Kommt die Gierflation in die Schweiz?

Ein gieriger Unternehmer
Gierige Unternehmer erhöhen die Preise mehr, als sie von Kostensteigerungen betroffen sind. (Bild: Alexa / pixabay)

Die Produzenten- und Importpreise fallen rasant. Doch einige Unternehmen erhöhen dennoch ihre Verkaufspreise unglaublich.

Der Kunde staunte nicht schlecht, als er sein Baguette-Brötchen an der Kasse bei Coop bezahlen wollte.

Es hiess jahrelang Parisette und kostete 95 Rappen. Dann war dem Kunden neulich schon aufgefallen, dass es in Bio-Parisette umgetauft wurde.

Und nun, ein paar Tage nach der Namensänderung, kostet es bei Coop plötzlich 1.10 Franken.

Coop langt richtig zu

Wie kann es sein, dass der Detailhändler beim Preis fast 20 Prozent aufschlägt?

Es geht, weil die Konsumenten bereit sind, für ihre frischen Brötchen deutlich tiefer in die Tasche zu greifen.

Bei anderen Produkten, wie beim Olivenöl Don Felipe hatte der Detailhändler den Preis ja um fast 40 Prozent erhöht und sogar den Zorn des «Tages-Anzeigers» auf sich gezogen.

Beim Sonnenblumenöl, wo der Ukraine-Krieg eine Rolle gespielt haben soll, ging der Preis der 2-Liter-Flasche mittlerweile auch um über 25 Prozent nach oben.

Teuerung bei Erdöl

In vielen Ländern, wo die Inflation bei zehn und mehr Prozent zugeschlagen hat, macht derzeit ein Begriff die Runde. Er lautet Gierflation.

Damit sind Unternehmen gemeint, welche die Preise erhöhen, ohne aber selbst von Kostensteigerungen in gleichem oder ähnlichem Umfang getroffen zu sein.

Die Inflation, die ursprünglich von höherem Erdöl und Erdgas getrieben wurde, hat mittlerweile nämlich meist einen anderen Grund.

Gunst der Stunde nutzen

«Alles wird teurer», heisst es häufig. Aber das stimmt selten. Es zeigt nur, dass die Verbraucher bereit sind, mehr zu bezahlen.

Unternehmen nutzen da die Gunst der Stunde und erhöhen die Verkaufspreise, um mehr Gewinn zu machen. Neben Gierflation macht daher auch der Begriff «Gewinninflation» die Runde.

Ökonomen versuchen die tatsächlichen Effekte zu untersuchen, doch dies ist gar nicht so einfach, weil sich die Unternehmen nicht in ihre Kalkulationen schauen lassen.

Die Europäische Zentralbank EZB versuchte, die Inflation innerhalb der Währungsunion zu schätzen und kommt in einer neuen Analyse zu dem Schluss, dass die Hauptursache der Teuerung mehr lokale Faktoren seien und nicht teure Energieimporte.

EZB schäumt vor Wut

Der Haupttreiber seien klar höhere Gewinnmargen, hiess es.

Die Quintessenz der EZB-Studie: Die Firmen hätten es viel zu leicht gehabt, hohe Preissteigerungen durchzusetzen. Die Kundschaft hätte kaum durchschauen können, was die wahren Treiber für die steigen Verkaufspreise waren.

Aber offenbar waren sie bereit, mehr zu bezahlen, denn zu Preiserhöhungen gehören immer zwei Seiten.

Viele Agrarprodukte, so schrieb unlängst etwa auch die linke deutsche Zeitung «Die Zeit» zu dem Thema, seien deutlich teurer geworden, als es die höheren Kosten um Energie, Saatgut und Vorleistungen rechtfertigen würden.

Das Blatt berief sich auf eine Studie in Deutschland.

Firmen würden die Kostensteigerungen als Vorwand nehmen, um noch höhere Preissteigerungen auf die Kundschaft überzuwälzen, so der Tenor.

Hungrig nach Profit

Anfang Mai publizierte sogar der Versicherungsriese Allianz mit der Tochter Allianz Trade um Warenkreditversicherungen eine Studie, bei der auch als Ergebnis herauskommt, dass die Preise deutlich stärker steigen, als dies die Erhöhung von Produktionskosten & Co. nahelegen würden.

