa müssten Teile ihrer Tramflotten ersetzen, hiess es. Dazu hätten sie die Schweiz um Unterstützung angefragt.

Bern und Zürich stellten 11 beziehungsweise voraussichtlich 67 ausgemusterte, aber voll einsatzfähige Trams zur Verfügung, führten die Verantwortlichen weiter aus.

Zusätzliche Trams willkommen

Das Seco organisiert und finanziert den Transport in die Ukraine sowie die Ausbildung von vier Angestellten der ukrainischen Verkehrsbetriebe.

Diese würden im Frühling 2024 ein vierwöchiges Praktikum in der Werkstatt von Bernmobil absolvieren und könnten danach die Trams in Lviv selbständig betreiben sowie warten, lautet die Vorgehensweise.

Aufgrund des russischen Angriffskrieges seien viele Vertriebene nach Lviv gekommen und die Bevölkerung wuchs stark. Der Strassenverkehr nehme zu, erklärte das Seco und zusätzliche Trams seien da eben willkommen.

Verschrottung gespart?

Das Seco finanziert aber nicht nur den Transport und die Ausbildung mit Schweizer Steuergeld, sondern auch den Bau einer neuen Tramlinie zu einem Spital, die mit den Berner Niederflur-Trams betrieben werden könne.

In der Ukraine kommt nämlich sonst meist das russische Schienenformat zum Tragen und Schweizer Trams würden da oftmals nicht passen.

Indirekt sind das aber alles «Geschenke», die auch der Schweiz nützen. Zum Beispiel spart sich Bernmobil hohe Verschrottungskosten, denn bis anhin konnte eigentlich kein Verkauf der alten «Vevey»-Trams realisiert werden, wie es in Medien unlängst hiess.

Abgangsgewinn realisieren?

muula.ch ging noch einen Schritt weiter und fragte bei Bernmobil nach, mit welchen Werten die ursprünglich 12 Trams in der Bilanz stehen. Die Fahrzeuge seien vollständig abgeschrieben, erklärte ein Mediensprecher.

Damit ist auch klar, dass ökonomisch mit dem Abgang ein Gewinn oder Verlust entstehen würde, je nachdem, ob ein Verkaufserlös oder ein Verschrottungsaufwand anfällt. Bei der Weitergabe der elf Trams des Typs «Vevey» von Bernmobil handle es sich um eine Schenkung, erklärte der Berner Verkehrsbetrieb weiter. Insofern verschwinden die abgeschriebenen Trams also einfach aus den Büchern.

Hätte ein Verkauf nach Osteuropa realisiert werden können, wäre ein Abgangsgewinn entstanden und die Ticketpreise hätten vielleicht etwas gesenkt werden können.

Das Seco, also der Bund, übernimmt nun aber den Transport und die Ausbildung für die Ukrainer. Bern spart sich damit also den Entsorgungsaufwand für die alten Trams.

Dringender Ersatz nötig?

Berner rieben sich etwas erstaunt aber bei der ganzen Sache dennoch die Augen. Die «Berner Trams können in Lviv noch lange genutzt werden», schrieb nämlich das Seco.

Die Fahrzeuge seien in gutem Zustand und könnten in der Ukraine noch 10 bis 12 Jahre eingesetzt werden, hiess es nunmehr. Die ökonomische Nutzungsdauer der Fahrzeuge ist offenbar viel länger.

Warum brauchte es also dringend Ersatz in Bern? «Ein Teil der bestehenden Fahrzeugflotte ist in die Jahre gekommen und muss ersetzt werden», hatte Bernmobil einst knallhart erklärt und bei Stadler Rail deswegen die neuen Tramlink-Züge bestellt.

Da die Berner Bevölkerung wachse, berücksichtigten die grosszügigen Platzverhältnisse in den neuen Trams diese Entwicklung und sorgten für mehr Kapazität, lautete damals die Botschaft.

Bern bestellte bei Stadler aber Züge, die einfach weniger Sitzplätze hatten, und schon stieg die Kapazität. Klar gab es neben der Modernisierung der Flotte auch noch die Aspekte, dass mehr Sicherheit entsteht und Ältere sowie Menschen mit Behinderungen profitierten.

Einer muss zahlen

Es ist insgesamt wohl Win-Win-Win. In Bern gibt es neue Trams. Stadler Rail baut neue Züge und sichert Arbeitsplätze in der Schweiz. Und die Politiker können sich mit einem modernen öffentlichen Verkehr sowie humanitärer Hilfe für die Ukraine schmücken.

Der «Dumme» ist quasi bloss der Steuerzahler – die Berner für die neuen Trams, die rund zehn Jahre zu früh angeschafft wurden.

Und auf Bundesebene, mit dem Aufwand beim Seco, sind es alle Schweizer Steuerzahler, die Bern von Verschrottungskosten befreien und in der Ukraine etwa eine neue Tramlinie bauen, damit dann dort Schweizer Alt-Trams fahren können.

15.01.2024/kut.

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