In der Schweiz sind die Löhne im Jahr 2022 nur marginal gestiegen. Die Inflation hat kräftiger zugeschlagen. Eine Branche trifft es besonders.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben im vergangenen Jahr quasi einen Verlust erlitten.
Während die Löhne über alles gesehen nur um rund 0,9 Prozent in die Höhe gingen, schlug die Teuerung von 2,8 Prozent deutlich mehr zu, sodass unter dem Strich ein «realer» Lohnverlust von fast zwei Prozent resultierte.
Grosse Gruppe darbt
Dies geht – neben einem anhaltenden Geschlechter-Gap – aus den neuesten Daten des Bundesamtes für Statistik BFS vom heutigen Montag hervor.
Die Kaufkrafteinbussen resultierten hauptsächlich durch die höheren Gas-, Öl-, Auto- und Mietpreise, hiess es weiter.
Bei den wichtigsten Gesamtarbeitsverträgen (GAV), denen fast eine halbe Million Arbeitnehmende angeschlossen sind, wurde für 2022 kollektivvertraglich ohnehin nur eine Anhebung des Lohnniveaus von 0,3 Prozent vereinbart.
Deutliche Lohnrückgänge
In den einzelnen Wirtschaftszweigen dieses Sektors entwickelten sich die Löhne sehr unterschiedlich und reichten von –2,2 bis +4,0 Prozent.
Die stärksten nominalen Zunahmen waren in den Wirtschaftszweigen «Kokerei und Mineralölverarbeitung, Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen» (+4,0 Prozent), «Maschinen- und Fahrzeugbau» (+2,0 Prozent) sowie «Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung» (+1,2 Prozent) zu beobachten.
Am wenigsten Zuwachs bekamen die Wirtschaftszweige «Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren, Verarbeitung von Steinen und Erden» (–2,2 Prozent) sowie «Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und elektrischen Ausrüstungen und Uhren» (–0,6 Prozent), die einen Lohnrückgang verzeichneten.
Champagner bei Versicherern
Im Dienstleistungssektor nahmen die Nominallöhne mit durchschnittlich +1,0 Prozent etwas stärker zu als im Industriesektor.
Die grössten nominalen Zunahmen verbuchten die Branchen «Versicherungen» (+2,7 Prozent) sowie «Informationstechnologische und Informationsdienstleistungen» (+2,4 Prozent).
In den Branchen «Post-, Kurier- und Expressdienste» (–0,3 Prozent) sowie «Kunst, Unterhaltung und Erholung» (–1,4 Prozent) waren die Nominallöhne hingegen rückläufig.
Die Reallohnentwicklung reichte im Jahr 2022 somit von –5,0 Prozent bis +1,2 Prozent.
Einzig in der Branche «Kokerei und Mineralölverarbeitung; Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen» stiegen die Reallöhne im Jahr 2022 an. In allen anderen Wirtschaftszweigen sei die Kaufkraft der Löhne aber zurückgegangen, erklärte das BFS weiter.
Kunst verliert deutlich
Den grössten Kaufkraftverlust erlitt die Branche zur «Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren, Verarbeitung von Steinen und Erden», bei denen es um 5 Prozent nach unten ging.
Bei den Dienstleistungen schauten «Kunst, Unterhaltung und Erholung» am meisten in die Röhre. Sie verloren 4,2 Prozent an Kaufkraft.
Schlechte Verhandlungen
Blickt man auf die Grafik mit dem historischen Vergleich oben, so zeigt sich, dass es in den vergangenen zwei Jahrzehnten nie so einen grossen Kaufkraftverlust in der Schweiz gab. Nie waren die grünen Balken so tiefen Negativbereich.
Während sich die Löhne – zwar immer etwas zeitverzögert – zur Teuerung entwickelten, hielten sich die Reallohnverluste immer in Grenzen.
Damit wird klar, dass die Arbeitnehmer schlecht verhandelt haben – die nächste Lohnrunde dürfte daher heftig werden.
Negativer Einfluss auf Schweiz
Allerdings kann es dann zu einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale kommen, bei der die Inflation erst dadurch angeheizt wird, weil sich das Lohnniveau zu stark erhöht.
Das Szenario ist gar nicht mehr so unwahrscheinlich. Über das vergangene Wochenende einigten sich die Tarifpartner im öffentlichen Dienst in Deutschland – die unteren Entgeltgruppen der 2,4 Millionen Staatsdiener bekommen dabei fast 17 Prozent mehr an Lohn.
Da werden sich die Unternehmen sagen, schlagen wir doch die Preise auf. Geld ist ja genug da.
Und dies dürfte auch auf die Schweiz zumindest teilweise überschwappen.
24.04.2023/kut.