Die Krypto-Märkte machen meist genau das Gegenteil von dem, was Anleger erwarten. Nach dem «Merge» von Ethereum hofften viele auf Kurssteigerungen – doch die kamen nicht.
Spielen die Krypto-Märkte also derzeit wieder einmal verrückt? Eigentlich nicht. Zwar ist Ethereum die Umstellung auf eine energiesparende Variante gelungen, was mancherorts als der Event des Krypto-Jahrzehnts dargestellt wurde. Dennoch verlor Ether seit der Umstellung vergangene Woche fast 20 Prozent an Wert.
Zunächst muss man dabei bedenken, dass Ethereum mit dem Merge zwar auf ein grundsätzlich neues Verfahren zur Bestätigung von Transaktionen umgestellt wurde.
Nächste Schritte entscheidend
Die Grundprobleme wie die Verstopfung des Netzwerkes mit zu vielen Transfers und die teils exorbitanten Fees wurden aber mit der Umstellung nicht gelöst.
Vielmehr legte der Merge erst die Grundlagen für neue Entwicklungen in den kommenden Jahren, diese «Übel» von Ethereum zu beheben.
Wetten früh eingegangen
Des Weiteren war das Datum der Umstellung mit dem 15. September lange im Voraus bekannt. Viele Spekulanten nutzten dies und deckten sich mit den Coins im Vorfeld ein. Als dann die Anpassung des Netzwerks erfolgreich über die Bühne gegangen ist, war es für die Kurzfrist-Spekulation vorbei und diese Anleger verkauften ihre Ether.
Obendrein lösten viele Anleger ihre (oft zig-fach gehebelten) Optionswetten auf höhere Krypto-Kurse auf, was ebenfalls Verkäufe der darunter liegenden Assets auslöste.
Wechselwirkungen zu Börsen
Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass das aktuelle Umfeld an den Kapitalmärkten alles andere als positiv ist. Die Kryptomärkte wollen zwar als unabhängig gelten, doch geht es an den Traditionsbörsen nach unten, brechen auch die Krypto-Werte ein.
Viele sehen da die Tatsache als gegeben, dass mit den sinkenden Aktienkursen häufig Margin-Calls ausgelöst werden, also höhere Sicherheiten geleistet werden müssen, und Anleger diese über die Verkäufe von Krypto beischaffen, weil Broker digitale Assets häufig noch nicht als Sicherheiten akzeptieren.
Zinserhöhungen kommen
Ein weiterer Grund für den Kursrutsch dürften auch makroökonomische Zahlen gewesen sein. Erstens meldeten die Statistiker in den USA, dass die Inflation weiterhin hartnäckig hoch geblieben ist.
Zudem kamen am Tag des Merge positive Zahlen zu den Detailhandelsumsätzen, robuste Angaben zum amerikanischen Arbeitsmarkt und viel weniger Anträge für Arbeitslosenhilfe heraus, wie etwa «Reuters» berichtete. All dies schürt aber die Angst vor weiteren Zinssteigerungen der Notenbanken, was die Aktienkurse und somit auch die Kypto-Märkte einbrechen lässt.
Kampf der Titanen
Ausserdem kämpfen zahlreiche Krypto-Anleger aktuell gegeneinander, wie etwa die gerichtlichen Insolvenz-Verfahren von Voyager Digital und Celsius Network eindrücklich zeigen. Viele Beteiligte haben Unsummen verloren und nun sollen Kolonen von Anwälten mit dem klassischen Rechtsstaat eine Lösung für den Verlust von komplexen international-geschachtelten digitalen Assets herbeizaubern.
All dies kostet Zeit, Geld sowie viel Vertrauen und zahlreiche Anleger ziehen sich wegen der Vorkommnisse völlig aus den Krypto-Märkten zurück.
Regulatoren in Startlöchern
Und last but not least dürfen die Krypto-Anleger nicht vergessen, dass ihre Standardprobleme weiterhin existieren und etwa die Regulierung ihr ganzes Universum bedroht. So erklärte etwa die britische Finanzaufsicht, dass die bekannte Krypto-Börse FTX in Grossbritannien keine Zulassung habe. Die Behörden warnten quasi förmlich vor Transaktionen mit der Plattform.
Und auch in den USA dürfte es bald ungemütlich werden, denn die US-Börsenaufsicht SEC hat gerade Ethereum nach der Umstellung auf dem Radar – denn da gelten die Coins vielleicht bald als Finanzanlagen und dies heisst, es braucht eine Bewilligung.
21.09.2022/kut.