Die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften SATW hat zwei kontroverse Themen des Landes aufgearbeitet. Damit zeigt sie der Schweiz den Weg aus der Misere.
Es war wahrscheinlich die höchste Konzentration an Professorinnen und Professoren der Schweiz.
Rund 300 Personen hatten sich am Mittwoch vor Auffahrt bei Google Switzerland in Zürich zum Jahreskongress der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW versammelt.
Von Swisscom bis SBB
Neben der Crème de la Crème der Wissenschaft waren aber auch der Konzernchef von Swisscom, Christoph Aeschlimann, der Konzernchef von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB, Vincent Ducrot, die Konzernchefin von Alpiq, Antje Kanngiesser, sowie zahlreiche Politiker und Staatsdiener aufgefahren.
Hausherr Google liess es sich ebenfalls nicht nehmen und bot hochkarätig den Vize-Präsidenten für das Engineering, Behshad Behzadi, auf.
Er legte dar, dass Künstliche Intelligenz KI quasi unbemerkt schon alle Bereiche des Lebens, wie das Smartphone, den Kundenservice, die Medizintechnik oder etwa das Reisen, erreicht habe.
Bevölkerung will andere Wege
An der Veranstaltung, bei der muula.ch anwesend war, ging es aber um die zwei Kernfragen der Schweiz, wie die technische Souveränität und die Versorgungssicherheit mit Energie sichergestellt werden könnten.
Die Lösungsansätze der Intelligenz zu den zwei Problemen unterscheiden sich allerdings diametral von der Realität des Landes sowie vom Wunsch weiter Teile der Bevölkerung.
Klar machte Kurt Rohrbach, Delegierter des Bundes zur Wirtschaftlichen Landesversorgung, dass sich die Schweiz selbst in eine sehr schwierige Situation beim Strom manövriert habe.
Die Energieknappheit im Winter sei ein Strukturproblem und habe sich durch den Ukraine-Krieg bloss akzentuiert. Der Handlungsdruck sei unausweichlich.
Widerspruch lösen
Die Konzernchefin von Alpiq brachte den Zwiespalt in dieser Frage dann aber auf den Punkt.
Die Schweiz wolle beim Lebensstandard in der Topliga mitspielen, aber Landschaften und die Infrastruktur sollen weiterhin wie im 19. oder 20. Jahrhundert ausschauen.
Dieser Widerspruch müsse gelöst werden und die anwesende Wissenschaft applaudierte dem zu.
Klare Absage für Denkverbote
Viel Beifall gab es von der Professorenschaft auch, als eine Normalisierung des Verhältnisses mit der Europäischen Union EU gefordert wurde. Das macht nicht nur die Mitarbeit beim Forschungsprogramm Horizon wieder möglich, sondern würde auch das Stromproblem einigermassen lösen.
Schliesslich läuft der bilaterale Vertrag mit Frankreich auch schon im kommenden Jahr aus.
Denkverboten, wie zur Nutzung und Erforschung von Kernenergie in der Schweiz, erteilten die Wissenschafter mittels Applaus ebenfalls eine klare Absage.
Raschere Entscheide
Doch wie eine Lösung für das Land aussehen soll, wussten die Anwesenden letztlich nicht.
Mehr Windräder in den Bergen, mehr Solarpanels auf den Dächern und ein nettes Stromabkommen mit der EU waren zwar auch hier die Hauptrichtungen zur Entschärfung der Stromkrise.
Raschere Entscheidungsprozesse für Energieanlagen, als die Dekaden der Schweizer Genehmigungsprozesse, dürften es aber auch noch sein.
Und Energiesparen sowie die Entwicklung von Speichermöglichkeiten für Strom verstünden sich von selbst, weil auch alternative Energien den Strom zu Zeiten produziert, wenn er nicht gebraucht wird.
Risikokapital nötig
Doch das «Wie» wurde an der Veranstaltung indirekt klar, denn es krankt im Land zusätzlich noch an einem völlig anderen Punkt. Dies brachte Swisscom-CEO Aeschlimann ins Spiel.
Um technisch überhaupt an vorderster Front mitzuspielen, brauche die Schweiz viel mehr Geld für Innovationen.
Bis zum Jahr 2030 fehlten unserem Land rund 50 Milliarden Franken an Risikokapital, um eine jährliche Finanzierungslücke von 7,4 Milliarden Franken gegenüber Topinnovationsführern zu schliessen, erklärte der Manager.
Leader bei Zukunftsthemen
Aeschlimanns Vorstellungen reichten sogar so weit, dass die Schweiz in Schlüsselindustrien der Zukunft jeweils globale Branchenführer hervorbringen müsse.
Dies habe die Welt schön während der Coronavirus-Pandemie gesehen – die Basler Pharmakonzerne um Roche und Novartis seien zur Lösung der Krise jederzeit an vorderster Front gefragt gewesen.
So etwas brauche es bei allen Zukunftsthemen.
Der Staatskonzern Swisscom wolle seinen Beitrag dazu mit zwei Initiativen leisten. Ein Deeptech Nation Fund soll mit Millionen gespeist werden und eine Stiftung zur gezielten Entwicklung des Landes solle her, führte Aeschlimann weiter aus.
Glanz durch Abwesenheit
Doch dafür fehlte allerdings an der hochkarätigen Veranstaltung nur der verantwortliche Wirtschafts- und Forschungsminister.
SVP-Bundesrat und Weinbauer Guy Parmelin war die geballte Ladung an Intelligenz offenbar zu viel des Guten.
Er hatte Wichtigeres zu tun und liess sich nur per Grussbotschaft einspielen; der Applaus war mässig.
Lustreise nach Asien
Der Magistrat reiste nämlich lieber nach Südkorea, wie Anwesende nach der Veranstaltung beim Apéro tuschelten.
Dort unterzeichnete der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung dann eine Erklärung mit dem koreanischen Wissenschaftsminister, um die zwischen der Schweiz und Südkorea bestehenden Bande in allen Forschungsbereichen weiter zu stärken, insbesondere bei der digitalen Transformation, der Biotechnologie sowie den Quantenwissenschaften und ‑technologien, wie es dann offiziell hiess.
Was die Erklärung bringen soll, bleibt allerdings völlig unklar.
Nur Gequatsche
Wenn Interessierte aber ganz genau auf die Präsentation des Swisscom-CEO schauen, erkennen sie, dass Südkorea von den Topinnovationsführern dieser Welt noch weiter abgeschlagen liegt als die Schweiz.
Ein Zusammenschluss von zwei Fusslahmen bringt aber keinen Sprinter hervor, sollte vielleicht jemand mal Parmelin erklären.
Doch wie immer macht der Schweizer Wirtschaftsminister das Falsche; ohnehin sitzt er viel lieber an unnützen Runden Tischen, wie muula.ch bereits mehrfach berichtete.
Dramatik erkennen
Die Schweiz hätte die Veranstaltung mit der versammelten Professorenschaft eigentlich live im Fernsehen übertragen sollen.
Dann wäre auch der Bevölkerung die Dramatik der Situation bei den zwei Kernthemen klar geworden.
Das Land ist schon in vielen Punkten längst keine Weltspitze und die Lösungen der Zukunftsprobleme, bei denen die Wissenschaft durchaus helfen kann, brauchen einen gewaltigen Sprung der Menschen über deren eigenen Schatten.
20.05.2023/update 22.05.203/kut.