«Insbesondere Lebensmittelhersteller seien hungrig nach Profiten», hiess es ungewöhnlich für den Versicherungskonzern.

Faire Behandlung als Erfolgsrezept

Und in der Schweiz?

Die Luxuskonzerne nutzen die Gunst der Stunde nicht exorbitant, wie etwa das Vorzeigeunternehmen Richemont mit den Marken Cartier, Montblanc & Co. am vergangenen Freitag bekanntgab und auch muula.ch berichtete.

Man wolle die Preise fair, also um die Teuerung erhöhen, welche den Konzern selbst treffe, hiess es zum Erfolgsrezept.

Doch wie gehen die Detailhändler Coop, Migros, Manor oder Globus um und was machen die Discounter bei Denner, Aldi und Lidl?

Daten geben genauen Einblick

Nun, am heutigen Montag publizierte das Bundesamt für Statistik BFS die Produzenten- und Importpreise für den vergangenen Monat April und die vergangenen zwölf Monate.

Darin kann man ablesen, wie viel die Produzenten für Rohwaren und Vorleistungen mehr oder eben weniger bezahlen müssen.

Im Vergleich zum April 2022 stieg das aktuelle Preisniveau des Gesamtangebots von Inland- und Importprodukten um lediglich 1,0 Prozent, hiess es.

Im März hatte die Jahresteuerung, welche die Firmen selbst trifft, noch bei +2,1 Prozent gelegen.

Der Trend geht bei den Preisen also deutlich nach unten.

Günstigere Mineralölprodukte

Für den Anstieg des Produzentenpreisindexes gegenüber dem Vormonat waren laut dem BFS vor allem die höheren Preise für Maschinen verantwortlich.

Teurer wurden auch elektrische Ausrüstungen, Uhren, Metallprodukte sowie Mess- und Kontrollinstrumente.

Preisrückgänge zeigten hingegen Mineralölprodukte, Metalle, Metallhalbzeug und Gas.

Backen im Ofen

Kommt man nochmals auf das Beispiel um die Baguette-Brötchen von Coop zurück, zeigt sich ein klares Bild.

Die Backwaren bestehen aus Mehl, Hefe, Wasser und etwas Salz. Hinzu kommt Arbeitskraft für den Teig und das Backen im Ofen sowie Energie.

Land- und Forstwirtschaftliche Produkte legten für Schweizer Produzenten laut dem BFS im Jahresvergleich aber nur um 2,8 Prozent zu. Geht es um Importwaren in dieser Kategorie, wurden sie sogar leicht günstiger.

22,9 Prozent geringerer Preis

Bei verarbeiteten Nahrungsmitteln ging es um 4,4 Prozent in der Schweiz beziehungsweise um 4,3 Prozent beim Import nach oben.

Der Preis für Wasser und Abwasser sank sogar um 22,9 Prozent.

Und die Energie legte in der Schweiz um 9,7 Prozent zu. Importstrom wurde dagegen innerhalb eines Jahres um 12,4 Prozent für Firmen günstiger.

Es dürfte also auch für die Schweiz heissen: Willkommen Gierflation.

Die höchste Preissteigerung bei den Baguette wäre nämlich die Energie und die stieg um rund 10 Prozent innerhalb eines Jahres. Aber das Coop-Bio-Parisette besteht ja nicht zu 100 Prozent aus Energie.

Lohnsumme wieder einsparen

Doch halt, es fehlt noch die Arbeitskraft.

Die Lohnsumme hat Coop auf dieses Jahr bei der Belegschaft um 2,0 Prozent erhöht und da dürften dann allerdings nicht die Kunden, sondern die Coop-Mitarbeiter etwas erstaunt geschaut haben.

Denn laut Informationen von muula.ch muss nun jeder Coop-Supermarkt genau diesen Betrag der Lohnerhöhungen von 2 Prozent wieder bei Aushilfen, Zusatzpensen, Überzeiten & Co. einsparen.

15.05.2023/kut.

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