Märchenstunde im Schweizer Staatsfernsehen

Ein leeres Studio der SRG
Mit einem SRG-Studio ohne Personal versucht der Staatssender zu punkten. (Bild: PD)

Das Schweizer Radio- und Fernsehen hat seinen Unmut über Sparforderungen kundgetan. An der Gegenwehr stimmt aber kaum etwas.

Wer einmal an der Bilanzmedienkonferenz des Schokoladenherstellers Lindt & Sprüngli war, hat kaum Zweifel, dass es beim Schweizer Staatssender SRG viel Sparpotenzial gibt.

Viel Personal

In ganzen Rudeln reisen nämlich die staatlichen Produktionsteams mit Übertragungswagen und viel Personal an, weil an dem Anlass nämlich auch jeder Journalist – analog zu den Lindt-Aktionären – ein Paket mit Schokolade und meist noch ein paar Kisten Pralinees obendrauf bekommt.

Beobachter fragen sich da oft, warum es für einen kurzen Beitrag in der Tagesschau & Co. so viele SRG-Mitarbeiter braucht. Wer weiss.

Schauermärchen aufgetischt

Unabhängig davon, ob es bei der SRG sichtbares Sparpotenzial gibt oder nicht, wollte das Schweizer Staatsradio und -fernsehen nun das Schweizer Volk mit Schauermärchen beeindrucken.

Rund 900 Stellen müssten stufenweise abgebaut werden, falls nur schon der Vorschlag des Bundesrates und nicht einmal die «Halbierungsinitiative» bei den Serafe-Zwangsabgaben zum Zuge käme, teilte die SRG am Montag überraschend mit.

Leistungsauftrag zurückgeben

Doch auf welcher Grundlagen basiert dieses Szenario?

Durch die angekündigte Streichung des Teuerungsausgleichs, den Rückgang der Werbeeinnahmen und die vom Bundesrat vorgeschlagene Reduktion der Medienabgabe würden der SRG ab 2027 jährlich bis zu 240 Millionen Franken fehlen, hiess es in dem Communiqué.

Diese Kumulation der finanziellen Herausforderungen habe einschneidende Auswirkungen auf das Programm und das Personal, so die Erklärungen.

Durch die Kumulierung der finanziellen Herausforderungen sei die Erfüllung des Leistungsauftrages ab 2025 gefährdet und ab dem Jahr 2027 nicht mehr finanzierbar, lautete das Schlussfazit.

Behutsame Senkung

muula.ch blickte dazu in den Jahresabschluss 2022 der SRG und sieht, dass 1,231 Milliarden Franken aus der Medienabgabe des Volkes an den Staatssender gingen.

Hinzu kamen nochmal Einnahmen aus TV-Werbung und Sponsorings von rund 200 Millionen Franken. Letzteres geht auf Basis einer alten Studie aber gleich wegen der Viersprachigkeit bei SRG wieder drauf.

Der Bundesrat möchte nun mit seinem Gegenvorschlag die Haushaltsabgabe schrittweise ab 2027 zulasten der SRG senken – von derzeit 335 auf 312 Franken pro Jahr respektive ab 2029 auf 300 pro Jahr.

Das bedeutet also eine schrittweise Senkung des Budgets erst um sieben und später gegenüber der Ausgangslage nochmal um rund drei Prozent.

Personal kostet 800 Millionen

Schaut man auf die obligatorische Medienabgabe von 1,231 Milliarden Franken, wären dies im schlimmsten Fall also 123,1 Millionen Franken. Etwas gerundet kommt man auf 120 Millionen Franken, welche die SRG ab 2029, also in sechs Jahren, einsparen müsste.

Bei der SRG sind derzeit 6957 Personen tätig, was 5518 Vollzeitstellen entspricht. Will man nun 900 Stellen stufenweise abbauen, wären dies rund 16 Prozent. Mit Blick auf den Personalaufwand von 810 Millionen Franken fielen also künftig rund 130 Millionen Franken bei der Belegschaft weg.

Der Programm- und Produktionsaufwand von 400 Millionen Franken würde aber auch etwas weniger, denn die Personen auf den 900 Vollzeitstellen produzieren auch nichts mehr, wenn sie nicht mehr da sind.

Unglaubwürdige Zahlen

Rechnet man 20 Prozent an Einsparungen beim Programm, käme ein Sparvolumen von nochmals 80 Millionen Franken zusammen.

In Summe ergibt das wohlgemerkt ab dem Jahr 2029 erst eine Kostenersparnis von rund 200 Millionen Franken und nicht, wie von den Verantwortlichen schon ab 2027 angegeben, zirka 20 Prozent mehr. Insofern kann schon mal etwas nicht stimmen.

Die Zahlen der SRG mit 900 Vollzeitstellen sind wahrscheinlich einfach aus der Luft gegriffen, um beim Stimmvolk grosse Panik zu schüren.

Das Schweizer Staatsfernsehen könnte selbst mit der Halbierungsinitiative noch auf ein Budget von rund 600 Millionen Franken plus Werbeeinnahmen und Sponsorings von ungefähr 200 Millionen Franken zählen.

Warum soll der Schweizer Staat mit fast einer Milliarde Franken und immer noch Tausenden an Mitarbeitern nicht auch damit ein gutes Programm herstellen können? Eine Antwort darauf gibt es von der SRG nicht.

Gottesdienste hinfällig

Die Auswirkung auf die Berichterstattung wären weniger Aussenproduktionen beim Sport, weniger Schweizer Filme sowie Serien und weniger Übertragungen von Gottesdiensten sowie Musikaufnahmen, lauteten die Konsequenzen in der SRG-Stellungnahme.

Was am Wegfall solcher Nischen schlecht sein soll, bleibt ebenfalls unklar.

Warum müssen junge Familien, die nichts mit der Kirche am Hut haben, in alle Ewigkeiten die Übertragung von Gottesdiensten über staatlich erhobene Zwangsgebühren finanzieren? Es gibt keine logische Antwort darauf.

SRG-Präsident dehnt Wahrheit

SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina wird in der Medienmitteilung mit dem Satz zitiert: «Eine Demokratie lebt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger gut informiert sind».

Da hat er zwar recht, aber die SRG wird diesem Anspruch kaum gerecht, sondern der Staatssender versucht bloss, seine Pfründe zu retten.

Und wahrscheinlich müsste der SRG-Präsident einfach mal an die Medienkonferenz des Schokoladenherstellers Lindt & Sprüngli gehen.

21.11.2023/kut.

Märchenstunde im Schweizer Staatsfernsehen

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